Verhandlungen mit Euro-Gruppe: Griechenland geht die Luft aus

Das Angebot der Euro-Gruppe an Griechenland klang eigentlich recht verlockend: Gut 18 Milliarden Euro von den Partnern, um die kommenden Monate zu überstehen. Dafür hätte Athen allerdings auch zusagen müssen, dass das laufende Spar- und Reformprogramm weiter durchgezogen wird. Premierminister Alexis Tsipras sagte dennoch Nein. Wie geht es nun weiter? Welche Szenarien sind mit welchen Folgen möglich?

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Szenario 1: Athen lenkt ein

Wenn Griechenland das Angebot der Euro-Gruppe annimmt, können insgesamt bis zu 18 Milliarden Euro in den kommenden sechs Monaten fließen. Dabei handelt es sich um 5,4 Milliarden Euro noch nicht ausgezahlter Kredite aus dem zweiten Hilfspaket, 1,8 Milliarden Euro von der Europäischen Zentralbank aus dem Verkauf Athener Staatsanleihen sowie weitere 10,9 Milliarden Euro, die eigentlich für die hellenischen Banken reserviert waren. Innerhalb der sechs Monate müssten Griechenland und die Euro-Partner dann eine neue Vereinbarung über den Fortgang der Sanierung schaffen.

Der Vorteil: Athen würde vor der Staatspleite bewahrt. Denn in den kommenden Wochen werden bereits erste Verbindlichkeiten fällig. Allerdings müssten Alexis Tsipras und seine Koalition den Griechen dann klarmachen, dass auch die höchst ungeliebten Reformen erst mal weitergehen. Das wäre aber vielleicht nur eine Übergangsphase. Denn Ende des vergangenen Jahres klangen die Daten aus Athen eigentlich recht positiv: Zum ersten Mal seit sechs Jahren ist die Wirtschaft wieder gewachsen, der Staat erwirtschaftete einen Primärüberschuss, der Haushalt war ausgeglichen. Und die ökonomischen Prognosen zeigten nach oben. Unabhängig davon, ob eine Rückkehr zu dieser Entwicklung schnell möglich ist, wäre somit eine Staatspleite abgewendet.

Szenario 2: Euro-Gruppe lenkt ein

Es ist das wohl unwahrscheinlichste Szenario, weil es bedeuten würde, dass die Euro-Gruppe zwar weitere Hilfen zahlt, aber auf Reformen verzichtet, damit die Athener Koalition ihre Ankündigungen wahr machen kann, Renten und Mindestlöhne anzuheben und Tausende entlassener Staatsdiener wieder einzustellen. Zudem gilt es als ausgeschlossen, dass die übrigen 18 Euro-Länder einem Schuldenschnitt zustimmen, der bedeuten würde, dass das Hilfsgeld weg ist. Deutschland müsste 65 Milliarden Euro abschreiben. Die Variante steht nicht zur Diskussion.

Szenario 3: Kein Kompromiss

Viele Beobachter halten es für denkbar, dass Athen sich weiter einem Kompromiss verweigert, weil man glaubt, die Euro-Gruppe werde das Land schon nicht fallen lassen. Das könnte ein folgenschwerer Irrtum sein. In diesem Szenario geht Athen bereits in den kommenden Wochen das Geld aus. Einige Finanzexperten halten es für möglich, dass man sich mithilfe der Einnahmen aus kurzfristigen Staatsanleihen noch bis Mitte des Jahres über Wasser hält. Dann aber ist endgültig Schluss. Die Europäische Zentralbank (EZB) hilft nicht mehr, weil sie Athener Staatsanleihen seit dem 18. Februar nicht mehr als Sicherheiten akzeptiert. Die Schwierigkeiten werden allerdings noch dadurch vergrößert, dass die Geldinstitute täglich Geld verlieren. Denn Sparer heben ihre Einlagen ab und schaffen sie außer Landes.

Szenario 4: Grexit

Kein Schuldenschnitt, kein frisches Geld, keine Reformen – und parallel dazu das Ausbluten der griechischen Banken. Ein Verbleib in der Euro-Zone ist nicht mehr zu verantworten. Was dann folgt, wollen viele nicht wahrhaben. Wahrscheinlich müsste die Regierung tagelang die Banken schließen, um weitere Abhebungen und Kapitalflucht zu stoppen. Wenn die Schalter wieder öffnen, gibt es nur noch gestempelte Euro-Scheine zum Wert der neuen Drachme, die Finanzfachleute bei einem Wert von 25 Cent zu 1 Euro sehen. Soziale Unruhen wären die Folge, weil es zu einem Armutsschock käme, da die vorhandenen Bestände mit einem Schlag bis zu drei Viertel ihres Wertes verlieren würden.

Ausländische Investoren würden abziehen und Teile der Euro-Zone erschüttert, weil sie Milliardenbeteiligungen abschreiben müssten. Dennoch käme die Union nicht daran vorbei, aus humanitären Gründen ein Hilfsprogramm für die Menschen aufzulegen, die ihrerseits nunmehr die Regierung Tsipras hinwegfegen dürften. Denn die enttäuschten Wähler wollten zwar einen anderen Umgang mit ihren Schulden, aber nicht den Fall aus dem Euro-Raum. Ob die Erschütterungen auf Griechenland begrenzt bleiben können oder auf Italien und Spanien übergreifen, ist ungewiss. Detlef Drewes

Wer rettet das Geld der Deutschen?

Der Bund der Steuerzahler hat die Bundesregierung aufgefordert, im Schuldenstreit mit Griechenland so viel von den deutschen Hilfskrediten zu retten wie möglich. „Für Deutschland stehen 70 Milliarden Euro im griechischen Feuer“, sagte Verbandspräsident Reiner Holznagel dem „Handelsblatt“ (online).

Der Kardinalfehler sei gewesen, nicht schon 2010 einen radikalen Schuldenschnitt anzugehen. „Damals hätte es voll die privaten Gläubiger getroffen. Aber ein Schuldenschnitt jetzt träfe fast ausschließlich die Steuerzahler“, erklärte Holznagel.

Auch wenn die Aussichten auf Rückzahlung der Kredite jetzt gegen null tendierten, habe die Bundesregierung „die Pflicht gegenüber den deutschen Steuerzahlern, unser Geld zu retten, zumindest so viel wie möglich“, sagte Holznagel weiter. Er räumt allerdings auch ein, dass dies schwierig sein werde. Die Griechen hätten die teuer erkaufte Zeit nicht richtig genutzt.