Berlin

Unis rüsten sich für Riesenansturm

An den Universitäten wird es im kommenden Semester eng. Die Hochschulen erwarten etwa 60 000 Bewerber mehr als noch im vergangenen Jahr. Trotz neu geschaffener Studienplätze dürften viele von ihnen leer ausgehen. Denn es gibt nur rund 450 000 Plätze für die insgesamt 500 000 potenziellen Studienanfänger.

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Berlin. An den Universitäten wird es im kommenden Semester eng. Die Hochschulen erwarten etwa 60 000 Bewerber mehr als noch im vergangenen Jahr. Trotz neu geschaffener Studienplätze dürften viele von ihnen leer ausgehen. Denn es gibt nur rund 450 000 Plätze für die insgesamt 500 000 potenziellen Studienanfänger.

Die spürbare Folge: Der Zugang zur Hochschule wird erschwert. An vielen Universitäten sind die Anforderungen des Numerus clausus (NC) gestiegen. Wenn immer mehr Einserabiturienten um die knappen Plätze konkurrieren, steigt der NC. Beispiel Düsseldorf: An der Heinrich-Heine-Universität stieg der NC für Psychologie von 1,3 auf 1,2 für das Wintersemester, für Medien- und Kulturwissenschaften wird nun ein Abiturdurchschnitt von bereits 1,3 statt vorher 1,4 gefordert. Wer Betriebswirtschaftslehre studieren will, braucht nun schon einen Notendurchschnitt von 1,5 – statt vorher 1,6.

Mainz rechnet mit 25 Prozent mehr

Die Deutschen Hochschulen verzeichnen eine Zunahme der Bewerbungen von 20 bis 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Mit rund 25 Prozent mehr Bewerbungen als noch im vergangenen Jahr rechnet die Mainzer Johannes Gutenberg-Universität. Angesichts der Knappheit der Plätze bewerben sich viele Schulabgänger gleich auf mehrere Fächer.

Experten rechnen damit, dass der Strom in den nächsten Jahren nicht abreißt. Sie fordern mehr Geld für die Universitäten, aber auch mehr Flexibilität der Studenten bei der Wahl ihres Studienorts.

Aussetzen der Wehrpflicht und doppelte Abiturjahrgänge führen zu Massenandrang

Der rasante Anstieg der Bewerber in diesem Jahr hat mehrere Gründe: In diesem Jahr drängen wegen der neuen Schulzeitverkürzungen erstmals doppelte Abiturjahrgänge aus Bayern und Niedersachsen an die Hochschulen. Für Nordrhein-Westfalen und Hessen wird dies 2013 der Fall sein. In Rheinland-Pfalz bleibt die reguläre Schulzeit bis zum Abitur bei rund 13 Jahren. Zudem führt die Aussetzung der Wehrpflicht dazu, dass viele junge Männer nun früher studieren können.

Die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel, warnte: „Es gibt an den Universitäten zu wenig Professoren und Dozenten für einen solchen Ansturm.“ Es sei ein großer Unterschied, ob man als Student mit 20 oder mit 200 Leuten ein Seminar besucht. „Wir werden die Qualität der Lehre hochhalten“, kündigte Wintermantel an. Aber: „Die Hochschulen sind unterfinanziert.“ Vor allem in den stark nachgefragten Fächern wie Medizin, Betriebswirtschaftslehre und Jura gebe es nicht genügend Plätze für alle Interessenten.

Im Osten sind noch Plätze frei

Allerdings werden nicht alle Universitäten überrannt: Nach Auskunft des Hochschulinformationsservice (HIS) gibt es an den Hochschulen in den neuen Bundesländern noch genügend freie Plätze. An der Freien Universität in Berlin hingegen sind alle Fächer bis auf die Bachelorstudiengänge Mathematik und Physik mit einem NC belegt. „Die Frage wird sein, ob die Studienanfänger flexibel genug sind, um sich im Zweifel einen Platz in den neuen Ländern zu suchen“, sagte Christoph Heine von der Studienforschung des HIS.

Einige Universitäten bieten Lehrveranstaltungen in den Abendstunden und an Samstagen an. Manche Hochschulen suchen sich auch Ausweichquartiere in Stadthallen und Theatersälen. Auch an der Leibniz-Universität im niedersächsischen Hannover machen sich die doppelten Abiturjahrgänge bereits bemerkbar: Dort rechnet man mit etwa 4500 Studienanfängern mehr als im vergangenen Jahr. Statt acht müssen die Professoren ab dem kommenden Semester neun Semesterwochenstunden Unterricht anbieten. Lehrveranstaltungen werden wegen knapper werdender Räume vermehrt am späten Nachmittag stattfinden. „Nur selten müssen aber die Abendstunden und die Samstage genutzt werden“, sagt Präsident Erich Barke. Er gehe davon aus, „dass jeder, der hier studieren möchte, auch einen Platz bekommt“.

Das wird aber nicht überall der Fall sein, ist Florian Pranghe sicher. Der Chemiestudent und Vorsitzende des freien Zusammenschlusses der Studentinnenschaften, dem Dachverband der Studierendenvertretungen, kritisiert, dass ein geplantes zentralisiertes Zulassungsverfahren – bisher organisieren die Universitäten dies selbst – noch nicht funktioniert. „Deshalb erhalten viele dann erst zum Ende des Semesters ihren Platz. Das läuft sehr chaotisch ab.“

Zweites Hochschulpaket liefert bis 2015 4,7 Milliarden

Bund und Länder wollen mit dem sogenannten zweiten Hochschulpakt bis 2015 jährlich 4,7 Milliarden Euro bereitstellen, um auf den Ansturm zu reagieren. Dadurch sollten bis zu 335 000 zusätzliche Studienplätze entstehen, betonte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU). „Die Länder haben ebenfalls zugesagt, dass sie ihre finanziellen Anstrengungen beim Ausbau der Studienangebote steigern werden“, sagte Schavan unserer Zeitung. Sie erwarte, dass diese Zusage eingehalten wird.

Von unseren Berliner Korrespondentinnen Rena Lehmann und Eva Quadbeck