Berlin

Ein Kunde pro 25 Quadratmeter Verkaufsfläche: Handel wehrt sich gegen deutlich schärfere Regeln

Der Einzelhandel wollte eigentlich überhaupt keine Verschärfung – profitieren jetzt die Anbieter im Internet?  Foto: dpa
Der Einzelhandel wollte eigentlich überhaupt keine Verschärfung – profitieren jetzt die Anbieter im Internet? Foto: dpa

Der Handelsverband Deutschland (HDE) hatte vor dem Treffen der Politiker vor strengeren Vorgaben für die Kundenzahl in Geschäften gewarnt – so ganz konnte er sich nicht durchsetzen. Die von der Bundesregierung vorgeschlagene Regelung, nur noch einen Kunden pro 25 statt wie bisher pro zehn Quadratmeter Verkaufsfläche zuzulassen, könne zu langen Schlangen vor den Geschäften und „am Ende zu neuen Hamsterkäufen im Lebensmittelhandel führen“, hatte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth argumentiert. Zudem sei es auch nicht im Sinne der Eindämmung der Pandemie, wenn viele Kunden vor den Geschäften wartend bei kalter Witterung eng beieinander stünden.

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Der HDE forderte deshalb, bei der aktuellen Regelung zu bleiben. „Die Hygienekonzepte der Handelsunternehmen haben sich bewährt, es gibt keine Hotspots beim Einkaufen. Deshalb gibt es auch keinen Grund, die Regeln zu verschärfen“, sagte Genth.

Auch Rewe-Chef Lionel Souque sprach sich entschieden gegen weitere Einschränkungen der Kundenzahlen in den Märkten aus. „Wenn nur noch 40 statt 100 Menschen gleichzeitig in einem Supermarkt mit 1000 Quadratmeter Verkaufsfläche einkaufen dürften, befürchte ich vor Weihnachten endlose Warteschlangen und chaotische Situationen vor den Supermärkten. Das wird weder dem Schutz vor Infektionen noch der Gesundheit der Menschen dienen“, sagte er.

Der Chef des größten deutschen Lebensmittelhändlers Edeka, Markus Mosa, warnte ebenfalls vor zusätzlichen Auflagen. „Warteschlangen sorgen für Unruhe und gefährden die Gesundheit in dieser Jahreszeit. Im Interesse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten wir auf Sonntagsöffnungen verzichten, aber dafür auch nicht den Zugang zu den Geschäften weiter reduzieren“, meinte er.

Auch der Landkreistag sprach sich gegen eine Verschärfung aus. „Es ist lebensfremd, jedem Kunden 25 Quadratmeter Platz einräumen zu wollen, zehn Quadratmeter sind bereits ziemlich üppig“, sagte der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, dem „Handelsblatt“. Durch eine weitere Verschärfung würden vor allem viele kleinere Geschäfte bedroht, die ohnehin schon in Schwierigkeiten seien. „Die Menschen würden bestimmt in der Regel nicht draußen in der Kälte auf Einlass warten, sondern den bequemen Weg zum Onlineversandhandel nehmen“, warnte Sager.

Dringenden Handlungsbedarf sieht der Handelsverband Deutschland nach wie vor bei den Hilfsmaßnahmen für die innerstädtischen Handelsunternehmen. „Die Politik muss jetzt handeln, oder sie nimmt verödete Innenstädte sehenden Auges in Kauf“, sagte Genth.

Die FDP im Bundestag forderte, möglichst viele Sonntagsöffnungen zu erlauben. Es komme nun darauf an, das Grundgesetz so anzupassen, dass Landesrecht allgemein die Öffnung der Einzelhandelsunternehmen an Sonntagen ermögliche. Kurz vor dem Weihnachtsgeschäft 2020 sei die Situation für die Einzelhändler in den Innenstädten existenzbedrohend, heißt es in einem Papier der FDP-Bundestagsfraktion.

„In der Adventszeit ziehen die geschlossenen Weihnachtsmärkte, Cafes und Restaurants die Kunden nicht in die Städte, und der Onlinehandel boomt zugleich, auch durch die Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkei der Onlineangebote.“ Exemplarisch sei, dass die meisten Einkäufe im Internet am Sonntag getätigt würden. „Am Sonntag stehen die Kunden auch in der Adventszeit vor geschlossenen Läden in den Innenstädten, und das Risiko ist groß, dass viele kleine Fachgeschäfte und Boutiquen wegen der strukturellen Wettbewerbsnachteile gegenüber dem Onlinehandel nicht überleben werden.“ Die FDP fordere deshalb eine bundesweite Öffnung der Adventssonntage für den Einzelhandel. „Kirchen, Gewerkschaften und Arbeitgeber müssen für diese Krisenadventszeit ihre ideologischen Gräben überwinden.“