Wie tickt Donald Trump? Ein Interview mit Politikpsychologe Prof. Dr. Tobias Rothmund

Donald Trump
US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus in Washington. Foto: Evan Vucci

Seitdem Donald Trump US-Präsident ist, lässt er eine politische Bombe nach der anderen platzen: Er unterschreibt Dekrete, die Bürgern aus muslimischen Ländern die Einreise verbietet. Medien sind für ihn pauschal „Fake News“. Und seine politischen Gegner watscht er via Twitter ab – wie jüngst Ex-Präsident Barack Obama, den er einen „kranken Typen“ nannte. Wer ist also dieser Donald Trump? 35 renommierte US-Psychologen warnten jüngst in einem offenen Brief in der „New York Times“, er sei ungeeignet für das Amt. Auch Prof. Dr. Tobias Rothmund, Politikpsychologe der Universität Koblenz-Landau, erkennt narzisstische Tendenzen bei Trump. Das Interview im Wortlaut:

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Radikale Erlasse, Twitter-Kriege, „Fake News“ – hat Trump eine Persönlichkeitsstörung?

Eine Persönlichkeitsstörung ist in der Psychologie ein sehr klar definiertes Konzept, dafür müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein. Eine Ferndiagnose ist daher schwierig. Aber es gibt Hinweise darauf, dass er, in der Art und Weise, wie er auf Kritik reagiert, narzisstische Tendenzen zeigt: Er reagiert sehr dünnhäutig auf Kritik, er nimmt sie sehr persönlich, und er lässt sich sehr leicht provozieren durch Kritik, die an ihm geäußert wird.

Wie reagiert die US-Gesellschaft auf Donald Trump?

In den USA gibt es eine sehr stark polarisierte Gesellschaft. Schon vor Trump gab es Linke und Rechte, die sich unversöhnlich gegenüberstanden und sehr unterschiedliche Dinge wollten. Und interessanterweise ist es so, dass die Konservativen, die ihn zum großen Teil gewählt haben, in ihm jemanden sehen, der Veränderungen bringen kann. Aber nicht Veränderungen in dem Sinn, dass er irgendwas Neues kreiert. Sondern in dem Sinn, dass er die Gesellschaft zurückbringt, wo Konservative sie gern hätten. Also eine Art Rückbesinnung auf kulturelle Werte der US-Gesellschaft.

Was fasziniert die Wähler an der Person Trump?

Er erfüllt alle Definitionsmerkmale eines Populisten. Das heißt, er macht einen Gegensatz auf zwischen dem Volk – was die einfachen Leute wollen – und den politischen Eliten. Und er schlägt sich auf die Seite des Volkes. Das ist eine klassische Argumentationsfigur, mit der Populisten agieren. Und Trump kann die Menschen von dieser Argumentation überzeugen, obwohl er als Milliardär eigentlich eher der politischen oder zumindest der wirtschaftlichen Elite zuzuordnen wäre als dem einfachen Volk.

Wie schafft er es, diesen Widerspruch aufzuheben?

Ich denke, dass seine Art und Weise, die Menschen zu gewinnen, viel damit zu tun hat, dass er unkonventionell ist: Er sagt Sachen, die andere nicht sagen. Er achtet gewisse Regeln der Kommunikation nicht. Er handelt spontan und politische Korrektheit ist für ihn kein Thema. Also ein wenig der Antityp des klassischen Politikers, des Establishments. Aber gleichzeitig steht er für klassische Werte und Rollenbilder ein. Er steht für einen sehr konservativen ökonomischen Kurs. Und das ist das interessante Spannungsfeld, das er besetzt: Auf der einen Seite traditionelle, kulturelle und ökonomische Vorstellungen zu bedienen, und auf der anderen Seite einen vermeintlichen Gegenentwurf zu den politischen Eliten darzustellen. Das ist der Nerv, den er in den USA getroffen hat. Aber vielleicht ist das auch ein Konzept, das in Deutschland einen Nerv treffen könnte. Denn auch hier gibt es viele Menschen, die unzufrieden sind mit den politischen Eliten, die den Eindruck haben, dass das politische System in eine Richtung steuert, das ihnen nicht gefällt. Und diese Gruppe ist im Kern konservativ, sie möchte lieber nationale Orientierung als transnationale.

Warum leben wir ausgerechnet jetzt im Zeitalter des Populismus?

Im Moment haben wir vor allem mit einer bestimmten Art von Populismus zu tun, dem rechtskonservativen Populismus. Und diese populistischen Parteien haben vor allem Zulauf aus dem konservativen Lager. Die Frage ist also: Was bewegt und besorgt konservative Wähler, sodass sie bereit sind, rechtskonservative populistische Parteien zu wählen? Es gibt dazu eine Theorie, die „Systembekräftigungstheorie“, die auf der Idee basiert, dass Konservative eigentlich an dem bestehenden kulturellen und wirtschaftlichen System festhalten wollen. Dass der konservative Mensch ein hohes Bedürfnis nach Sicherheit, Struktur und Ordnung hat, und deswegen versucht, traditionelle Werte und Regeln zu bewahren. Gleichzeitig ist es aber so, dass wir in einer Welt leben, die sich sehr schnell verändert: durch Globalisierung und technologische Entwicklungen. Im Grunde genommen fühlen sich viele Menschen nicht mehr so richtig aufgehoben und sicher. In Zeiten, in denen sich Menschen unsicher fühlen, tendieren sie zu autoritären Politikern und Parteien, die ihnen einfache Wahrheiten erzählen.

Laufen die USA nun Gefahr, ein autoritäres Regime zu bekommen?

Die US-Gesellschaft ist eigentlich eine zutiefst demokratische. Deshalb muss man dort erst mal keine allzu großen Befürchtungen haben. Aber gleichzeitig ist es schon so, dass zum Beispiel die Art, wie Donald Trump mit Medien umgeht, ein klassischer Vorbote zu autoritären Herrschaftsstrukturen ist. Man muss auf der Hut sein, aber die USA sind trotzdem noch relativ unproblematisch. Es gibt andere Staaten, wo es momentan anders aussieht: Russland, Türkei, aber auch Polen. Dort sieht man Probleme ähnlicher Art.

Verschreckt Trump mittlerweile mit seiner Radikalität seine Wähler?

Er hat ja nichts gemacht, was er nicht angekündigt hatte. Ich denke also nicht, dass seine Wähler enttäuscht sind. Ich denke eher, dass die linksliberalen Beobachter überrascht sind. Vielleicht hatten sie die Hoffnung, dass er das nur im Wahlkampf sagt, um Stimmen zu bekommen. Ich denke, die Überraschung und Enttäuschung liegt eher bei den Nichtwählern von Trump.

Trump ist extrem skeptisch gegenüber einem starken Staat. Gehört das zum Rechtskonservatismus?

Das ist eine klassische rechtskonservative Position. Ein starker Staat, wie Trump ihn beschreibt, ist ein Staat, der Ressourcen umverteilt, der eingreift. Der von den einen Geld nimmt und den anderen gibt. Ein starker Staat sorgt für Gleichverteilung. Ein schwacher Staat lässt den Markt arbeiten, und diejenigen, die Geld verdienen, haben auch Geld. Und die, die keines verdienen, haben eben keines. Das „Friss oder stirb“-Prinzip, das ist für Trump ein schwacher Staat – für ihn ist das was Positives. Jeder, der beispielsweise von staatlicher Unterstützung profitiert, profitiert von einem starken Staat. Jeder, der nach freiem Unternehmertum ruft, das nicht staatlich reguliert ist, wünscht sich einen schwachen Staat. Und im Prinzip ist das, was Trump will, eine marktliberale, konservative Position.

Wer hat Trump gewählt, wer will einen schwachen Staat?

Viele Trump-Wähler sind Globalisierungsverlierer: Leute, die im Grunde unter schlechten Jobs leiden, unter geringem Lohn. Im Prinzip genau unter dem leiden, was ein freies Unternehmertum und ein schwacher Staat hervorbringen: eine Schere zwischen Arm und Reich. Interessanterweise unterstützen diese Menschen jetzt einen Politikstil, der genau das Gegenteil bewirkt von dem, was ihnen eigentlich helfen würde. Man hätte annehmen können, dass die Menschen eher einen wie Bernie Sanders wählen würden, der sehr stark für Gleichverteilung ist. Aber die Menschen wählen konservativ.

Warum wählen die Menschen lieber konservativ?

Konservative Globalisierungsverlierer stecken in einem Dilemma: Auf der einen Seite wollen sie etwas verändern: Sie hätten gern bessere Jobs und ein höheres Einkommen. Sie sind unzufrieden mit ihrer Situation. Auf der anderen Seite sind sie aber konservativ, und Veränderung macht ihnen Angst. Vor diesem Hintergrund gibt es dann häufig Sündenbockphänomene: Die Menschen schieben die Ursache für ihre Misere nicht der Globalisierung oder den ökonomischen Entwicklungen in die Schuhe, sondern beispielsweise der Immigration. So kommt es zu einem Paradox: Die Menschen wählen wirtschaftliche Stabilität, obwohl sie – unter dem aktuellen ökonomischen System – die Leidtragenden sind.

Es kommen hier also ganz unterschiedliche Ängste zusammen?

Genau, die Menschen stecken in einem Dilemma. Auf der einen Seite ist man unzufrieden und will Veränderung, aber auf der anderen Seite hat man Angst vor Veränderung. Und dann wird der Wandel durch Rückschritt gewählt.

Das Gespräch führte Nina Kugler

Zur Person

Prof. Dr. Tobias Rothmund ist seit 2013 Juniorprofessor für Politische Psychologie am Institut für Kommunikationspsychologie und Medienpädagogik an der Universität Koblenz-Landau mit Sitz in Landau in der Pfalz.

Er hat Psychologie und Philosophie an der Universität Trier studiert und 2010 an der Universität Koblenz-Landau promoviert. Schwerpunktmäßig befasst sich Rothmund mit der Frage, wie politische Ideologien und Einstellungen entsehen und warum sie sich verändern können. Außerdem forscht Rothmund zu psychologischen Reaktionen auf Normbrüche und Ungerechtigkeitserlebnisse in der Politik. Er sagt, dass ein individuelles Ungerechtigkeitsempfinden Menschen dazu veranlasst, rechtspopulistischen Parteien und Politikern bei einer Wahl ihre Stimme zu geben – obwohl die Wähler oft selbst unter ungerechten Verhältnissen leben.
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