Rheinland-Pfalz

Wie zwei Teilzeitler 761 Millionen Bilanzsumme stemmen: Deubels perfekt verborgene Millionen-Altlast

An der weißen Fassade in der Koblenzer Boelkestraße zeigt ein unscheinbarer Hinweis: In diesem Gebäude sind eine PLP GmbH und eine PLP GmbH & Co. KG gemeldet – eine der Öffentlichkeit völlig unbekannte 100-prozentige Tochter des Landes Rheinland-Pfalz. Nach dem Druck auf den Klingelknopf ist eine freundliche Frauenstimme zu hören. Sie fordert auf, doch zum Haupteingang um die Ecke in der Hoevelstraße 10 kommen. Dort ist der Sitz des Landesamts für Finanzen (LfF), also das riesige Lohnbüro, das 170.000 Landesbedienstete betreut.

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Von unserer Chefreporterin Ursula Samary

Die Dame, die an der Pforte eben noch versiert einem Anrufer Fragen zum Kindergeld beantwortet, schaut ungläubig bei der Frage, wo denn die PLP zu finden sei. „Hier ist die Besoldungsstelle“, erklärt sie. Die Zwei-Personen-Firma PLP, die zuletzt eine Bilanzsumme von 761 Millionen Euro und Verbindlichkeiten von etwa 661 Millionen Euro auswies, ist auch ihr völlig unbekannt – und dies gilt nicht nur für sie in der Finanzverwaltung. Die Landes-CDU wundert dies nicht: Für sie ist PLP nichts anderes als „eine dubiose Briefkastenfirma des Landesregierung“.

Den Prokuristen des Unternehmens, Leonhard Permesang, dürfte die Frau an der Pforte aber bestens kennen. Denn der ist als Dezernent für die Familienkasse und die Abrechnung der Reisekosten in ihrer Behörde zuständig. Daneben gehört zur kaum sichtbaren Zweipersonengesellschaft noch Geschäftsführerin Ursula Rutovitz (Frankfurt), Vorstand der TMF Deutschland AG, die Finanz- und Anlageberatung anbietet.

Prokurist im Nebenamt

Beide sind nach Angaben des Finanzministerium in ihren PLP-Funktionen nicht in Vollzeit ausgelastet. Angestellte haben die GmbHs auch nicht: Hier lässt das Land eher das Geld arbeiten – allerdings Geld, das es vor Jahren bereits ausgegeben hat und ihm im Haushalt vergleichsweise nur noch wenig einbringt: 2014 waren es – bei einem Überschuss von 17 Millionen Euro nur 1,9 Millionen Euro, wie es im Beteiligungsbericht des Landes heißt.

Hinter diesem Unternehmen verbirgt sich ein in Koblenz sehr versteckt liegendes Erbe von Ex-Finanzminister und Professor Dr. Ingolf Deubel (SPD). Daher ist seine Struktur entsprechend kompliziert oder auch trickreich. Bis Deubel Mitte 2009 an der geplatzten Finanzierung des gigantischen Ausbaus des Nürburgrings krachend scheiterte, genoss er den Ruf, äußerst kreativ bis genial Geld beschaffen und auch gekonnt auf dem finanztechnischen Hochreck turnen zu können. Seine schwer durchschaubaren Transaktionen, die 2004 zur PLP-Gründung führten, stufte der Rechnungshof später allerdings auch als „rechtlich bedenklich“ ein.

Die Vorgeschichte der PLP beschreibt der heutige Finanzstaatssekretär Salvatore Barbaro (SPD) im Gespräch mit unserer Zeitung so: Als die Steuerreformen in der Ära von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) ein dreistelliges Millionenloch in den Landeshaushalt zu reißen drohten, kam Deubel auf die Idee, Landesforderungen aus Wohnungsbaudarlehen an private Häuslebauer zu kapitalisieren – in der Dimension von insgesamt gut etwa einer Milliarde Euro. Damit erzielte das Land von 2005 bis 2008 Einmalerlöse von mehr als 600 Millionen Euro, die heute längst verbraucht sind.

Kreditforderungen verkauft

Um diesen Schnitt zu machen, brachte Deubel – von teuren Gutachtern beraten – 2004 Forderungen im Wert von 400 Millionen Euro in zwei Landesbanken ein, 300 Millionen bei der heutigen Landesbank Baden-Württemberg und 100 Millionen Euro bei der Landesbank Saar ein. Im Gegenzug erhielt das Land sogenannte hybride Anleihen oder Profit-Linked-Perpetuals (PLPs). So werden Anleihen mit extrem langen Laufzeiten oder Beteiligung an Gewinn und Verlusten der Banken genannt. Die Rendite soll dem Vernehmen nach bis heute bei etwa 4,5 Prozent liegen. Zudem musste der umstrittene Pensionsfonds noch Forderungen aus Wohnungsbaudarlehen im Nominalwert von etwa 747 Millionen Euro erwerben – gegen Schuldscheine.

Die Geburtsstunde des internen Koblenzer Landesunternehmens schlug im Handelsregister dann am 12. Dezember 2004. Sie hat seither Deubels Erbe zu managen. Die PLP Management GmbH & Co KG kaufte dem Pensionsfonds die Kreditforderungen von 747 Millionen Euro zum damaligen Marktwert wieder ab. Dafür musste das junge Unternehmen Kredite aufnehmen, erhält aber auch Zins und Tilgungen der Häuslebauer, die vom sozialen Wohnungsbau profitieren. Ein weiteres internes Geschäft, das Deubel auf CDU-Anfrage noch 2009 nannte: Das Land verkaufte am 20. April 2005 das mit der damaligen Landesbank Rheinland-Pfalz „geschaffene bestehende Profit-Linked-Perpetual (PLP) im Nennwert von rund 300 Millionen Euro an die PLP Management GmbH & Co KG (PLP-KG). Vermutlich geschah dies zur gleichen Zeit mit den Finanzinstrumenten im Saarland. Denn die Koblenzer Gesellschaft ist inzwischen zu 45 Prozent an der SRV GmbH&Co.KG beteiligt, die Anteile am Stammkapital der Landesbank Saar verwaltet.

Damit aber rund 600 Millionen Euro in den Haushalt fließen konnten, wurde 2004 eine alte Zweckbindung, sprich ein Rückflussbindungsgesetz aufgehoben: Zins und Tilgung aus alten Darlehen flossen nicht wieder in den sozialen Wohnungsbau zurück. Denn die standen jetzt ja dem Tochterunternehmen PLP zu. Folge: Aus den Rückflüssen der Häuslebauer standen 2013 von 135 Millionen Euro immerhin 76,9 Prozent nicht mehr zur Finanzierung künftiger Wohnraumförderung zur Verfügung. 2014 waren es 65,9 Prozent von rund 154,3 Millionen Euro. Hinzu kamen 2014 noch Belastungen von 33,8 Millionen Euro (2013: 32,7 Millionen Euro), die mit den Transaktionen verbunden sind, wie CDU zuletzt bei einer Großen Anfrage vom Finanzministerium erfahren hat. Unterm Strich waren dies, so die CDU, pro Haushaltsjahr ein gut 130 Millionen Euro schwerer Batzen im klammen Haushalt.

Weiland: Grenzwertige Operation

Deshalb bezeichnet CDU-Fraktionsvize Adolf Weiland im Gespräch mit unserer Zeitung Deubels damalige Operation als “zumindest grenzwertig„. In die zahlreichen vertraglichen Verbindungen, die laut des Beteiligungsberichts des Landes zwischen der PLP Management GmbH & Co.KG und dem Land bestehen, habe der Landtag nie genauen Einblick erhalten, wie die CDU kritisiert. Die Transaktionen von öffentlichen Geldern sei vom Haushaltsgesetzgeber nicht kontrollierbar, das Budgetrecht ausgehebelt.

Zudem wirft die CDU der Regierung vor, dass sie in der Koblenzer Firma nur alte Schulden versteckt. Der frühere Strohfeuereffekt von dreistelligen Millionensummen im Haushalt sei damit ein teures Erbe. Dies weist das Finanzministerium auf Anfrage vehement zurück, irgendwie aber mit indirekter Bestätigung: Versteckt werde nichts, was nicht der parlamentarischen Kontrolle verborgen wurde. “Richtig ist, dass dem Haushalt in früheren Zeiten Geld zugeflossen ist, dass nun wiederum zurückgezahlt werden muss. Wenn Sie so wollen, ein hinreichend bekannter Vorgang in öffentlichen Haushalten„, teilt Ministeriumsprecher Horst Wenner auf Anfrage mit.

Der Rechnungshof, der sich bei der Prüfung des umstrittenen Pensionsfonds auch das Gebilde vorgeknöpft hatte, kam 2011 zum Schluss: Die Zahlungsverpflichtungen, die seit den Einmalerlösen aus verkauften Forderungen bestehen, würden auf Jahrzehnte künftige Haushalte belasten. In einem Fall bestünden Zahlungsverpflichtungen bis 2047. Auch für den Rechnungshof kommen die Verträge “wirtschaftlich einer Kreditaufnahme gleich".

Das Ministerium bestreitet auch die CDU-Kritik, dass dem Landesetat 2013 und 2014 jeweils rund 130 Millionen Euro aus den Rückflüssen der Darlehensforderungen (Zins und Tilgung) fehlen, auch für den sozialen Wohnungsbau, der dringender denn je gefordert wird. Das Ministerium aber versichert, dass es keineswegs weniger Geld in die Wohnraumförderung investiert. Bisher habe noch nie ein Antrag abgewiesen werden müssen. Das dürfte stimmen. Aber dafür dürften dann auch neue Schulden notwendig sein, wie Kritiker kontern. Insofern haben Deubels Nachfolger wieder an seinem Erbe zu knabbern, auch wenn der PLP in Koblenz – anders als am Nürburgring – keine Insolvenzgefahr droht.

Zukunft für Jahrzehnte

PLP-Prokurist Permesang geht jedenfalls davon aus, dass die unbekannte Firma in Koblenz noch gut 20 bis 30 Jahre bestehen wird. Nach Deubels Rücktritt wurden nach seinen Worten beim Land aber keine neuen Forderungen aus Wohnungsbaudarlehen mehr aufgekauft. Aber die Transaktionen aus Deubels Altlasten beschäftigen eben noch lange – wenn auch nur eine Zweipersonengesellschaft in Teilzeit.