Berlin/Bern

Steuervertrag mit der Schweiz: Großer Streit um viel Geld

Die Fronten im Steuerstreit mit der Schweiz sind verhärtet, der Ton wir immer schärfer. Es geht um viel Geld, und es geht darum, den Schlussstrich unter eine lange Vergangenheit der Steuersünden zu ziehen. Inklusive einer tragfähigen Lösung für die Zukunft. Nach Ansicht von Kritikern kommen Steuersünder zu günstig weg – die Schweiz will aber partout nicht nachverhandeln.

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Das entsprechende Abkommen ist ausgehandelt, Anfang 2013 soll es bereits in Kraft treten. Vorgesehen ist, dass Kapitalerträge deutscher Kunden bei Schweizer Banken künftig so besteuert werden wie in Deutschland. Und was ist, wenn der Steuerhinterzieher sein Geld schon seit vielen Jahren auf Schweizer Konten versteckt hat? Er soll je nach Höhe und Dauer der Einlagen 21 bis 41 Prozent des „Altvermögens“ an den Fiskus nachzahlen – rückwirkend für zehn Jahre, und er bleibt dabei anonym.

Kritiker wie der Steuerrechtsexperte Frank Hechtner verweisen darauf, dass die meisten Schwarzgeld-Besitzer nur mit dem niedrigsten Steuersatz von 21 Prozent belegt würden. Steuerbetrüger können verstecktes Vermögen „relativ günstig reinwaschen“, bemängelt Hechtner.

Die Steuergewerkschaft hält zudem die erhofften 10 Milliarden Euro aus der einmaligen Nachversteuerung für „reines Wunschdenken“. Die von Schweizer Banken angebotene Garantiesumme von rund 1,63 Milliarden Euro stehe „in einem krassen Missverhältnis“ zum vermuteten Schwarzgeld von rund 150 Milliarden Euro. Steuerhinterzieher kämen viel zu billig davon, zumal ihnen völlige Straffreiheit garantiert wird, sagt der Gewerkschaftsvorsitzende Thomas Eigenthaler. „Diese Vorzugsbehandlung ist dem ehrlichen Steuerzahler, dessen Steuerlast etwa das Doppelte beträgt, nicht mehr zu vermitteln.“ Aus seiner Sicht muss der Vertrag „von Grund auf neu verhandelt werden“.

Aber genau davon will Bern partout nichts wissen. „Fällt das Abkommen durch, bleibt der Status quo“, bekräftigte Finanzstaatssekretär Michael Ambühl kürzlich noch einmal. Das Schweizer Parlament hat den Vertrag Ende Mai 2012 gebilligt. Mit der Forderung, das Paket noch einmal aufzuschnüren, ignorieren deutsche Politiker aus Sicht der Eidgenossen die Souveränität ihrer Volksvertretung: Parteien hierzulande, so der Eindruck, wollen aushandeln, was die Schweiz dann gefälligst umzusetzen hat. Das passt zu einem gewissen Grundmisstrauen gegenüber dem „großen Kanton“ im Norden. Und die Schweizer sind es offenbar auch gründlich satt, sich Äußerungen aus der SPD anhören zu müssen. 2009 drohte der damalige Finanzminister Peer Steinbrück mit der „Kavallerie“, Parteichef Sigmar Gabriel warf den Schweizer Banken auch schon mal „organisierte Kriminalität“ vor.

Doch ohne die SPD geht in Deutschland eben nichts. Das Bundeskabinett hat das umstrittene Abkommen zwar schon im September 2011 verabschiedet, aber Schwarz-Gelb braucht eine Mehrheit im Bundesrat. Eine Kompromisslinie könnte sein, den Mindestsatz für die Nachversteuerung alter Schwarzgelder auf 25 Prozent zu erhöhen. Laut dem Steuerrechtsexperten Hechtner würde sich damit aber das Grundproblem verschärfen, weil der Mindestsatz dann in fast allen Fällen greift.

Und was ist, wenn das Abkommen wirklich platzt? „Dann bleibt Deutschland nur der bisherige Weg, mit Amtshilfe einzelnen Verdachtsfällen nachzugehen oder mit rechtlich fragwürdigen CD-Käufen nach dem Zufallsprinzip Steuerdelikte aufzuspüren“, antwortete die Schweizer Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf der „Aargauer Zeitung“ kühl. „Doch wir leisten keine Amtshilfe bei Gesuchen, die auf geklauten Daten basieren.“

Vielleicht kann ein Deutscher in der Schweiz die Fronten lockern: Ex-Bundesbank-Chef Axel Weber hat als Verwaltungsratspräsident der Schweizer Großbank UBS versprochen, die mittlerweile offiziell geltende „Weißgeldstrategie“ konsequent umzusetzen. „Die UBS hilft keinem Kunden dabei, sich Steuerpflichten zu entziehen. Wer dagegen verstößt, wird hart sanktioniert. In diesem Punkt gibt es bei mir 0 Toleranz.“ Das sind doch neue Töne.

Jörg Hilpert/dpa