Rheinland-Pfalz

Wie diszipliniert ist unser Nachwuchs?

Ohne Disziplin geht es nicht, da sind sich auch Pädagogen in Rheinland-Pfalz einig. Wir haben Lehrer und Erzieher im Land gefragt, wie sie es halten – mit Drill oder Kuschelkurs.

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Rheinland-Pfalz – Ohne Disziplin geht es nicht, da sind sich auch Pädagogen in Rheinland-Pfalz einig. Wir haben Lehrer und Erzieher im Land gefragt, wie sie es halten – mit Drill oder Kuschelkurs.

Für Tanja Jansen, Leiterin des evangelischen Kindergartens in Simmern (Rhein-Hunsrück-Kreis) ist Disziplin „das A und O“. In ihrer Einrichtung können Kinder sich Rechte wie etwa den „Spielplatzführerschein“ erwerben, sie dürfen dann auch außerhalb der Gruppe auf dem Freigelände spielen. Halten sie sich jedoch nicht an die Regeln, kann etwa der „Führerschein“ auch wieder entzogen werden. „Es ist wichtig, den Kindern viel zuzutrauen, ihr Handeln aber auch zu hinterfragen und gegebenenfalls auch zu sanktionieren“, sagt die Erzieherin.

Sie und ihre Kolleginnen müssten aber klar und eindeutig benennen, was sie erwarten. Die Voraussetzungen, die die Kinder von zu Hause mitbringen, beschreibt sie als sehr unterschiedlich. „Manchen fällt es schwer, beim Essen sitzen zu bleiben, viele möchten ständig im Mittelpunkt stehen.“ Mehr als die Hälfte der Kinder kommt aus Migrantenfamilien. „Da gibt es auch unterschiedliche Erziehungsmethoden. Muss ein türkischer Sohn zum Beispiel zu Hause aufräumen?“ Tanja Jansen hält es auch in solchen Fragen für wichtig, viel mit den Kindern und ihren Eltern zu sprechen. „Die Kinder dürfen nicht den Eindruck haben, dass ihnen einfach etwas übergestülpt wird.“

Nikolaus Erdinger, stellvertretender Leiter der Ludwig-Schwamb-Schule, einer Hauptschule in Mainz, hat in seiner 31-jährigen Zeit als Lehrer beobachtet, dass Disziplin früher stärker erzwungen wurde, während heute mehr Einsicht von den Schülern verlangt werde. Richtiges Verhalten einzufordern, sei notwendig, das sei aber auch schwierig. „In vielen Elternhäusern herrschen oft eine falsch verstandene Antiautorität und Laissez-faire“, meint er. Respekt, Höflichkeit und Fleiß – kurz: der Knigge – kämen dabei allerdings häufig zu kurz. Erdinger ist überzeugt, dass mit Drill allein an seiner Schule nicht viel zu erreichen wäre. „Die Rebellion dagegen wäre vermutlich stärker. Viele sehen für sich keine Perspektiven im Leben. Sie fragen dann: Warum soll ich Werte beachten? Es bringt ja eh nichts.“

Auch Julia Sudek, Lehrerin und Anti-Aggressionstrainerin an der Goethe-Realschule plus in Koblenz, hält „überhaupt nichts“ vom puren Drill. Sie vertritt „eine klare Linie mit Herz“, das bedeutet: auch nicht jegliches Verhalten verzeihen, aber den betreffenden Schüler mit seinem Fehler konfrontieren. „Drillen ist zu sagen: ,Du hast keine Ahnung, und ich sage dir, wie es geht.' Ich sage dagegen: ,Du kannst es, also mach es auch.'“ An der Schule würde respektvolles Verhalten durchaus eingefordert, nicht aber unbedingt im Elternhaus. „In den wenigsten Familien herrschen transparente Regeln. Vieles wird willkürlich entschieden.“ Die Folge ist häufig, dass Kinder sich gegenüber den eigenen Eltern im Ton vergreifen.

„Was Eltern nicht lösen, können wir nicht wieder ausgleichen“, meint Manfred Adam, Leiter des Max-von-Laue-Gymnasiums in Koblenz. Er hält es für wichtig, dass die notwendigen „Vorarbeiten“ zur Erziehung im Umgang bereits zu Hause erledigt wurden. Adam beobachtet aber keinen grundsätzlichen Verfall der Disziplin. „Die Kinder sind heute eben anders. Sie sind Medienkinder, sie haben mehr Ablenkung, als Kinder früher hatten.“ Ein Patentrezept für ihre Erziehung gebe es nicht. Lehrer müssten flexibel reagieren, ihre Methoden wechseln und auf die Atmosphäre in einer Klasse eingehen können. Bei allem gilt jedoch: „Ohne Disziplin funktioniert es nicht.“ rl