Kairo/Tunis

Urlaub in Ägypten – geht's noch? Die erneuten Unruhen in der arabischen Welt verunsichern Reisende – Kaum Auswirkungen auf Badeurlaub

Wieder brennt es in der arabischen Welt: In Tunesien hat der Mord an einem Oppositionspolitiker den Zorn der Menschen entflammt. In Ägypten gehen die Menschen gegen den Präsidenten Mohammed Mursi auf die Straße. Die Folgen für die Wirtschaft sind verheerend. In Tunesien und Ägypten gehört der Tourismus zu den wichtigsten Wirtschaftsfaktoren des Landes.

Lesezeit: 3 Minuten
Anzeige

In beiden Ländern macht er zwischen 5 und 8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. „Wir leiden sehr unter den Unruhen“, sagt Mohamed Gamal, Generaldirektor des ägyptischen Fremdenverkehrsamts in Frankfurt. Doch ist die Angst der Touristen begründet?

Vorsicht auf dem Tahrir-Platz

Fakt ist: Touristen, die sich in diesen Tagen auf dem Tahrir-Platz aufhalten, gehen tatsächlich ein Risiko ein. Auf dem Kairoer Platz finden regelmäßig Demonstrationen statt. Die Lage wird dort schnell unübersichtlich, Diskussionen können in Aggressionen umschlagen, immer wieder gibt es auch Belästigungen von Frauen. Frauenorganisationen wie OpAntiSH oder Banatmisr berichten von Attacken auf weibliche Demonstranten und Besucher des Platzes. Sie vermuten, dass die Angreifer dabei bezahlt werden. Dazu kommt: Das Ägyptische Museum, eine der Hauptattraktionen der Millionenstadt, ist in unmittelbarer Nähe des Platzes.

Und: Erstmals wurden im Januar auch Hotels am Platz angegriffen. Abgesehen von diesem Zentrum der Proteste fokussieren sich die Proteste aber meist auf das Gebiet um das Fernsehgebäude Maspero, die Brücke des 6. Oktober und den Präsidentenpalast in Heliopolis. Orte, die sich vermeiden lassen – und Orte, die üblicherweise nicht zum klassischen Urlaubsprogramm gehören. „Wenn ich in München in Schwabing wohne, bekomme ich auch nicht mit, was am Marienplatz passiert“, argumentiert deshalb Gamal. Aber es lässt sich nicht leugnen, dass die Sicherheitslage im Land problematisch ist.

Wie in allen Ländern der Revolution gingen die Sicherheitskräfte geschwächt aus den Unruhen hervor. Die Alltagskriminalität hat zugenommen. Besonders Reisen in den Grenzgebieten zu Libyen und Sudan gelten als riskant. In den klassischen Touristenregionen hat sich die Situation hingegen kaum merklich verschlechtert. Wer am Roten Meer entspannen will, kann davon ausgehen, dass er von den Demonstrationen in Kairo wenig mitbekommt.

„Wir beobachten, dass die Buchungen beim Badeurlaub am Sinai weiterhin positiv verlaufen“, sagt Gamal. „Besonders markant sind hingegen die Einbrüche beim Kulturtourismus“, sagt Gamal. Betroffen sind Kairo, Assuan und Luxor. Im Dezember – der Hauptsaison – lag die Auslastung der Hotels laut der Zeitung „El Ahram“ gerade bei 10 bis 15 Prozent. Auf dem Nil waren in dieser Zeit nur rund 40 von etwa 270 Schiffen unterwegs. Dabei hat sich der Tourismus seit der Revolution nie wirklich erholt. 2012 wurden immer noch 22 Prozent weniger Buchungen registriert als 2010.

Ähnliche Erfahrungen macht derzeit Tunesien. Auch dort kommt das Land nur schwer aus dem Buchungstief im Jahr der Revolution. 2011 wollten gerade 270 632 Deutsche das Land besuchen. 2012 wurden mit 411 828 immerhin fast die Zahlen der Vorrevolution (458 631) erreicht.

„Das vergangene Jahr war richtig gut“, sagt Andrea Philippi vom Tunesischen Fremdenverkehrsamt. Allerdings zeichnete sich schon gegen Ende des Jahres wieder eine schwierige Phase ab: Die Proteste gegen das Mohammed- Video bremsten den Aufschwung. Seither dürfte sich die Buchungssituation nicht verbessert haben. Auch in Tunesien haben sich die Demonstrationen bisher nicht in Touristengebieten abgespielt. In Tunis ist die Gefahr, in eine protestierende Menschenmenge zu laufen, auf der Avenue Bourguiba am größten.

Hier stehen auch das Innenministerium und die Botschaft Frankreichs. Um die Protesthochburgen, die Arbeiterstädte Siliana, Sidi Bouzid oder Gafsa, machten Touristen hingegen ohnehin immer schon einen Bogen. In den Touristenzentren Hammamet oder Djerba gab es bisher kaum nennenswerte Proteste. Schwieriger ist die Einschätzung von Wüstentouren. Abzuraten ist von Touren zur Grenze von Algerien und Libyen. Hier kommen mehrere Risiken zusammen: Die Armee von Tunesien ist wenig präsent, Libyen schafft es nicht, seine Grenzen zu sichern.

Kriminelle können an mehreren Stellen unbeobachtet die Grenzen passieren. Zu allem Überfluss sind weiterhin Waffen aus dem libyschen Bürgerkrieg 2011 im Umlauf. Das Entführungsrisiko sowie die Gefahr, Opfer eines Überfalls zu werden, ist dort groß. El Kaida im Maghreb (AQM) sucht laut Auswärtigem Amt derzeit sogar gezielt nach Ausländern. Diese unklare Lage hat offenbar auch Auswirkungen auf Wüstentouren in der sicheren Landesmitte. Philippi beobachtet in diesem Segment die stärksten Einbrüche.

Alkoholverbot nicht zu erwarten

Unbegründet dürften hingegen die Ängste vor Einschränkungen aufgrund der islamistischen Regierung sein. In Tunesien und Ägypten haben gemäßigte Islamisten das politische Ruder übernommen. Doch weder eine Kopftuchpflicht wie im Iran noch ein Bikiniverbot wurde bisher auch nur ansatzweise ernsthaft diskutiert. Auf der Reisemesse ITB im März wollen sich nun Muslimbrüder und Salafisten gemeinsam präsentieren. „Und sich deutlich zum Tourismus in Ägypten bekennen“, kündigt Gamal an. Und zwar zu einem Tourismus, wie es ihn auch in der Vergangenheit gab.

Dietmar Telser