Washington

„Tea Party“-Rebellen mischen die Republikaner auf

„Bald können wir alle tanzen“, sagte Sarah Palin bei einem Wahlkampfauftritt in Nevada voraus. Die Exgouverneurin von Alaska liegt wohl richtig damit.

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Washington. „Bald können wir alle tanzen“, sagte Sarah Palin bei einem Wahlkampfauftritt in Nevada voraus. Die Exgouverneurin von Alaska liegt wohl richtig damit.

Zwar wird den US-Republikanern bei der Wahl am 2. November wahrscheinlich nicht der erhoffte Doppel-Coup gelingen, das „Niedermetzeln“ der Demokraten in beiden Häusern des Kongresses, wie es ein Meinungsforscher formulierte. Aber es zeichnet sich ein Erdrutschsieg im Abgeordnetenhaus ab, bis zu 55 Sitze könnten die Republikaner hinzugewinnen und damit – als Trophäe – die ihnen persönlich so verhasste Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi stürzen.

Präsident Barack Obama wird es dann mit einer noch konservativeren „Grand Old Party“ zu tun haben. Dass die Republikaner nach ihrer demoralisierenden Schlappe an allen Fronten 2008 jetzt ein beachtliches Comeback erwarten können, haben sie wesentlich der „Tea Party“ zu verdanken, dem Phänomen in diesem Kongresswahlkampf.

Die rechtspopulistische rebellische Basisbewegung mit Palin im Rücken ist seit dem vergangenen Jahr zu einer Welle angeschwollen, mit deren Stärke weder die Demokraten noch das republikanische Partei-Establishment gerechnet haben.

Abneigung gegen Obama

Die „Tea Party“ wurde zu einem mächtigen Sprachrohr der Millionen von Unzufriedenen, Frustrierten und Zornigen im Land – mit einer grenzenlosen Abneigung gegen Obama und seine vermeintliche marxistische Politik der staatlichen Übermacht, aber auch gegen das „alte Washington“.

Der Name der Bewegung geht zurück auf die Bostoner „Tea Party“ von 1773. Siedler der neuen Welt lehnten sich damals gegen Steuerpläne ihrer britischen Kolonialherren auf und warfen Teeladungen ins Hafenbecken.

Und nun geht die konservative Basis so aufgemöbelt und motiviert in die Kongresswahl wie seit 1994 nicht mehr, als ein anscheinend kollektiver Hass auf den damaligen Präsidenten Bill Clinton die Partei einte. Aber die Macht der „Tea Party“ hat ihren Preis.

Von ihr unterstützte ultrakonservative Kandidaten haben bei den republikanischen Vorwahlen reihenweise gemäßigten etablierten Bewerbern den Garaus gemacht. Dutzende von ihnen werden den Sprung ins Abgeordnetenhaus schaffen, einige auch in den Senat. Natürlich nicht alle, aber doch eine Reihe der „Tea Party“-Kandidaten sind radikale Exoten, erklärte Schwulenhasser oder auch totale Antizentralisten, die bis auf das Pentagon und Außenamt so ziemlich alle Washingtoner Ministerien abschaffen wollen. Die Parteiführung hat dem Druck nachgegeben: Auch Bewerber, die sogar die Ablösung der Parteiführung wollen, wurden im Wahlkampfendspurt aus der zentralen Kasse unterstützt. Einst moderate Republikaner wie Senator John McCain rückten wohlweislich schon bei den Vorwahlen nach rechts, um ihre Chancen zu wahren.

Fundamentale Fraktion

„Ich bin kein Maverick“, heißt es in einem Werbespot des früheren Präsidentschaftskandidaten. Ein Maverick ist ein Freigeist. McCain legte bisher immer großen Wert darauf, ein solcher zu sein – aber das war vor der „Tea Time“ in den USA.

Experten glauben, dass so viele Kandidaten der fundamentalen Rebellenbewegung in das Abgeordnetenhaus einziehen werden, dass sie eine Art eigene Fraktion innerhalb der republikanischen Fraktion bilden könnten. Gibt es kein offizielles „Tea Party“-Programm, so sind sich doch alle Kandidaten einig: Erstes Hauptziel ist es, Obamas Gesundheitsreform rückgängig zu machen.

Abschaffung zumindest des Bildungsministeriums, der Einkommensteuer in ihrer bisher gestaffelten Form, vielleicht sogar der gesamten Steuerbehörde oder auch der staatlichen Rentenversicherung zugunsten privater Kassen? Solche Extreme werden sich zwar nicht durchsetzen lassen, aber der Druck der Ultrakonservativen könnte die Partei vor Zerreißproben stellen.

Auch republikanische Strategen räumen ein: Die „Tea Party“ ist ein zweischneidiges Schwert für die Partei. In Sachen Senatswahl hat sich die Basis-Revolte schon mehr als Fluch denn als Segen erwiesen. Manche „Tea Party“-Vorwahlgewinner sind so extrem, dass sie am 2. November aller Wahrscheinlichkeit nach scheitern werden – in Wahlkreisen, in denen ein Republikaner-Sieg zuvor sicher schien.Gabriele Chwallek