Karlsruhe

Trotz Dementi: Seehofer auf Kuschelkurs

Trotz Dementi: Seehofer auf Kuschelkurs Foto: dpa

Der Applaus ist dünn, gerade noch im Bereich der Höflichkeit, als CSU-Chef Horst Seehofer, begleitet von Angela Merkel, die Parteitagsarena in Karlsruhe betritt. Er ist darauf eingerichtet, sofort das Wort vor den rund tausend CDU-Delegierten zu ergreifen. So wie CDU-Chefin Angela Merkel 25 Tage zuvor in München.

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Von unserem Berliner Korrespondenten Gregor Mayntz

Seinerzeit endete ihr Auftritt im Eklat, als Seehofer sie anschließend wie ein Schulmädchen neben sich stehen ließ und ihr die Leviten las. „Zum Thema Obergrenze sehen wir uns wieder“, hatte er gedroht. Jetzt sehen sie sich wieder.

Doch in Karlsruhe soll Seehofer erst noch einmal Platz nehmen. Auf dem Pult vor ihm liegt der aktuelle Pressespiegel mit den Schilderungen des Triumphes Merkels – wie sie am Vortag einmütige Unterstützung für ihre Flüchtlingspolitik bei der CDU bekam. Jener Politik, die Seehofer nicht passte, weil die Obergrenze darin fehlt.

Mit einem kleinen Sticheln reagiert er darauf, gratuliert Merkel zum Ablauf und weist darauf hin, dass sie bei ihrem Leitantrag zwei Gegenstimmen hatte. „Wir hatten eine“, bemerkt er und erntet Schmunzeln. Es folgen 20 Minuten, in denen der Gast Gemeinsamkeit an Gemeinsamkeit reiht. Dabei bemüht er sich, CSU-Leitantrag und CDU-Leitantrag „übereinanderzulegen“. Auch bei Finanzminister Wolfgang Schäuble bedankt er sich für die Hilfe des Bundes. Als die Bildregie den Blick Schäubles dazu auf die Großbildschirme schaltet, reagiert Seehofer sofort und befürchtet, dass die Länder wohl an anderer Stelle wieder Geld abgezogen bekämen. „Lassen Sie uns wenigstens über die Weihnachtstage im guten Glauben“, bittet er Schäuble.

Heitere Freundlichkeiten. Damit bereitet Seehofer den Boden, um zum Kern zu kommen, das Wort „Begrenzung“ zu erwähnen. Aber er relativiert es im selben Augenblick, indem er feststellt, dass es „ohne eine Begrenzung oder Rückführung oder Reduzierung oder Kontingentierung“ nicht gelingen werde, die Flüchtlingskrise zu lösen. Damit erscheint die berühmte Obergrenze nur als semantisch anderer Ausdruck für das, was auch die CDU beschlossen hat. „Wir können jetzt Sprachwissenschaftler einsetzen“, meint Seehofer. Aber seine Erfahrung sage ihm, dass sich die Bevölkerung nicht dafür interessiere, sondern nur dafür, ob es gelinge, die Flüchtlingszahlen in einem überschaubaren Zeitraum zu verringern. Oder klarer: „Abgerechnet wird am Ende über die Zahl der Flüchtlinge.“

Seehofer arbeitet anhand der Flüchtlingszahlen vom Westbalkan heraus, dass „auch nationale Maßnahmen sehr wohl eine Wirkung entfalten“. So seien die Zahlen von 25 000 allein im Februar auf nur noch 4000 im Oktober zurückgegangen, nachdem unter anderem der Kreis der sicheren Herkunftsstaaten erweitert und die Botschaft ausgesandt worden sei, dass die Menschen in Deutschland keine Bleibeperspektive hätten. Aktuell seien die Zahlen „nicht mehr erwähnenswert“. Inzwischen ist der Beifall von Passage zu Passage lauter geworden. Zustimmung gibt es insbesondere für seine Ankündigung, keine demokratisch legitimierte Partei rechts der Union zuzulassen. Der beste Schutz gegen Rechtsextremismus sei die Lösung der Probleme, die die Menschen beschäftigten.

Er dementiert in der Schlussphase noch einmal einen Kuschelkurs. Auch der CSU-Antrag bleibe Leitschnur für die Politik, aber ob man Kontingent oder Obergrenze sage, zähle ohnehin nicht, es müsse halt nur funktionieren. Und dann sucht Seehofer den ganz großen Schulterschluss, bietet seine Hilfe in den Landtagswahlkämpfen an, und als er neben Reiner Haseloff in Sachsen-Anhalt und Guido Wolf in Baden-Württemberg auch Julia Klöckner in Rheinland-Pfalz direkt anspricht und feststellt: „Julia, du hast es drauf! Was wäre das schön, Rheinland-Pfalz, unser Stammland, wieder zu erobern“, da hat sich Seehofer endgültig wieder in die CDU hineingearbeitet. Langer, kräftiger Applaus nach 50 Minuten.