Zahl der Unfälle steigt an: Die Gefahren des Bergsteigens

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Die Meldungen über verunglückte Bergsteiger häufen sich. Selbstüberschätzung ist der Grund für manchen Unfall. Denn oftmals wählen die Alpengäste zu lange oder zu schwere Touren.

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Nicht, dass sich Stefan Winter, Sicherheitsexperte beim Deutschen Alpenverein (DAV), hinter seinen umfangreichen Statistiken verstecken würde. Aber als Schutzschild nutzt er die Zahlen schon, wenn er nüchtern festhält: „Bei uns läuten nicht die Alarmglocken. Dafür gibt es keine Indizien.“ Die Rede ist von den Unglückszahlen beim Bergsteigen, von den Gefahren einer Freizeitbeschäftigung, die sich immer größer werdender Beliebtheit erfreut. Doch aus Freude kann schnell Leid, aus „Berg heil“ großes Unheil werden.

Denn mit dem „Run“ auf die Berge steigt auch die Zahl derer, die sich in Unkenntnis der vor ihnen liegenden Aufgaben in Gefahr begeben. Eine Gefahr, die schnell zur Lebensgefahr werden kann. Gerade in den Sommermonaten sind die Alpen Schauplatz zahlreicher Notrufe, Bergunfälle, Rettungsmanöver. Doch Winter müht sich, die Dinge positiv darzustellen. Seine „Trendzahlen“ weisen einen nur leichten Anstieg der Unfallzahlen auf. Und die Zahl der tödlich Verunglückten sei seit Jahren sogar rückläufig. Wobei sich Winters Zahlenwerk freilich nur auf Verunglückte beschränkt, die Mitglieder des Alpenvereins sind.

Auch mit Hilfe des DAV wurde in den Bergen alles nur erdenklich Mögliche dafür getan, den Gästen eine Sicherheit zu suggerieren, die bei aller Risikominimierung freilich nur eine Pseudosicherheit ist. Den Vorwurf der Bergsteiger-Ikone Reinhold Messner, die Alpenvereine avancierten „zu den Totengräbern des Alpinismus“, weist Winter energisch zurück. „Die Erschließung der Alpen mit Wegen und Hütten ist abgeschlossen. Diesen Vorwurf soll er lieber den Tourismusmanagern machen. Die setzen eher auf schnelles Geschäft denn auf Nachhaltigkeit“, so der Sicherheitsexperte.

Gleichwohl gleicht die Alpenregion mitunter einem Freizeitpark. Die Wege gut ausgeschildert und präpariert, die Steige gesichert, die Hütten komfortabel. Was bleibt, ist der Risikofaktor Mensch mit seinen Fehlern.

Fehler, die Winter kennt: „Es gäbe weit weniger Unfälle, wenn die Leute die passenden Touren für sich aussuchen würden. Weniger lang, weniger schwer.“ So hätten insbesondere die so genannten Blockierungssituationen zugenommen. „Das sind Notsituationen, in denen die Leute nicht mehr weiter wissen. Weil sie dehydriert, total erschöpft, hilflos, orientierungslos sind.“ Der häufigste Grund für diese Notlagen: „Selbstüberschätzung“, weiß Winter.

Da hilft dann nur noch der Griff zum Handy, den Rest erledigt die Bergwacht. Für Winter ist das Handy „ein Segen“, weil sich die zu Rettenden so besser lokalisieren lassen. Für andere ist es ein Fluch, weil mancher so den bequemen Weg wählt, um sich bergen zu lassen. Das sagt Winter so nicht. Aber er hält fest: „Den Menschen ist die Demut, der Respekt vor den Bergen abhanden gekommen.“ Diesen Respekt versuchen sie beim DAV in zahlreichen Vorträgen und Kursen zu vermitteln. 7000 Aus- und Fortbildungsangebote gibt es im Jahr. Alle sind ausgebucht. Die Selbsteinschätzung am Berg muss dann ein jeder mit sich selbst ausmachen.

Von unserem Redakteur Klaus Reimann