Solarenergiebranche bekommt kalte Füße

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Während sich der chinesische Unternehmer Huang Ming als „Sonnenkönig“ im Reich der Mitte feiern lässt, steckt die Solarenergiebranche in Europa und speziell in Deutschland offenbar tief in der Krise. Entstanden ist die Situation durch die Finanz- und Schuldenkrise in der Europäischen Union. Aber auch der Preisverfall bei Fotovoltaikpaneelen – ausgelöst durch Billiganbieter aus Fernost – trägt Mitschuld an der derzeitigen Lage.

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Während sich der chinesische Unternehmer Huang Ming als „Sonnenkönig“ im Reich der Mitte feiern lässt, steckt die Solarenergiebranche in Europa und speziell in Deutschland offenbar tief in der Krise. Entstanden ist die Situation durch die Finanz- und Schuldenkrise in der Europäischen Union. Aber auch der Preisverfall bei Fotovoltaikpaneelen – ausgelöst durch Billiganbieter aus Fernost – trägt Mitschuld an der derzeitigen Lage.

Im Gegensatz zu manchem kleinen oder mittelständischen Unternehmen der Branche, dem beim Klettern auf den Umsatzhügel die Luft zu dünn wurde, trotzen die großen der aktuellen Negativstimmung. So will beispielsweise der Siemens-Konzern sein eigenes Solargeschäft massiv ausbauen. „Wir möchten im großen Stil in die Solartechnik hinein“, sagte der neue Siemens-Energie-Chef Michael Süß kürzlich dem „Handelsblatt“. Der Zeitpunkt ist – so urteilen Experten – nicht zufällig gewählt. Nicht nur, dass Siemens gerade sein Atomgeschäft begraben hat. Hinzu kommt: Der Weltmarkt für Fotovoltaik wird sich nach Einschätzung von Frank Asbeck, Chef des Bonner Solarenergiekonzerns Solarworld, von derzeit knapp 30 Milliarden Euro bis 2020 verfünffachen.

„Für die Elektronik-Riesen wird der Fotovoltaikmarkt jetzt richtig interessant“, sagt Asbeck. Siemens-Manager Süß glaubt sogar, dass Fotovoltaik ein größerer Markt wird als Solarthermie. Die vor wenigen Wochen angekündigte Aufspaltung des Siemens-Bereichs für erneuerbare Energien sowie die Gründung der neuen Division „Solar & Hydro“ für die Gebiete Sonnenenergie und Wasserkraft ist ein Signal, dass dieses Geschäft in naher Zukunft ausgeweitet werden soll. Da „Solar & Hydro“ nach Berechnungen von Analysten mit einem Jahresumsatz von rund 150 Millionen Euro lediglich einen Bruchteil der übrigen Siemens-Geschäftsbereiche ausmacht, gehen die Branchenexperten davon aus, dass der Konzern nach Zukäufen Ausschau hält. Womöglich seien unter den derzeit finanzschwachen Solarfirmen geeignete Kandidaten.

Nicht zu diesen Kandidaten dürfte Schott Solar gehören. Mit Hauptsitz in Mainz ist das Unternehmen – neben Juwi Solar in Wörrstadt – eines der zwei größten, die sich in Rheinland-Pfalz mit dieser Zukunftstechnologie befassen. Die weltweit operierende Firma entwickelt, fertigt und vermarktet Fotovoltaikprodukte, Solarmodule und Empfänger-Elemente (Receiver) für Solarkraftwerke.

„Strom aus Sonnenenergie wird in nicht allzu ferner Zukunft eine der tragenden Säulen der Weltenergieversorgung darstellen“, betont Schott-Sprecher Klaus-Bernhard Hofmann. Die Solarstromversorgung wächst steil an. Bis Mitte dieses Jahrhunderts ist angestrebt, 50 Prozent des Weltenergiebedarfs mit Solarstrom zu decken. Bereits von 2009 bis 2011 hat sich der Anteil am Gesamtstrombedarf verdreifacht und liegt zurzeit bei 3,5 Prozent. „Bis 2020 rechnen wir mit einem mindestens 10-prozentigen Anteil“, betont Hofmann. Es müssten aber die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit deutsche Firmen am Markt bestehen können.

Dezentralität ist ein Vorteil

Der Preisverfall bei der Fotovoltaik ist drastisch und hält weiter an. „In vier Jahren wurden die Preise für Solarpaneele halbiert; allein in den vergangenen zwölf Monaten gingen sie um 22 Prozent zurück“, erläutert Hofmann. Er beklagt die Streichung von Fördermitteln. Trotzdem werde sich die Technik durchsetzen, ist der Schott-Sprecher sicher. „Der große Vorteil gegenüber anderen alternativen Methoden zur Stromgewinnung liegt in der Dezentralität. Das heißt, jeder kann seine Fotovoltaikanlage auf dem Dach, im Garten oder sonst wo installieren und überschüssigen Strom ins allgemeine Stromnetz einspeisen.“

Bei Juwi Solar (Wörrstadt) bewertet man die Lage in der Solarbranche ähnlich. „Krisenstimmung gibt es nur bei den Herstellern von Solarmodulen“, meint Renate Martens von der Abteilung Unternehmenskommunikation. Als Projektentwickler sei die Juwi-Gruppe breit aufgestellt und profitiere tendenziell von sinkenden Preisen für Solarmodule und Wechselrichter. Gleichzeitig ist die eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung damit beschäftigt, die Kosten für Solarstrom zu senken. „Oberstes Ziel muss es sein, die erneuerbaren Energien, insbesondere Solar- und Windstrom, günstig zu machen. So ist auf unserer Agenda, Solarstrom für nur 10 Cent pro Kilowattstunde in Deutschland zu produzieren“, erklärt Martens. „In zwei Jahren wird Solarstrom vom Dach günstiger als Strom aus der Steckdose sein.“

Eigentlich also kein Grund für die Solarbranche, kalte Füße zu bekommen. Doch die Unternehmen haben weltweit mit einer schwachen Nachfrage und hohem Konkurrenzdruck zu kämpfen. Anfang September hatte bereits der US-Modulhersteller Solyndra Gläubigerschutz beantragt. Im August meldeten Evergreen Solar und Spectrawatt Insolvenz an. Jüngstes Opfer der Pleitewelle in den USA ist Stirling Energy Systems.

Auch in Deutschland sind Unternehmen der Solarindustrie in Existenznöten. Aktuelles Beispiel: der einstige Vorzeigebetrieb SMA Solar. Der Wechselrichterhersteller kappte vor einigen Tagen seine Prognose und will sich von Zeitarbeitern trennen. Q-Cells legte ebenfalls ein neues Sparprogramm mit Arbeitsplatzabbau vor, und Solarworld schließt ein US-Werk. Kontrast zur Pleitewelle: Europas größter Solarenergiestandort ist vor zwei Wochen in Spanien fertiggestellt worden. Ein deutsches Konsortium nahm in der Provinz Granada das Solarthermiekraftwerk Andasol 3 in Betrieb. Mit drei Solarkraftwerken der 50-Megawatt-Klasse sei Andasol jetzt Europas Nummer eins, teilte die RWE in Essen mit. Neben RWE sind die Stadtwerke München als größter Anteilseigner (48,9 Prozent) sowie Rheinenergie, Ferrostaal und Solar Millennium an Andasol 3 beteiligt. Die Kosten für das Projekt: 350 bis 400 Millionen Euro.

Andasol 1 und 2 waren bereits vor einigen Jahren ans Netz gegangen. Die beiden Solarkraftwerke sind im Besitz eines Bankenkonsortiums aus Deutscher Bank und der französischen BNP. Der Strom von Andasol 1 bis 3 wird komplett in Spanien vermarktet.

Doch was bedeutet das alles für den Verbraucher? Die Wende in der Energiepolitik kommt die Bürger voraussichtlich teurer zu stehen, als bisher erwartet. Bereits 2012 werden sie – entgegen bisheriger Prognosen – für die Ökostromförderung tiefer in die Tasche greifen müssen. „Wir gehen davon aus, dass es im kommenden Jahr zu Preissteigerungen kommt“, sagt Jürgen Scheurer vom Strompreisvergleichsportal Verivox. Man dürfe nicht vergessen, dass sich auch der notwendige Netzausbau niederschlagen werde – die Netzentgelte sind im Strompreis enthalten. Das Ende der Fahnenstange ist wohl noch nicht erreicht. Der Druck, die Förderung weiter anzupassen, dürfte zunehmen. Denn sonst könnte die Steigerung des Ökostromanteils auf 35 Prozent bis 2020 für die Verbraucher empfindlich teuer werden.

Energiewende wird teuer

Die Energiewende in Deutschland wird nach Einschätzung von Tuomo Hatakka, Chef von Vattenfall Europe, in den nächsten zehn Jahren Investitionen von bis zu 200 Milliarden Euro notwendig machen. „Einfach wird das nicht“, sagt er. Der Vattenfall-Manager geht von steigenden Strompreisen und einer wachsenden Abhängigkeit von Stromimporten aus. Der Vorstandsvorsitzende von EON Energie, Ingo Luge, kritisiert mit Blick auf hohe Einspeisevergütungen gerade für Solarstrom, dass Markt und Wettbewerb „nicht mehr selbstverständlich“ die Energiewirtschaft lenkten. „Es kann nicht Ziel sein, immer mehr Kapazitäten aus dem Markt zu nehmen“, sagte er. EON wolle seinen Beitrag zur Energiewende leisten. Klar sei aber auch, dass erneuerbare Energiequellen die Versorgung „auf absehbare Zeit nicht leisten können“.

Von unserem Redakteur Axel Müller