Berlin

Steinbrück: Stolperstart des Kanzlerkandidaten irritiert – Kommt er noch in die Offensive?

Autogramme des Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück waren beim SPD-Parteitag Anfang Dezember in Hannover noch sehr gefragt. Inzwischen ist er durch einige umstrittene Äußerungen aufgefallen. Die Basis fordert jetzt, endlich eine inhaltliche Debatte zu führen.
Autogramme des Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück waren beim SPD-Parteitag Anfang Dezember in Hannover noch sehr gefragt. Inzwischen ist er durch einige umstrittene Äußerungen aufgefallen. Die Basis fordert jetzt, endlich eine inhaltliche Debatte zu führen. Foto: DPA

Als Peer Steinbrück beim Parteitag Anfang Dezember in Hannover kampfeslustig die Faust reckt, ist das ein Befreiungsschlag für die SPD. Den Genossen war die Erleichterung über seine in weiten Teilen gelungene Rede anzumerken.

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Der Fehlstart wegen der Vortragshonorare schien vergessen. Doch nur wenige Wochen später befindet sich der SPD-Kanzlerkandidat mehr denn je in der Defensive. Von den Genossen hatte er Beinfreiheit gefordert. Doch er stellt sich permanent selbst ein Bein. Mancher Sozialdemokrat rieb sich verwundert die Augen, als Steinbrück zum Jahresende in einem Interview die Höhe des Kanzlergehalts kritisierte.

Ein führendes SPD-Mitglied aus Rheinland-Pfalz räumt ein, dass dieser neuerliche Fehltritt die Partei „sehr verunsichert“ hat. Man fragt sich an der Basis, wie ihm so etwas überhaupt passieren konnte. Die Genossen hätten jedenfalls genug von „Nebenkriegsschauplätzen“. „Wir müssen uns endlich auf die sozialdemokratischen Kernthemen konzentrieren“, meint der Genosse. „Steinbrück darf den Bogen nicht überspannen, sondern muss jetzt in die Gänge kommen.“ CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel kam bisher noch kaum in die Verlegenheit, sich mit ihrem Herausforderer inhaltlich auseinandersetzen zu müssen. Damit die Parteibasis ihm in den nächsten Monaten nicht von der Fahne geht, müsste Steinbrück dringend in die Offensive gehen.

Ein Regierungswechsel in Niedersachsen Ende Januar könnte ihm helfen. Will er aber den Sprung ins Kanzleramt schaffen, kann er sich auch keine weiteren Geschichten „mit Geschmäckle“ leisten. Doch gerade erst hat das „Handelsblatt“ berichtet, Steinbrück habe in seiner Zeit als Aufsichtsrat bei ThyssenKrupp mehr als 170 000 Euro erhalten – und in einer Sitzung seine politische Unterstützung für günstige Strompreise zugesagt.

Der Berliner Parteienforscher Gero Neugebauer beurteilt Steinbrücks derzeitige Lage folglich kritisch: „Er hat keine Deutungshoheit über seine Aussagen. Das benachteiligt ihn in seinen Möglichkeiten, die Partei zu mobilisieren.“ Neugebauer sieht aber durchaus noch Chancen für den SPD-Kanzlerkandidaten, aus dem Tief herauszukommen. Einer Umfrage der konservativen „Welt am Sonntag“ zufolge gehen zurzeit immerhin 46 Prozent der Wähler davon aus, dass Steinbrück im Herbst nicht ins Kanzleramt einzieht. Solche Aussagen hält Neugebauer für verfrüht.

„Steinbrück ist nicht beschädigt, denn er hat weiter die Unterstützung seiner Partei“, ist er überzeugt. „Er muss jetzt mit der Kärrnerarbeit beginnen und Themen nach vorn bringen“, empfiehlt der Politikwissenschaftler. Angela Merkel werde sich in ihrer Kampagne Mühe geben, dem SPD-Mann so wenig Raum zur Entfaltung wie möglich zu lassen. „Steinbrück muss deshalb alle Anhänger der SPD für sich mobilisieren.“ Also keine unbedachten persönlichen Bemerkungen mehr machen, sondern Sprachrohr für das SPD-Programm sein. Sich ganz in den Dienst der Partei stellen. Sehr viel Beinfreiheit bliebe dem kantigen Norddeutschen Steinbrück bei dieser Strategie nicht.

Der Mainzer Bundestagsabgeordnete Michael Hartmann hält manche Steinbrück-Kritik indes für „bösartig und niveaulos“. Doch der Innenpolitiker ist überzeugt: „Das Rennen ist weiter offen.“ Und vielleicht gibt es demnächst mal eine Situation, in der die Kanzlerin „sich offenbart“, so hofft er. „Steinbrück ist immer konkret, sie bleibt immer im Ungefähren.“ Hartmann bezweifelt, dass das „auf Dauer gut gehen kann“. Die Frage ist nur, für wen von beiden.

Von unserer Berliner Korrespondentin Rena Lehmann