Schrecken Ehec: Salat landet unverkauft auf dem Feld

Sprossen, Gurken und Tomaten werden verschmäht, obwohl ihre Schuld nicht bewiesen ist. Und Annemarie Stahl auf dem Mainzer Wochenmarkt kann ihren tollen Salat anbieten wie saure Gurken: Am Ende des Markttages packt sie die meisten Köpfe wieder ein und wirft sie weg.
Sprossen, Gurken und Tomaten werden verschmäht, obwohl ihre Schuld nicht bewiesen ist. Und Annemarie Stahl auf dem Mainzer Wochenmarkt kann ihren tollen Salat anbieten wie saure Gurken: Am Ende des Markttages packt sie die meisten Köpfe wieder ein und wirft sie weg. Foto: Bernd Eßling

Mainz/Rheinland-Pfalz – Am Marktstand von Annemarie Stahl herrscht reges Treiben: Kunden schnuppern an frischem Fenchel; Möhren, Blumenkohl und Kartoffeln wechseln die Besitzer. Doch eine Kulturpflanze fristet seit Bekanntwerden der ersten Ehec-Infektionen am Verkaufsstand der Rüsselsheimer Bäuerin ein stiefmütterliches Dasein: der Kopfsalat. Die Selbsterzeugerin berichtet, dass der Verkauf von Salatköpfen um über 90 Prozent zurückgegangen sei.

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Mainz/Rheinland-Pfalz – Am Marktstand von Annemarie Stahl herrscht reges Treiben: Kunden schnuppern an frischem Fenchel; Möhren, Blumenkohl und Kartoffeln wechseln die Besitzer. Doch eine Kulturpflanze fristet seit Bekanntwerden der ersten Ehec-Infektionen am Verkaufsstand der Rüsselsheimer Bäuerin ein stiefmütterliches Dasein: der Kopfsalat. Die Selbsterzeugerin berichtet, dass der Verkauf von Salatköpfen um über 90 Prozent zurückgegangen sei.

„Das ist sehr, sehr schlimm. Wir sind doch mitten in der Salatsaison!“, klagt die Bäuerin, deren sattgrünes Blattgemüse an normalen Markttagen bis zum Mittag so gut wie ausverkauft ist. Jetzt bleibt es bleischwer in den Kisten liegen.

Die Furcht vor Ehec-Infektionen hinterlässt auf dem Mainzer Wochenmarkt Spuren: Vom Gemüsehändler bis zum Verbraucher ist die Kaufzurückhaltung spürbar.

  • „Ich kaufe momentan ausschließlich Gemüse, das ich abkochen kann“, sagt Renate Böhm. Die Rentnerin betrachte die Krankheitsfälle „sehr skeptisch“ und möchte „lieber kein Risiko eingehen“.
  • Auch Melanie Schneider (27) verzichtet zurzeit auf die heiß geliebte Rohkost: „Gerade in der Sommerzeit esse ich eigentlich sehr gern Salat. Aber momentan ist mir das nicht geheuer“, erklärt die Studentin.

Zwar ist ein Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Rohkost und den angestiegenen Infektionsfällen bislang nicht nachgewiesen, doch die Warnung des Robert Koch-Instituts, auf rohe Tomaten, Gurken und Salat zu verzichten, schlägt sich auch bei anderen Gemüsehändlern in einem spürbaren Nachfragerückgang nieder.

„Wir haben Umsatzeinbußen von 30 Prozent. Tomaten, Gurken und Salat bleiben liegen. Außerdem fragen die Verbraucher verstärkt nach, wo das Gemüse herkommt“, berichtet Gemüsehändler Lothar Hannemann aus Bauschheim. Und eine Kollegin ergänzt wütend: „Wir arbeiten zurzeit für den halben Lohn. Die Medien machen mit ihrer Panikmache alles nur noch schlimmer!“

Zwischen „nicht geheuer“ und „alles Schnick-Schnack“: Warnungen erzeugen unterschiedliche Effekte

Doch die Warnungenu haben Verbraucher und Händler auf unterschiedliche Weise erreicht. Mandy Welz hat sich entschieden, die öffentlichen Empfehlungen zu ignorieren: „Das ist doch alles Schnick-Schnack. Es ist doch immer noch nicht klar, wo der Erreger eigentlich herkommt. Was für einen Sinn hat es da, auf bestimmte Lebensmittel zu verzichten? Ich kaufe meinen Salat auch weiterhin.“

Gemüseerzeuger Horst Stahl sieht das ähnlich: „Ich halte es für völligen Quatsch, die Ehec-Infektionen an bestimmten Gemüsesorten festzumachen.“ Von Umsatzeinbußen ist der Ginsheimer Bauer bislang verschont geblieben: „Wir sind mit unserem Sortiment sehr breit aufgestellt. Umsatzeinbrüche beim Salat können wir mit dem Verkauf anderer Gemüsesorten ausgleichen. Doch die Bauern, die Monokultur betreiben, haben es sehr schwer. Einige werden die Ehec-Krise nicht überstehen.“

Stammkunden kaufen weiter beim „Bauern ihres Vertrauens“

Am Gemüsestand von Marktkollege Harald Reinemann ist von der Ehec-Bedrohung jedenfalls nichts zu spüren: „Wir merken zwar, dass Salat und Tomaten weniger gekauft werden, aber unsere Stammkunden kommen weiterhin zu uns. Das Vertrauen der Kunden in die Wirtschaftsweise der Gemüseerzeuger ist jetzt besonders wichtig, um die Krise zu überstehen“, glaubt Marcel Sodowski.

„Daran haben auch die Medien Schuld“

Annemarie Stahl am anderen Ende des Wochenmarkts hat sich derweil damit abgefunden, einen Großteil ihres Salatangebots wieder mit nach Haus nehmen zu müssen: „Das landet heute Mittag alles auf dem Feld“, sagt sie. „Daran haben auch die Medien Schuld.“ Vorschnelle Mutmaßungen und Beschuldigungen nützten keinem, ist sich Stahl sicher.

von Sabrina Schmidt