„Wer Ziel nicht kennt, kennt auch Weg nicht“: Mittelstand-Vorsitzender Schlarmann kritisiert CDU-Wirtschaftskurs

Man kann Josef Schlarmann alles Mögliche vorwerfen, nur nicht, dass er Streit aus dem Wege geht. Vor kurzem hatte der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung der Union der Parteizentrale „Wählereinschläferung“ vorgeworfen und der Kanzlerin mangelnde konservative Prinzipientreue. Im Gespräch mit Werner Kolhoff legt der 71jährige nun kurz vor dem CDU-Parteitag in Karlsruhe nach: Der Union fehle es an Wirtschaftskompetenz.

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Man kann Josef Schlarmann alles Mögliche vorwerfen, nur nicht, dass er Streit aus dem Wege geht.

Vor kurzem hatte der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung der Union der Parteizentrale „Wählereinschläferung“ vorgeworfen und der Kanzlerin mangelnde konservative Prinzipientreue. Im Gespräch mit Werner Kolhoff legt der 71jährige nun kurz vor dem CDU-Parteitag in Karlsruhe nach: Der Union fehle es an Wirtschaftskompetenz.

Der Mittelstandbeauftragte der Regierung ist ein FDP-Mann, der Wirtschaftsminister auch. Ist das ein Manko für die CDU?

Das ist ein Riesenmanko. Wenn wir regieren, kriegt immer die FDP das Wirtschaftsressort, in der Großen Koalition war es die CSU. Der letzte CDU-Wirtschaftsminister war Kurt Schmücker, das ist 41 Jahre her. Das hat in der Union dazu geführt, dass Karrieren sich niemals auf diesen Themenbereich konzentriert haben, denn damit konnte man ja nichts werden. Die Wirtschaftskompetenz hat dadurch stetig abgenommen, mit den Folgeerscheinungen, mit denen wir es zurzeit zu tun haben: Es droht die Gefahr, dass die Union nicht mehr als die Wirtschaftspartei wahrgenommen wird. Zumindest nicht mehr im Mittelstand.

Ist das auch der Grund dafür, dass von den 31 Parteitagsanträgen der Mittelstandsvereinigung nur einer von der Antragskommission zur Annahme empfohlen wurde? Hat die Mittelstandvereinigung ein Problem mit der CDU?

Ich würde eher sagen: Die Union hat ein Problem mit dem Mittelstand. Wir sagen als Mittelstand heute, was wir auch vor 20 oder 40 Jahren gesagt haben. Wenn das von der Union inzwischen nicht mehr akzeptiert wird, dann hat sich wohl die Union verändert. Das sieht man ja am Umgang mit den Leipziger Reformbeschlüssen der CDU von 2003. Von denen redet niemand mehr. Außer wir.

Angela Merkel wird sagen: Ihr habt gut reden, ihr könnt die reine Lehre vertreten, ich aber muss Wahlen gewinnen. Mit der in Leipzig beschlossenen Kopfpauschale geht das nicht. Auch wir sind Praktiker. Niemand von uns glaubt, dass die reine Lehre in der Politik so umgesetzt wird, wie sie in Programmen steht. Aber man muss doch Ziele haben. Und die müssen ordnungspolitisch akzeptabel sein. Wir würden schon Hurra schreien, wenn wir nur den Eindruck hätten, dass das richtige Ziel erkannt und im Rahmen der Möglichkeiten auch angestrebt wird. Wer das Ziel nicht kennt, kennt auch den Weg nicht.

A.:Ein Ziel wäre eine Steuersenkung. Die aber will Angela Merkel nicht.

Uns geht es gar nicht so sehr um Steuersenkungen, sondern darum, Steuererhöhungen zu vermeiden. Die finden bei jeder Gehaltserhöhung durch die kalte Progression statt und zwar vor allem in der Einkommensklasse zwischen 40 000 und 60 000 Euro im Jahr. Man kann über alles streiten, auch über den Zeitpunkt, aber nicht darüber, dass es hier Reformbedarf gibt. Wer nichts ändern will, nimmt hin, dass die Leistungsträger, eben auch der Mittelstand, immer weiter belastet werden. Außerdem finden wir, dass zwischen Reden und Handeln Übereinstimmung herrschen muss. Wer vor der Wahl Steuersenkungen und Steuervereinfachungen ankündigt, darf nicht nach der Wahl neue Steuern mit einem noch komplizierteren Steuerrecht einführen.

Wie wollen sie die Mehrwertsteuer verändern?

Wie der Sachverständigenrat schlagen auch wir vor, sämtliche Vergünstigungen abzuschaffen und dafür den Mehrwertsteuersatz so abzusenken, dass das Aufkommen insgesamt gleich bleibt. Wir haben das auf dem Parteitag beantragt und empfehlen einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent. Viele Vergünstigungen sind nicht logisch und können auch nicht mehr erklärt werden.

Aber Angela Merkel und Wolfgang Schäuble wollen das Thema nicht angehen. Zu heiß.

Und deshalb sage ich: Reformen gehören auch zu einer liberal-konservativen Politik. Wer sie verweigert, der wird letztlich nicht als Wertkonservativer sondern als Strukturkonservativer wahrgenommen.

Werner Kolhoff