Wahlzeit: SPD glaubt an die Stimmungswende

Zu Beginn einer spannenden Diskussionrunde im RZ-Fernsehstudio: SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles (Mitte) ließ sich von Schülerreporterin Marie Fischer, Landeskorrespondent Dietmar Brück, Schülerreporter Oliver Huda und dem stellvertretenden Chefredakteur Manfred Ruch (von links) auf den Zahn fühlen.
Zu Beginn einer spannenden Diskussionrunde im RZ-Fernsehstudio: SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles (Mitte) ließ sich von Schülerreporterin Marie Fischer, Landeskorrespondent Dietmar Brück, Schülerreporter Oliver Huda und dem stellvertretenden Chefredakteur Manfred Ruch (von links) auf den Zahn fühlen. Foto: Sascha Ditscher

Weiter geht's mit unserer „Wahlzeit!“, in der prominente Bundespolitiker von jeweils zwei Schülerreportern und RZ-Redakteuren interviewt werden. Dieses Mal war Andrea Nahles zu Gast, die Generalsekretärin der SPD. Sie verantwortet die Wahlkampagne.

Lesezeit: 5 Minuten
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Das Gespräch führten die Redakteure Manfred Ruch und Dietmar Brück sowie die Schülerreporter Marie Fischer und Oliver Huda.

Hier Auszüge aus dem einstündigen Gespräch, das mit Fragen unserer Leser per E-Mail, Twitter oder Facebook angereichert wurde.

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8,5 Milliarden Euro Steuerplus, Rekordbeschäftigung: Das sind gute Zahlen für die Regierung. Die Umfragewerte der SPD liegen hingegen stabil im Keller. Wie wollen Sie da Ihre Wahlkämpfer motivieren?

Ich freue mich, dass es unserem Land gut geht, dass wir viele Arbeitsplätze haben. Trotzdem gibt es mehr Ungerechtigkeiten als noch vor vier Jahren. Obwohl wir viele Menschen in Arbeit haben, können nicht alle von dieser Arbeit leben.

Sieben Millionen Menschen haben weniger als 8,50 Euro Stundenlohn. Darüber muss man im Wahlkampf reden. Das motiviert auch viele Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer. In Deutschland gibt es viel zu tun. Das Land muss gerechter werden. Mehr Menschen müssen eine Chance haben. Und wir müssen mit unseren Steuergeldern vernünftiger umgehen.

Doch all diese Themen zünden nicht.

Das glaube ich nicht. Wir setzen darauf, die Menschen im direkten Gespräch zu erreichen. Wir wollen fünf Millionen Hausbesuche machen. 1,5 Millionen haben wir schon geschafft. Ich mache auch heute wieder welche in Mayen. Immer mehr Menschen entscheiden sich sehr spät, welche Partei sie wählen. Daher kommt es auf die nächsten Wochen an. Die Wahl ist noch offen.

Sie haben ein kleines Kind. Tut es Ihnen nicht manchmal weh, so viel weg zu sein?

Heute Morgen habe ich meine kleine Tochter noch zur Kita gebracht. Es ist richtig, dass ich viel zu tun habe und dass es mich manchmal traurig macht, wenn ich einen Abend nicht zu Hause bin. Ansonsten ist mein Mann in Elternzeit – und unterstützt mich ganz toll.

Meine Tochter ist bis mittags in der Kita in meinem Heimatort Weiler. Ich habe das Gefühl, das klappt eigentlich ganz gut. Trotzdem werden die nächsten Wochen für mich und meine Familie sehr anstrengend. Ich bin dann auch froh, wenn es irgendwann rum ist und wir wieder mehr Zeit füreinander haben.

Die Wahlplakate hängen, aber Umfragen zeigen, dass sich kaum jemand richtig für die Bundestagswahl interessiert. Wie will die SPD das ändern?

Das beobachte ich auch. Es gibt keine richtige Wahlstimmung. Große Bundesländer haben noch Ferien. Dieser Zustand wird sich wohl erst Anfang September ändern. Am 1. September wird es das große TV-Duell zwischen Peer Steinbrück und Angela Merkel geben. Das schauen sich 15 bis 20 Millionen Deutsche an. Wir setzen stark darauf, dass wir da den entscheidenden Kick in die Endphase des Wahlkampfs bekommen.

Sie machen unzählige Hausbesuche, vor allem dort, wo der Anteil der Nichtwähler hoch ist. Aber haben Sie nicht das Gefühl, dass die Deutschen ziemlich zufrieden sind – auch mit der Kanzlerin?

Wir leben in einem Land, wo die Leute eine gewisse Grundzufriedenheit haben. Warum auch nicht? Bei den Hausbesuchen kommen wir mit den Leuten ins Gespräch. Wir erfahren, welche Fragen und Sorgen die Bürger haben. Mobilisieren heißt heute für mich, ins Gespräch zu kommen und nicht Propaganda und Parolen rauszuhauen.

Viele Frauen finden den SPD-Spitzenkandidaten Peer Steinbrück nicht so toll. Ist das ein Problem für die SPD?

Das haben wir uns genauer angeguckt. Und daran arbeiten wir. Wir werden Unterstützerinnen zusammentrommeln, prominente Frauen, die sich massiv für Peer Steinbrück einsetzen. Das wird in den nächsten Wochen öffentlich. Wir stellen auch dar, dass es gut war, dass Deutschland mal eine Bundeskanzlerin hatte – acht Jahre lang.

Aber warum soll jetzt nicht wieder mal ein Mann an der Spitze stehen? Frau Merkel hat frauenpolitisch kaum etwas nach vorn gebracht. Da würde Peer Steinbrück mehr anpacken – zum Beispiel eine Lohnangleichung zwischen Männern und Frauen. Frauen bekommen in Deutschland derzeit 22 Prozent weniger Gehalt als die Männer – für die gleiche Arbeit.

Laut Umfragen haben die Deutschen vor allem Angst vor hohen Energiepreisen und höheren Steuern und Abgaben. Setzt die SPD mit dem Plädoyer für mehr soziale Gerechtigkeit aufs richtige Pferd?

Die SPD gewinnt immer mit ihrer Kernkompetenz, wenn wir sagen, das Land muss gerechter werden. Dafür haben wir viele Beispiele: Bei der Zweiklassenmedizin gibt es viele Fehlentwicklungen. Wir setzen auf die Bürgerversicherung. Wir wollen den Mindestlohn, das ist ein ganz populäres Thema. Und auch in der Familienpolitik muss einiges getan werden. Soziale Gerechtigkeit ist ein Dauerbrenner.

Was ist mit den Energiekosten?

Da haben wir diese Woche gesagt, dass wir die Stromsteuer um 25 Prozent senken müssen.

Wäre das denn mit den Grünen zu machen?

Ich denke ja. Auch die Grünen ärgern sich darüber, dass wir an den Börsen sehr niedrige Strompreise haben, die aber von den Energiekonzernen nicht an die Kunden weitergegeben werden. Sondern im Januar wurden die Strompreise um 13 Prozent erhöht. Auch in der Energiepolitik wollen wir mehr Gerechtigkeit und weniger Belastung für die Bürger.

Ist der Ruf nach Steuererhöhungen da hilfreich?

95 Prozent der Bundesbürger sind gar nicht betroffen von den Steuerplänen der SPD. Wer hat denn schon als Single 100 000 Euro Jahreseinkommen hier in unserer Region? Wer hat denn als Ehepaar ein Einkommen von 200 000 Euro?

Erst ab dieser Größenordnung würden wir eine moderate Anhebung des Spitzensteuersatzes befürworten. Und wer hat so viel Privatvermögen, dass er befürchten müsste, betroffen zu sein? Mit mehr Steuereinnahmen könnten wir endlich mal die Straßen flicken, bezahlbaren Wohnraum schaffen, in Kitas und Schulen investieren. Das kostet einfach Geld.

Anderes Thema: Jugend und Politik. Junge Menschen interessieren sich kaum noch für Politik. Was will Ihre Partei tun, dass sich die Jugend wieder mehr angesprochen fühlt?

Wenn sich zu wenige Leute engagieren, funktioniert unsere Demokratie nicht. Keine Regierungsform auf diesem Planeten ist – bei allen Macken – besser. Wir biedern uns bei den jungen Menschen nicht an, nutzen aber die Kommunikationskanäle, die junge Menschen nutzen, wie Facebook und Twitter.

Wir setzen uns inhaltlich für eine bessere Unterrichtsversorgung, mehr Ganztagsschulen oder mehr Jugendsozialarbeit an den Schulen ein. Uns geht es aber auch darum, dass junge Leute nach ihrem Schulabschluss nicht nur einen befristeten Vertrag oder ein unbezahltes Praktikum bekommen.

Zurück zum Wahlkampf: Bei den Deutschen ist eine Große Koalition von SPD und CDU beliebt. Warum lehnen Sie diese Variante ab?

Wir haben die größte Schnittmenge mit den Grünen. Mit ihnen können wir etwas voranbringen. Über alles andere reden wir erst, wenn das Ergebnis da ist. Daher will ich nicht über Koalitionen spekulieren.