Warum Aschenbrödel uns verzückt

Alles andere als ein Püppchen: Aschenbrödel bringt alle Voraussetzungen für einen gestandenen Actionstar mit.
Alles andere als ein Püppchen: Aschenbrödel bringt alle Voraussetzungen für einen gestandenen Actionstar mit. Foto: CINETEXT

Sie reitet wie der Teufel, ist schmutzig wie ein Kaminkehrer, mutig wie eine Actionheldin und natürlich bildhübsch. Nein, es geht hier nicht um Pipi Langstrumpf und auch nicht um Lara Croft, sondern um eine Märchenfigur: Aschenbrödel. Die junge Dame ist bitte nicht zu verwechseln mit ihren märchenhaften Schwestern aus unzähligen Geschichten und Erzählungen, denn die sind eher blass und müssen vom Prinzen gerettet werden.

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Sie reitet wie der Teufel, ist schmutzig wie ein Kaminkehrer, mutig wie eine Actionheldin und natürlich bildhübsch. Nein, es geht hier nicht um Pipi Langstrumpf und auch nicht um Lara Croft, sondern um eine Märchenfigur: Aschenbrödel.

Die junge Dame ist bitte nicht zu verwechseln mit ihren märchenhaften Schwestern aus unzähligen Geschichten und Erzählungen, denn die sind eher blass und müssen vom Prinzen gerettet werden. Unser Aschenbrödel aus der deutsch-tschechischen Verfilmung „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ aus dem Jahr 1973 ist emanzipiert, und man hat eher den Eindruck, dass sie den Prinzen aus seinem öden Hofdasein rettet, statt darauf zu warten, selbst von ihm gerettet zu werden.

Foto: Cinetext Bildarchiv

Vielleicht macht das den Zauber dieser Verfilmung aus, denn die riesige Fangemeinde blättert schon im Voraus mit zittriger Hand im Weihnachtsprogramm, wann auf welchen Kanälen ihr Weihnachtsfilm läuft. Bereits beim Vorspann bekommen da gestandene Frauen ebenso wie kleine Mädchen und auch so mancher Mann ein seliges Lächeln und feuchte Augen, und eingefleischte Aschenbrödler können sämtliche Dialoge mitsprechen, noch lange bevor sich Aschenbrödel (die damals 19-jährige tschechische Schauspielerin Libuse Safrankova) und ihr Prinz (Pavel Trávnícek) mithilfe von drei Zaubernüssen und Eule Rosalie endlich finden.

Doch was ist das Magische an diesem Film, den Millionen Menschen seit Jahren an Weihnachten brauchen wie den Christbaum und den Gänsebraten? Vielleicht ist es das Märchenhafte an sich, ein Gefühl, dass dieser Film vermittelt, das alles möglich ist, dass Gut über Böse siegt, dass im Alltäglichen ein Zauber liegt. Denn freuen wir uns nicht alle mit, wenn die böse Stiefschwester am Ende für all ihre Gemeinheiten leer ausgeht? Träumen wir nicht alle von magischen Zweigen, die durch Tränen zu Wunderbäumen werden, von guten Feen und Haselnüssen, die einem mit Zauberkraft zum Ziel verhelfen.

Ralph Kirscht, Theologe und Familientherapeut aus Bonn, weiß: „Märchenfiguren sind archetypisch, das Gute siegt immer am Ende, was im wirklichen Leben nicht unbedingt der Fall ist.“ Er glaubt, dass gerade deshalb auch Erwachsene ein Faible für Märchen haben. Hinzu kommt, sagt Kirscht, dass Weihnachten wie kein anderes christliches Fest mit der Kindheit und mit den eigenen Erinnerungen verbunden ist. Diese Erinnerungen werden gerade bei der heutigen Elterngeneration auch durch bestimmte Fernsehprogramme, die in der eigenen Kindheit eine wichtige Rolle gespielt haben, wieder aktualisiert.

Nicht zuletzt entstehen so Traditionen, Rituale, die für Familien so wichtig sind, denn „sie geben Halt, schaffen Strukturen und verbinden das Heute mit dem, was früher war. Sie schaffen in unserer postmodernen Gesellschaft Wurzeln und verbinden uns mit der Vergangenheit“, sagt der Experte.

Nicht zuletzt ist es aber auch die liebevolle Regiearbeit von Vaclav Vorlicek, der aus der ungewöhnlichen Vorlage der Schriftstellerin Bozena Nemcova eine Geschichte machte, die nicht nur einem modernen Frauenbild entspricht, sondern gleichzeitig wie ein wärmendes Feuer im kalten Winter wirkt. Und das, obwohl der Film eigentlich im Frühling hätte spielen sollen. Doch weil die Kulissenbauer in der kalten Jahreszeit unterbeschäftigt waren, wurde die Handlung kurzerhand in den Winter verlegt, Aschenbrödel reitet nun eben nicht über satte, grüne Wiesen, sondern durch schneebedeckte Landschaften. Zwar hat dieser Umstand das Filmteam einige Nerven gekostet, da es leider zu Beginn der Dreharbeiten partout nicht schneien wollte. Die Requisite musste gerade für die Aufnahmen, die in Deutschland entstanden, Tonnen von Kunstschnee heranschaffen, um den winterlichen Zuckerguss zu garantieren. Nichtsdestotrotz haben sich alle Mühen und Anstrengungen gelohnt, denn so entstand einer der schönsten Weihnachtsfilme aller Zeiten, der noch heute die Herzen wärmt und Groß und Klein die manchmal zähen Stunden bis zur Bescherung überbrücken hilft.

Von unserer Mitarbeiterin Sonja Roos

Z Sendetermine von „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“: Heiligabend 14.35 Uhr (WDR), 21.15 Uhr (RBB); 1. Feiertag 10.30 Uhr (ARD), 1 Uhr (HR); 2. Feiertag 8.40 Uhr (BR), 9 Uhr (RBB), 10 Uhr (MDR), 10.45 Uhr (NDR), 12.35 Uhr (SWR)