Berlin

Weltfrauentag: Lohnlücke für Frauen bleibt – Kanzlerin Merkel setzt sich für gleiche Bezahlung ein

Von Birgit Marschall
Frauen verdienen weniger, weil sie häufig in Teilzeit arbeiten, heißt es. Forscherinnen sagen: Es gibt ganz andere, tiefer liegende Gründe.
Frauen verdienen weniger, weil sie häufig in Teilzeit arbeiten, heißt es. Forscherinnen sagen: Es gibt ganz andere, tiefer liegende Gründe. Foto: Adobe Stock

Führende Politikerinnen und Wirtschaftswissenschaftlerinnen haben zum heutigen Weltfrauentag die weiterhin erheblichen Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen beklagt. „Frauen müssen endlich so viel verdienen können wie Männer“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihrem Podcast. Zuletzt kamen Frauen laut Bundesagentur für Arbeit (BA) im Mittel auf rund 440 Euro im Monat weniger als Männer. Auf dem Jobmarkt traf die Corona-Pandemie Frauen teils noch härter als Männer.

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Die durchschnittliche Lohnlücke (englisch: Gender Pay Gap) betrug in Deutschland 2019 – vor dem Ausbruch der Corona-Krise – noch immer rund 19 Prozent. Der deutsche Gender-Pay-Gap ist laut einer neuen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) auch dann einer der höchsten in Europa, wenn er nur mit Ländern verglichen wird, die eine ähnlich hohe Frauenerwerbsquote von rund 70 Prozent haben.

Die Lohnlücke beschäftigt die Politik seit Jahrzehnten, doch sie schließt sich kaum. Arbeitgeber machen für die Unterschiede regelmäßig Faktoren wie Berufsunterbrechungen durch Babypausen, die höhere Teilzeitquote von Frauen sowie ihre Tätigkeit in schlechter bezahlten Branchen wie etwa den Sozial- und Gesundheitsberufen verantwortlich.

Nach aktuellen Berechnungen des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ist nur ein minimaler Anteil von 0,5 Prozent der Lohnlücke nicht mit diesen Faktoren zu erklären und damit möglicherweise auf eine Diskriminierung von Frauen durch Arbeitgeber zurückzuführen.

Doch Ökonominnen und Politikerinnen geben sich damit nicht zufrieden. Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer erklärt die Unterschiede auch mit dem Ehegattensplitting. „Studien zeigen, dass das Ehegattensplitting Frauen davon abhält, verstärkt erwerbstätig zu sein. Das behindert ihre Karriere und ihre Verdienstmöglichkeiten“, erklärt Schnitzer. „Das wiederum reduziert ihre Rentenansprüche im Alter und stellt sie vor Riesenprobleme im Fall einer Scheidung. Ich bin deshalb für die Abschaffung des Ehegattensplittings“, betont die Ökonomin.

„Frauen müssen endlich so viel verdienen können wie Männer.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihrem Podcast

Auch die führende Genderexpertin am DIW, Katharina Wrohlich, lässt die Argumente der Arbeitgeber nicht gelten. „Es ist ja nicht so, dass alle Frauen freiwillig auf Führungspositionen verzichten oder in Teilzeit arbeiten. Sie treffen ihre Entscheidungen vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Erwartungen und den Möglichkeiten, Beruf und Familie zu vereinbaren.“ Die hohe Teilzeitquote unter Frauen gehe häufig auf tradierte Rollenmuster, fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten, das Ehegattensplitting und weitere Faktoren zurück, sagt sie.

Der geringe Frauenanteil in Führungspositionen liege unter anderem an vielerorts nach wie vor männlich geprägten Führungsstilen und Arbeitsumfeldern. „Die Ungleichheit bei der Bezahlung liegt in diesen anderen Ungleichheiten begründet. Wer diese Ungleichheiten ausklammert und dann sagt, den Gender-Pay-Gap gebe es kaum, beziehungsweise er sei in Wahrheit viel geringer, der macht es sich zu einfach“, so Wrohlich.

Bundeskanzlerin Merkel sagte in ihrem Podcast vom Samstag: „Wir müssen darauf achten, dass die Pandemie nicht dazu führt, dass wir in manch schon überwunden geglaubtes Rollenmuster zurückfallen.“ Viele seien im Spagat zwischen Homeschooling, Kinderbetreuung und Beruf. Allerdings hatte sich die Kanzlerin in den ersten Jahren ihrer Amtszeit nicht als frauenpolitische Vorkämpferin hervorgetan.

Auch SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz rief zum Einsatz gegen die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern auf. „Es ist ein Skandal“, sagte er am Samstag in einer Videoansprache. Frauen und Männer, die gleiche Tätigkeiten ausführten, würden oft unterschiedlich bezahlt – „obwohl das längst nicht legal ist“. Bei der Pflege und im Einzelhandel müssten die Löhne generell steigen – dort arbeiten bekanntlich viele Frauen.

Die Chefin der NRW-Grünen, Mona Neubaur, und die DGB-Vorsitzende in NRW, Anja Weber, fordern in einem gemeinsamen Aufruf, die Lohnlücke durch bessere Tarifverträge zu schließen. Vor allem Frauen arbeiteten in unterbezahlten Berufen, die zugleich systemrelevant seien, schreiben sie. Schon vor der Krise hätten Frauen 2019 täglich 52 Prozent mehr Zeit für unbezahlte „Sorgearbeit“ verwendet als Männer. Bei Paaren mit Kindern lag diese Lücke sogar bei 83 Prozent.