Berlin

Viele haben den Etikettenschwindel satt

Rein in den Einkaufswagen: Oft weiß man gar nicht, was man da so alles im Supermarkt kauft.
Rein in den Einkaufswagen: Oft weiß man gar nicht, was man da so alles im Supermarkt kauft. Foto: dpa

Das Portal lebensmittelklarheit.de stößt bei den Verbrauchern auf riesige Resonanz. „Bislang haben uns rund 2000 Produktmeldungen und etwa 1000 sonstige Anfragen erreicht. Nach wie vor sind die Zugriffszahlen enorm“, sagt der Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Gerd Billen.

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Berlin – Das Portal lebensmittelklarheit.de stößt bei den Verbrauchern auf riesige Resonanz. „Bislang haben uns rund 2000 Produktmeldungen und etwa 1000 sonstige Anfragen erreicht. Nach wie vor sind die Zugriffszahlen enorm“, sagt der Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Gerd Billen.

„Wir haben einen Nerv getroffen.“ Vor allem bei Männern. Das Marktforschungsunternehmen Nielsen hat herausgefunden, dass das Publikum der Internetseite mit dem Anteil von 60,1 Prozent vor allem männlich ist. Besonders aktiv: Männer zwischen 55 und 64.

Das Internetportal existiert seit Juli und wird vom Bundesverbraucherschutzministerium unterstützt. Dort können sich Verbraucher, die sich von Lebensmittelpackungen getäuscht sehen, melden. Die Verbraucherschützer stellen die Beschwerden, ihre Einschätzung und eine Stellungnahme des Herstellers ein. Die 30 bis 50 Meldungen pro Tag können nur nach und nach abgearbeitet werden. Auf der Internetseite finden sich bislang etwa 20 Produkte. Die Verbraucher beschweren sich beispielsweise über Schokopudding mit zu wenig Schokolade oder über Apfel-Sanddornsaft mit weniger Sanddorn als suggeriert. Bemängelt wird auch, wenn ein Eintopf verspricht, dass er ohne Geschmacksverstärker auskommt, aber doch Hefeextrakt enthält. Nicht immer bekommen die Verbraucher recht. Im Internetportal findet sich auch die Rubrik „erlaubt“. Manche Hersteller reagieren schnell auf Ärger und landen dann in der Rubrik „geändert“.

Verbraucherschützer Billen sieht den Ansturm zwiespältig. Er freut sich über den Zuspruch. Aber der zeigt ihm auch, „dass die Verunsicherung groß ist und sich viele Verbraucher über unklare oder irreführende Aufmachung und Kennzeichnung von Lebensmitteln ärgern“. Für die Hersteller sei das Portal eine Möglichkeit zum Dialog. „Weitsichtige Unternehmen nutzen diese Chance, um Produkte zu verbessern und Vertrauen aufzubauen.“ Zwiespältig sind auch erste Reaktionen bei Herstellern. Sie sind für sachliche Informationen, damit der Verbraucher weiß, „was er isst und trinkt“, sagt der Geschäftsführer Klaus-Jürgen Philipp aus dem Hause Rabenhorst (Unkel), auch für „Rotbäckchen“ bekannt. Wie auch die Sprecherin der Firma Nestlé (Mainz), Jutta Bednarz, sieht er aber die auf einzelne Produkte bezogenen Hinweise als problematisch an. Dieser Bereich birgt für sie „die Gefahr, dass völlig legale und rechtskonform deklarierte Produkte gebrandmarkt werden können“, so Bednarz. Denn es bekomme jeder ein Forum, der seinem Ärger Luft mache.

Für Philipp ist die Redaktion keine „legitimierte Instanz“. Sein Fazit: „Ja zur Aufklärung, nein zum Vorführen von völlig legalen Produkten“. Die beiden rheinland-pfälzischen Firmen fühlen sich dabei nicht als Außenseiter, sondern mit einer starken Lobby im Rücken. Nestlé betont, dass auch zahlreiche andere Unternehmen, die Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie sowie weitere Wirtschaftsverbände „Nachbesserungen am Verbraucherforum“ wünschen.

Für die Verbraucherorganisation Foodwatch ist es aber wichtig, „legalen Etikettenschwindel zu beenden“. Sie findet es gut, dass über die Internetseite öffentlicher Druck auf Hersteller wie Politik aufgebaut wird.

Von unseren Redakteurinnen Eva Quadbeck und Ursula Samary