Berlin

Tschüss 2012 – Hallo 2013 : Wahrsagerin sieht den Euro scheitern

Aus für den Euro? Mona Stein sieht das Ende der Gemeinschaftswährung.
Aus für den Euro? Mona Stein sieht das Ende der Gemeinschaftswährung. Foto: Svenja Wolf

Die erste und wahrscheinlich einzige staatlich anerkannte Wahrsagerin der DDR hat auch schon bessere Zeiten gesehen. Mona Stein, die „Hexe vom Prenzlauer Berg“, hat zurzeit Schmerzen im Rücken. Dem heutigen Linken- Fraktionschef Gregor Gysi sagte sie bereits Ende der 80er-Jahre eine große Karriere voraus.

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Sie selbst ist heute nicht mehr in bester Verfassung. „Es ist gut, wenn dieses Jahr 2012 bald zu Ende ist“, sagt die Dame, die man nicht nach ihrem Alter fragen darf und die auch sonst durchaus wunderlich ist. Aber das kann man wohl erwarten von einer Hellseherin. 2013 wird auf jeden Fall besser werden als 2012, so meint sie. Allerdings muss finanziell der Gürtel etwas enger geschnallt werden.

Wahrsagerin Mona Stein wartet noch auf ihre „Eingebung“ für die Bundestagswahl.
Wahrsagerin Mona Stein wartet noch auf ihre „Eingebung“ für die Bundestagswahl.
Foto: Privat

Eine Wahrsagerin, erklärt sie, darf nicht lügen und darf deshalb auch schlechte Nachrichten nicht aussparen. Spätestens 2014 wird es den Euro nicht mehr geben, sagt Mona Stein deshalb unverblümt. Das hatte sie sogar schon Anfang dieses Jahres vorausgesehen. An der schlechten Vorahnung für den Euro hat sich nichts geändert. Die Zukunftsaussichten Deutschlands, wenn gewünscht auch die globale Zukunft, sie sprudeln nur so aus ihr heraus. „2013 wird noch vieles hin und her gehen. Das Leben wird auf jeden Fall teurer.“ Dass die europäische Gemeinschaftswährung sich nicht halten kann, ist aus der Sicht der Seherin aber gar nicht so schlimm. Denn: „Spätestens 2015 wird es ohnehin ein ganz neues Weltwirtschaftssystem geben.“ Auch das kein Grund zur Beunruhigung, fügt sie noch rasch hinzu.

Ihre besondere Gabe hat Mona Stein als Kind entdeckt. Die „Ur- Berlinerin mit italienischem Blut in den Adern“, wie sie selbst es in einem Faltblatt mit ihrer Kurzbiografie ausdrückt, hat ihre „Eingebungen“ üblicherweise in nächtlichen Wachträumen. Manchmal sieht sie auch sofort hinein in einen Menschen, der zu ihr kommt. „Je nachdem, wie offen jemand ist.“ Gregor Gysi war noch nie bei ihr in ihrer Wohnung im Erdgeschoss eines Altbaus im heutigen Szeneviertel Prenzlauer Berg. „Er ist wohl böse auf mich“, sagt sie kleinlaut. Noch zu DDRZeiten, damals war Gysi ein junger Anwalt, soll Mona Stein dem heutigen Fraktionschef der Linken bei einer offiziellen Feier die Zukunft vorhergesagt haben. „Und ich habe recht behalten“, sagt sie. Ihre mit reichlich grünem Kajal umrandeten Augen blitzen triumphierend auf. Zwischen Gysi und Mona Stein herrscht heute allerdings Funkstille. Politiker wollen nicht unbedingt dafür bekannt werden, sich von Wahrsagern beraten zu lassen. Mona Stein schwärmt trotzdem noch von Gysi. „Überintelligent“ nennt sie ihn.

Der Raum, in dem sie ihre Kunden empfängt, ist gerade so groß, dass zwei Sessel darin Platz finden. Keine Fenster, stattdessen eine Menge Kerzen auf einem kleinen Tisch. Ein Kartenspiel liegt auch darauf. „Die Karten helfen mir, das, was ich sehe, besser einzuordnen.“ Ein Räucherstäbchen verströmt einen intensiven Duft nach Patchouli in dem kleinen Zimmer. Wer hier Platz genommen hat, fühlt sich gleich ein wenig benebelt. „Ich bin hier sozusagen an der Front“, erklärt Mona Stein. Sie sitzt vor einer Fototapete mit Palmen. Eine andere Wand ist beklebt mit Zeitungsausschnitten und Diplomen. Zu ihr kommen Hartz-IVEmpfänger wie Gutbetuchte.

Auch wenn Politiker nicht zu ihr gekommen, entgehen sie ihren Vorhersagen doch nicht. Bei der Bundestagswahl 2013 stehen die Chancen demnach noch nicht gut für einen Regierungswechsel. Die Antennen der Wahrsagerin funktionieren offenbar auch über den Fernsehbildschirm. „Ich bin hochsensibel“, erklärt sie. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück würde für seinen Wahlkampf aller Wind aus den Segeln genommen, würde er mit Mona Stein sprechen. Steinbrück, von Sternzeichen Steinbock, wie sie weiß, hat bei ihr eher schlechte Karten. „Zu sehr auf den eigenen Vorteil bedacht“, so beschreibt sie den Kanzlerkandidaten. Auf Wahlergebnisse will sie sich aber nicht festlegen. „Fragen Sie mich in einigen Monaten. Dann bekomme ich Eingebungen.“ Aber dass Angela Merkel „nicht zu toppen ist“, das kann sie jetzt schon spüren. Das sehen im Augenblick allerdings auch noch diejenigen so, die sich auf die nackten Zahlen von Meinungsumfragen verlassen müssen.

Wie konnte Mona Stein überhaupt im sozialistischen Arbeiterstaat, der allem Übersinnlichen so skeptisch gegenüberstand, erfolgreich sein? Dass sie zur Wahrsagerin wurde, war ein Zufall. Eigentlich ist sie gelernte Schauspielerin. Vier Jahre Schauspielschule und „mehr als 70 Nebenrollen in allen möglichen Produktionen“ hatte sie schon hinter sich, als sie 1987 bei einer Silvesterfeier als Hellseherin engagiert wurde und die Gäste offenbar völlig verblüffte mit ihren Vorahnungen. Anschließend vermittelte die DDR-Gastspieldirektion sie munter weiter. „Natürlich wurde ich von der Staatssicherheit überprüft. Die wollten mich auch für ihre Zwecke einspannen“, berichtet sie noch heute aufgeregt. „Aber nicht mit mir. Ich bin doch kein Verräter.“

Es muss durchaus belastend sein, alle möglichen Dinge, vor allem auch die schrecklichen, bereits vorab zu wissen. Mona Stein nickt zustimmend. „Die Verantwortung ist sehr groß.“ Aber neben den Rückenschmerzen belastet sie selbst zurzeit etwas ganz anderes. Sie hat das Gefühl, dass ihr die Zeit davonläuft. „Mein größter Wunsch ist es, noch einmal eine schöne Hauptrolle in einem Film zu spielen“, sagt sie und klingt plötzlich wie ein Mädchen. „Bevor ich ganz alt und hässlich bin.“ Auch eine Wahrsagerin muss sich offenbar Sorgen um ihre Zukunft machen.

Von unserer Berliner Korrespondentin Rena Lehmann