Von Bürgerwillen, Juso-Wünschen und Beamten-Begehren

Mehrheit der Bürger wünscht sich Koalitionsgespräche

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Eine Mehrheit der Bundesbürger (61 Prozent) ist einer Umfrage zufolge dafür, dass die SPD in Gespräche mit der Union über eine Neuauflage der Großen Koalition eintritt. Das meinen auch 58 Prozent der Anhänger der Sozialdemokraten, wie die Erhebung des Allensbach-Instituts im Auftrag der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ ergab. Für eine Neuwahl sind vor allem Anhänger der Linkspartei und der AfD. Nach dem Scheitern der Sondierungen für eine schwarz-gelb-grüne Koalition verliert die FDP in der Umfrage 2 Punkte auf jetzt 10 Prozent. Dagegen klettern die Grünen von 9,5 auf 11 Prozent. Die Werte für die anderen Parteien haben sich nur wenig verändert. Für die Unionsparteien würden demnach 33 Prozent stimmen, für die SPD 21,5 Prozent.

Jusos beharren auf einem Linksruck der SPD

Statt einer Neuauflage der Großen Koalition wollen die Jusos eine Neuausrichtung der SPD nach links. Bereits bei ihrem Bundeskongress in Saarbrücken forderte der Jugendverband der Sozialdemokraten die Bundespartei dazu auf, „aus der Opposition heraus echte Alternativen für eine progressive, solidarische und linke Politik“ einzuleiten. Ungehört blieben Appelle von Parteichef Martin Schulz und Fraktionschefin Andrea Nahles, eine mögliche Große Koalition nicht vorschnell abzulehnen. Der neue Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert bekräftigte jetzt noch einmal diese Haltung. „Es ist nicht akzeptabel, wenn wir uns in eine GroKo drängen lassen, weil es für die Union am bequemsten ist“, sagte Kühnert. Aus seiner Sicht müssen die Möglichkeiten einer Minderheitsregierung ausgelotet werden.

Schulz glaubt nicht an 100-Prozent-Zustimmung

Mit heiserer Stimme gratulierte Martin Schulz am Mittwoch dem Arbeitgeberpräsidenten Ingo Kramer. Der Chef des Arbeitgeberverbands BDA war am Tag vorher in seinem Amt bestätigt worden. „Nächsten Donnerstag mache ich es Ihnen nach“, prophezeite der SPD-Chef und spielte damit auf den Bundesparteitag der SPD an. Aber: „100 Prozent mache ich nicht mehr, bekomme ich auch nicht mehr.“

Beamtenbund läuft Sturm gegen Bürgerversicherung

Der Beamtenbund (dbb) lehnt die von der SPD wieder ins Gespräch gebrachte Bürgerversicherung entschieden ab. Beamtenbundchef Ulrich Silberbach sagte: „Wir werden jedem Versuch entgegentreten, Versorgung und Rente, Beihilfe, PKV und gesetzliche Krankenversicherung in einen Topf zu werfen.“ Die meisten Beamten sind privat versichert, weil sie von ihrem Dienstherren eine sogenannte Beihilfe zwischen 50 und 80 Prozent für die Krankheitskosten bekommen und damit nicht die entsprechend hohen Beiträge der Privaten Krankenversicherung (PKV) bezahlen müssen. SPD, Linke und Grüne setzen sich in verschiedenen Varianten für die Abschaffung der Privaten Krankenversicherung ein und streben eine gesetzliche Bürgerversicherung für jeden an. Einheitliche Honorarregelungen für Ärzte sollen „Sonderbehandlungen“ von Privatpatienten entgegenwirken.

Von persönlichem Charisma und politischer Raffinesse

Der Berliner Politikwissenschaftler Hajo Funke hält SPD-Ängste vor einer neuen Großen Koalition unter Führung von Merkel für unbegründet. „Die Mär von der ,Schwarzen Witwe' Merkel ist Humbug“, sagte Funke. Niemand müsse sich in einer Koalition verzwergen lassen: „Welchen Profit Parteien aus einer Koalition ziehen, hängt mehr an Persönlichkeiten, Charisma und politischer Raffinesse als an der Frage, wer der Stärkere und wer der Juniorpartner ist.“ Mit Blick auf eventuelle Verluste bei der nächsten Wahl sagte Funke: „Einen Grund, die Flinte schon vorab ins Korn zu werfen, sehe ich nicht.“