Wiesbaden

Urnengang: In Hessen tobt der Lagerwahlkampf

Hessen kennt seit Langem knappe Wahlausgänge und unklare Mehrheiten. Am Sonntag könnte es wieder „hessische Verhältnisse“ geben. Die schwarz-gelbe Landesregierung von CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier und die rot-grüne Opposition liegen Kopf an Kopf.

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Von Thomas Maier

Der erbitterte Lagerwahlkampf hat zuletzt an Schärfe gewonnen. Mitentscheidend wird sein, ob die Linke wieder in den Landtag kommt. Schwarz-Gelb beschwört im Wahlkampfendspurt die Vergangenheit von 2008: Damals wollte sich die SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti entgegen ihrer früheren Versicherung mithilfe der Linken zur Regierungschefin wählen lassen.

Nach dem Desaster Ypsilantis, die an vier Abtrünnigen in den eigenen Reihen scheiterte, kassierte die SPD eine verheerende Niederlage. 2009 stürzte sie in ihrem einstigen Stammland auf 23,7 Prozent ab. Seither wollte sich die SPD nicht mehr festlegen lassen. Zuletzt geriet Ypsilanti-Nachfolger Thorsten Schäfer-Gümbel jedoch erneut in die Defensive.

Politisch hat er zwar jede Zusammenarbeit mit der Linken ausgeschlossen, die zum Beispiel die neue Landebahn des Frankfurter Flughafens schließen will. „Formal“ will er aber – als Lehre aus 2008 – alles offenlassen. Die CDU, die in den Umfragen knapp unter der 40-Prozent-Marke liegt, bohrt dankbar in der alten SPD-Wunde. Bouffier forderte von Schäfer-Gümbel im TV-Duell sogar ein Ehrenwort, nicht mit der Linken zu kooperieren.

Diese liegt aber nach den Umfragen unter der 5-Prozent-Hürde. Auch die FDP muss um ihren Einzug ins Wiesbadener Parlament fürchten. Sie wird derzeit bei nur knapp über 5 Prozent gesehen. Die in Hessen traditionell konservativen Liberalen unter ihrem streitbaren Chef Jörg-Uwe Hahn haben sich per Koalitionsaussage an die CDU gekettet.

Die konservative Hessen- Union wiederum, die im Wahlkampf einen zaghaften Flirtversuch mit den Grünen startete, hat sich ebenfalls auf die FDP festgelegt. Schwarz-Gelb hat den Vorsprung von Rot-Grün in den Umfragen wettgemacht – offenbar auch wegen des „Ypsilanti-Faktors“ und dank des Rückenwinds aus Berlin. Obwohl der Landtag noch bis Anfang 2014 im Amt ist, lässt Bouffier die Hessen mit dem Bund wählen.

Ein geschickter Schachzug: Angela Merkel ist in Hessen weit populärer als der 61-jährige Bouffier. Der frühere Innenminister hat das Amt von Roland Koch geerbt, als dieser 2010 nach elf Jahren als Ministerpräsident in die Wirtschaft wechselte. Seither pflegt Bouffier, der in der Hessen-CDU unumstritten ist, den Stil des bedächtig-jovial regierenden Landesvaters. Einen Amtsbonus hat er sich nicht erarbeitet. Im direkten Vergleich liegt Schäfer-Gümbel in Umfragen fast gleichauf.

Dem 43-jährigen Herausforderer ist es gelungen, die zutiefst zerstrittene Partei wieder zu einen. Das hatten dem einstigen Hinterbänkler aus Gießen, der 2009 an die Parteispitze katapultiert wurde, nur wenige zugetraut. Schäfer- Gümbel hat die Flügel der Hessen-SPD programmatisch eingebunden und die Partei wieder auf Erfolgskurs gebracht.

Die wichtigen OB-Posten in Frankfurt und Wiesbaden wurden überraschend von Sozialdemokraten zurückerobert. Derzeit wird die SPD in den Umfragen bei etwa 30 Prozent taxiert. Schäfer-Gümbels Traum vom Regieren könnte möglicherweise aber an den schwächelnden Grünen scheitern. Unter der Führung ihres selbstbewussten Fraktionschefs Tarek Al-Wazir waren sie vor nicht allzu langer Zeit sogar bei fast 20 Prozent gesehen worden.

Im Sog des schwachen Bundestrends sind sie in den letzten Umfragen unter ihr Ergebnis von 2009 (13,7 Prozent) zurückgefallen. Dabei ist Hessen grünes Kernland: 1985 waren sie in Wiesbaden unter Joschka Fischer an der ersten rot-grünen Regierung auf Landesebene beteiligt.