Rheinland-Pfalz

Tiefe Schnitte: Wie rechts wird diese AfD?

Raus aus der AfD: die zerschnittene Mitgliedskarte des ehemaligen Beisitzers im Landesvorstand, Aslan Basibüyük 
Raus aus der AfD: die zerschnittene Mitgliedskarte des ehemaligen Beisitzers im Landesvorstand, Aslan Basibüyük  Foto: dpa/Svenja Wolf

Lange Zeit galt der rheinland-pfälzische Landesverband der Alternative für Deutschland (AfD) als heißer Kandidat für den Einzug in den rheinland-pfälzischen Landtag. Die Umfragen sahen die rechtskonservative Partei bei über 5 Prozent. Dann kam der eskalierende Streit zwischen Bernd Lucke und Frauke Petry in der Führungsspitze der Bundespartei.

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Von unserem Redakteur Dietmar Brück

Und schließlich neigte sich die politische Waage beim Bundesparteitag in Essen hin zu den Nationalkonservativen. Viele Wirtschaftsliberale verfolgten die Niederlage ihrer Galionsfigur Lucke mit Grausen – und kehren der Partei nun reihenweise den Rücken. Darunter ist der halbe rheinland-pfälzische Landesvorstand.

Turbulentes Treffen in Mainz

Dienstagabend, Restaurant Schützenhaus in Mainz: 60 Leute sitzen dicht gedrängt im Saal jener kroatischen Gaststätte, der kürzlich die Scheiben eingeworfen wurden, weil sie eine AfD-Veranstaltung zulassen wollte. Dieses Mal bleiben Zwischenfälle aus. Dafür geht es im Innern höchst turbulent zu. Schnell wird deutlich: Jeder der versammelten Funktionäre im Raum hat Herzblut für die AfD vergossen – geschuftet, geackert, gekämpft. Jetzt sind viele Aktivisten enttäuscht, werfen entnervt den Bettel hin. Neue Meldungen über Austritte werden beklatscht. Am späteren Abend zerschneiden einige Funktionäre demonstrativ ihre Ausweise. Es wirkt wie eine Revanche für das, was sie in der Essener Grugahalle beim Parteitag erdulden mussten.

Aslan Basibüyük, bislang Partei- vorsitzender im Kreisverband Rhein-Lahn und Beisitzer im Landesvorstand, ist besonders getroffen über die Vorgänge auf dem Bundesparteitag. „Ich habe mich als Migrant bedroht gefühlt“, sagt er. „Ich dachte, der Mob geht gleich los auf mich.“ Basibüyük gehört zum Lucke-Lager, zu denen, die weit entfernt von jeglicher Ausländerfeindlichkeit sind. Es müssen schlimme Sätze in Essen gefallen sein, wird berichtet. Dazu gehören Beschimpfungen, Pöbeleien, diskriminierende Äußerungen wie die von der „Invasion von Asylanten“. Manche hätten sich sogar noch drastischer ausgedrückt.

Uwe Volkmer vom Kreisverband Mainz spricht von einem massiven Rechtsruck, der von „Wildgewordenen und radikalisierten Kleinbürgern, Zukurzgekommenen und Lumpenproletariat“ getragen werde. Mit dieser Klientel will er nicht mehr in einer Partei sein. „Ich kam mir teilweise vor wie 1933 im Bürgerbräukeller“, meint Ex-Vorstandsmitglied Oliver Sieh, der ebenfalls zu den Funktionären gehört, die Luckes innerparteilichen „Weckruf“ unterzeichnet haben.

Erleichert nach dem Austritt

Der Bioinformatik-Professor Martin Hofmann-Apitius äußert „Scham und Ekel“ und spricht von einem „fremdenfeindlichen Label“, das sich die AfD in Essen verpasst hat. An der Universität arbeitet er in einer internationalen Arbeitsgruppe. Der Forscher am Fraunhofer-Institut will mit rassistischen Strömungen nicht identifiziert werden. Nachdem er seinen Austritt erklärt hat, atmet er tief durch: „Ich bin so was von erleichtert!“

Die AfD versucht derweil, handlungsfähig zu bleiben. Nach dem Rück- und Austritt von Landeschef Uwe Zimmermann übernimmt sein bisheriger Stellvertreter Uwe Junge bis auf Weiteres die Führung der Partei. Auf einem Sonderparteitag vor den Sommerferien sollen die Lücken im Vorstand geschlossen werden.

Uwe Junge (Kreisverband Mayen-Koblenz) und der zweite Vizevorsitzende Joachim Paul (Kreisverband Koblenz) beteuern im Gespräch mit unserer Zeitung, dass die AfD nicht nach rechts driftet. „Unsere Landespartei hat ein sehr bürgerliches Programm“, so Paul. Dazu zählen das Plädoyer für ein gegliedertes Schulsystem und eine Bildungspolitik, die den „Akademisierungswahn“ in die Schranken weist. Zudem plädiert die AfD nach Angaben ihres Vizevorsitzenden dafür, „dass anerkannte Asylbewerber vom ersten Tag an arbeiten können“. Ausländerfeindliche Umtriebe wollen Paul und Junge auch künftig nicht tolerieren, versprechen sie.

Petry soll eine Chance bekommen

Bundeswehroffizier Uwe Junge ist sichtlich bemüht, politische Schadensbegrenzung zu betreiben. Er verurteilt die Pöbeleien in Essen „aufs Schärfste“. Für ihn war das eine kleine, militante Gruppe „von 10 bis 15 Leuten inmitten von 3500 Teilnehmern“. Mit Bundesparteichefin Frauke Petry hat er jüngst gesprochen. Er wirbt dafür, „ihr eine Chance zu geben, ihre Politik zu machen“.

Die AfD-Landeszentrale will erst 100 Austritte registriert haben – bei 1200 Mitgliedern. Von einem Aderlass will keiner sprechen. In 18 von 36 Kreisverbänden gibt es angeblich gar keine Austritte.

Der Ex-Vorsitzende Uwe Zimmermann hält sich derweil offen, ob er sich in einer neuen Partei engagiert, sollte Bernd Lucke eine solche gründen. In Mainz wurde lange darüber diskutiert. „Viele sind offen für eine neue Partei, aber ein paar sind auch müde und warten ab“, so Zimmermann. Sein Ex-Vorstandskollege Oliver Sieh gibt dem AfD-Landesverband kaum mehr eine Chance: „Ich sehe, dass sich die Partei in kürzester Zeit radikalisieren und marginalisieren wird – und dann den Weg jeder rechten Partei gehen wird.“