Zeitung lesen macht Azubis klüger
Von unserem Redakteur Holger Schleper
Rheinland-Pfalz – Hans Georg Schnücker sprach gleich zu Beginn Klartext: „Viele Auszubildende bringen heute keinen fehlerfreien deutschen Satz mehr zu Papier“, mahnte der Sprecher der Geschäftsführung der Verlagsgruppe Rhein Main. Fehlende Ausbildungsreife bereitet Unternehmen zunehmend Sorgen.
Denn der herbeigesehnte und hart erarbeitete wirtschaftliche Aufschwung fördert eben nicht nur Erfolgsmeldungen zur neuen Arbeitslosenstatistik zutage, sondern auch eine alarmierende Botschaft: Es gibt zu wenige qualifizierte Arbeitskräfte. Der saarländische Justizstaatssekretär Wolfgang Schild warnte: „Unternehmen sind schon heutzutage auf der verzweifelten Suche nach Auszubildenden.“
Vor diesem Hintergrund gewinnt ein Projekt zunehmend an Bedeutung, das im Ausbildungsjahr 2009/2010 alle großen Tageszeitungen in Rheinland-Pfalz und im Saarland zusammen mit den Ausbildungsbetrieben auf den Weg gebracht haben. Bei einem Medienkongress in Mainz stellten sie es jetzt vor. Unter dem Titel „Zeitung lesen macht Azubis fit“ ermöglichen es die „Allgemeine Zeitung“, die „Rheinpfalz“, der „Trierische Volksfreund“, die „Saarbrücker Zeitung“ und unsere Zeitung Hunderten Auszubildenden, ein Jahr lang kostenlos ihre regionale Tageszeitung zu lesen.
Damit nicht genug: Die regelmäßige Zeitungslektüre der Azubis wird von der Universität Koblenz-Landau wissenschaftlich begleitet, um festzustellen, wie stark die Teilnehmer von dem Projekt profitieren. Die Ergebnisse sind genauso überzeugend wie imponierend: Die Teilnehmer konnten ihr Allgemeinwissen im Verlauf des Projektes deutlich steigern. Über alle Wissensgruppen hinweg – also auf Feldern wie Politik, Sport, Wirtschaft oder Kultur – erhöhte sich der Anteil der richtigen Antworten bei einem Allgemeinwissenstest um 11,3 Prozentpunkte. Zum Vergleich: Eine Kontrollgruppe, die nicht an dem Projekt teilnahm, konnte sich im gleichen Zeitraum nur um 3,6 Prozentpunkte steigern. Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, zeigte sich in einer Videobotschaft beeindruckt: „Es ist den Machern gelungen, Menschen nachweislich klüger zu machen.“ Für diese Erkenntnis hatten die Forscher vom Institut für Kommunikationspsychologie, Medienpädagogik und Sprechwissenschaft den Allgemeinwissenstest entwickelt, den der berufliche Nachwuchs vor und nach der „Lesephase“ absolvierte.
Angesichts dieses Erfolges ist es wenig verwunderlich, dass das Projekt auf breite Unterstützung stößt: Der Verband der Zeitungsverleger in Rheinland-Pfalz und im Saarland, das rheinland-pfälzische Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur und das Ministerium für Wirtschaft und Wissenschaft im Saarland fördern die Initiative. Gemeinsam mit den verschiedenen Zeitungshäusern engagieren sich zudem Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern und einzelne Unternehmen.
Der beispielhafte Schulterschluss von Beteiligten aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Medien und Bildung führte dazu, dass sich ein wirkungsvolles Großprojekt entwickelt hat. In den Anfängen im Jahr 2006 stand, unterstützt von der Universität Koblenz-Landau, die Zusammenarbeit des Lebensmittelhandelsunternehmens Wasgau AG mit der „Rheinpfalz“. Also: ein Unternehmen, etwa 80 Azubis und eine Tageszeitung. Im aktuellen Projektjahr 2010/2011 sind daraus imposante 256 Unternehmen, mehr als 1100 Auszubildende und fünf Tageszeitungen geworden.
Auch der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) ließ es sich nicht nehmen, vor Ort die Bedeutung des Projektes „Zeitung lesen macht Azubis fit“ hervorzuheben. Die regelmäßige Zeitungslektüre ist für ihn ein wesentlicher Baustein in der „Persönlichkeitsentwicklung zum verantwortungsvollen, urteilsfähigen Staatsbürger“. Hans Georg Schnücker stellte in dieser Hinsicht auch heraus, dass das Internet die gedruckte Tageszeitung nicht ersetzen kann. „Die Informationsflut im Internet ist nicht zu bewältigen. Sie führt dazu, dass nur oberflächliches Wissen vermittelt wird.“ Michael Garthe, Chefredakteur der „Rheinpfalz“, warnte ebenfalls eindringlich: „Immer mehr Menschen sind online mit der ganzen Welt verbunden. Der Preis ist, dass sie sich weniger mit ihr auseinandersetzen.“
