Sanfte Massagen stehen im Mittelpunkt der ayurvedischen Kuren – Wie wirken sie?

Mit Händen heilen.
Mit Händen heilen. Foto: Fotolia

Ein gesunder Lebensstil liegt derzeit voll im Trend. Die Yoga-Industrie boomt, sich vegetarisch oder vegan zu ernähren gehört unter jungen Leuten schon beinah zum guten Ton, und Heilmethoden aus Fernost sind in Mode wie nie zuvor. Kein Wunder also, dass auch immer mehr Menschen auf Ayurveda schwören.

Lesezeit: 5 Minuten
Anzeige

Das aus Indien stammende Gesundheitssystem beruht auf Berührungen, medizinische Ansätze verschmelzen mit Wellnesselementen. Es verbindet eine bewusste Ernährung mit Massage- und Reinigungstechniken, Yoga und Pflanzenheilkunde. Für urlaubsreife Kurgäste in Deutschland scheint diese Kombination genau die richtige zu sein.

Und sie lassen sich ihre Ayurveda-Kur ganz schön viel kosten: Zum Beispiel im „Ayurveda Parkschlösschen“ in Traben-Trarbach, das erste und einzige mit fünf Sternen ausgezeichnete Gesundheitshotel mit Schwerpunkt Ayurveda in Europa. Als es im Februar 1993 eröffnet wurde, war Ayurveda in Deutschland noch ein eher unbekannter Begriff, und das Parkschlösschen wurde schnell zum Spezialisten und Wegbereiter für die sogenannten Panchakarma-Kuren. Sie sind, wie alle Kuren im Ayurveda, individuell auf die Beschwerden eines Gastes ausgelegt. Auch die Kombination der unterschiedlichen ayurvedischen Massagen wird von Einzelfall zu Einzelfall neu zusammengestellt. Berührung ist dabei unumgänglich, sie bildet einen wichtigen Baustein im ganzheitlichen Ansatz der indischen Heilkunst.

Ayurvedische Massagen helfen bei Depressionen oder Burn-out

Grundsätzlich geht es im Ayurveda darum, „die verschiedenen Energien des menschlichen Körpers im Gleichgewicht“ zu halten, wie Dr. Gerd-Steffen Bigus erklärt. Er arbeitet als Facharzt für Anästhesiologie, Naturheilverfahren und Ayurvedische Medizin im „Ayurveda Parkschlösschen“. Werden einige dieser Energien beispielsweise durch Stress oder falsche Ernährung zu stark oder zu schwach, ist die Balance gestört, und der Mensch wird krank, so glaubt Bigus. Dieses gestörte Gleichgewicht kann aus ayurvedischer Sicht nur durch die Auswahl von Nahrungsmitteln, Meditation, Yoga und durch „Reinigung“ des Körpers wiederhergestellt werden. Ayurvedische Kuren zielen darauf ab. Sie bestehen aus dem Trinken von geklärter Butter (Ghee) und heißem, abgekochtem Wasser in Kombination mit Schwitzkuren und Einläufen mit Kräuter-Öl-Mischungen. Und, besonders wichtig: aus den unterschiedlichsten Massagen.

Ayurvedische Massagen bestehen im Vergleich zu konventionellen Massagen aus einem eher sanften Druck und streichenden Berührungen. Die Streichrichtung variiert je nach gewünschter Wirkung. Bei entspannenden Massagen arbeiten sich die Therapeuten von der Körpermitte zu den seitlichen Partien vor. Andersherum laufen aktivierende Anwendungen ab, bei ihnen arbeiten die Therapeuten mit mehr Druck. Der Kreislauf wird dadurch in Gang gebracht, die Durchblutung verbessert, der Stoffwechselvorgang angeregt.

Bigus hat sogar festgestellt, dass die Massagen in Kombination mit Krankengymnastik, Yoga oder Physiotherapie die Beweglichkeit einzelner Körperteile erhöhen können. Sie lindern Beschwerden, helfen bei der Nachbehandlung schwerer Krankheiten wie Krebs, Rheuma oder Arthrose und wirken vitalisierend, was zum Beispiel bei Depressionen hilft. Laut Bigus werden bei Patienten mit Burn-out-Syndrom, Schmerzzuständen, Multipler Sklerose und Parkinson gute Erfolge mit ayurvedischen Massagen erzielt.

Die Wirksamkeit von Massagen nachzuweisen, ist fast unmöglich

Ananda Samir Chopra sieht zudem die positive Wirkung auf das vegetative Nervensystem, den Blutdruck, die Darmbewegung und auf den Schlafrhythmus als wesentlichen Effekt. Allerdings sei solch eine Wirkung nur im Rahmen von langfristigen Behandlungen und in Kombination mit schulmedizinischen Verfahren zu erwarten, betont er. Chopra ist Leitender Arzt der Habichtswald-Klinik in Kassel. Sie verbindet die Fachrichtungen Psychosomatik, Innere Medizin und Onkologie mit Naturheilverfahren und Komplementärmedizin. Diese Zusammenarbeit von Ayurveda und Schulmedizin sei einzigartig in Europa. „Ayurvedische Massagen sollen entgiften, entspannen und zur Linderung von Beschwerden beitragen“, sagt Chopra. „Zugleich sorgen sie dafür, dass der Patient sich einfach besser fühlt.“

Der Mediziner berichtet von einer älteren Patientin, die mit Stoffwechselproblemen und Bluthochdruck zu kämpfen hatte und Tabletten dagegen nahm. „Solche Erkrankungen kann man gut ayurvedisch behandeln“, sagt Chopra. „In manchen Fällen schaffen wir es, die schulmedizinische Komponente zu ersetzen. Die Dame konnte ihre Tabletten absetzen.“

Die Wirksamkeit von ayurvedischen Massagen wissenschaftlich nachzuweisen, ist allerdings nahezu unmöglich. Westliche Medikamente müssen in Studien mit Placebos, also Scheinmedikamenten, verglichen werden und sich dabei als wirksam beweisen. Eine Massage oder einen Einlauf kann man aber nicht nur „scheinbar“ verpassen – das heißt: Repräsentative Studien sind hier praktisch nicht möglich. Wissenschaftlich erwiesen ist aber, dass die passive Bewegung des Gewebes bei der Nachbehandlung schwerer Krankheiten förderlich sein kann und dass angenehme Berührungen zu einer verstärkten Ausschüttung von Glückshormonen führen.

Unseriöse Therapeuten können schwere Schäden anrichten

Deswegen spielen im Ayurveda auch die täglichen Berührungen und Rituale eine wichtige Rolle. Durch Berührung können Zuneigung, Liebe und Zärtlichkeit im Alltag ausgedrückt werden. Das gilt für den Menschen selbst wie auch für seine Mitmenschen. Während einer ayurvedischen Kur empfehlen die Therapeuten des „Ayurveda Parkschlösschens“ ihren Patienten deswegen beispielsweise sich abends die Füße selbst zu massieren, eine Kuschelminute nach dem Frühstück einzuführen oder ausgiebiges Händeschütteln und eine Umarmung zur Begrüßung von Freunden einzuführen.

Vielleicht führt dieser Effekt zu dem, was Ayurvedatherapeuten mit „einer verbesserten Gesundheitspflege von Körper, Geist und Seele“ bezeichnen. Eine ayurvedische Massage soll – neben dem medizinischen Gesichtspunkt – ein Gefühl von Wärme, Angenommensein und Geborgenheit vermitteln.

Chopra erinnert sich an eine Patientin mit Brustkrebs, deren Brust entfernt werden musste. Sie erzählte ihm, dass sie sich während einer Synchronmassage zum ersten Mal seit ihrer Operation wieder als ganzer Mensch gefühlt habe. Die Berührung gab ihr wieder das Gefühl eines liebevollen Umgangs mit ihrem Körper, das ihr seit Beginn ihrer Erkrankung gefehlt hatte.

Voraussetzung für solch ein Erlebnis ist, dass die Massagen von einem seriösen Therapeuten durchgeführt werden. Da es sich bei dem Beruf nicht um eine geschützte Bezeichnung handelt, ist es schwierig, herauszufinden, wer seriöser Mediziner und wer Quacksalber ist. Unter Umständen kann die Behandlung durch einen nicht ausreichend ausgebildeten Ayurvedatherapeuten sogar gefährlich werden. „Eine Berührung hat in jedem Fall einen Effekt, aber nicht immer den gewünschten. Einmal hat ein Patient während des Vorgesprächs nicht erwähnt, dass er an Schizophrenie leidet. Diese ist, ausgelöst durch die Berührungen, während der Massage hochgekommen“, berichtet Bigus.

Selbstmassagen steigern das Wohlbefinden

Im schlimmsten Fall könne eine falsche Behandlung sogar zu Herzproblemen führen. Bigus empfiehlt, bei der Therapeutenwahl genau hinzuschauen. Wer ein umfassendes ayurvedisches Paket anbietet, ist oft seriöser als eine reine Massagepraxis, „in die ich mich übrigens nicht begeben würde“, wie Bigus sagt. „Ayurveda wirkt, weil es ein ganzheitliches Konzept ist“, erklärt der Arzt. Zwar hätten einzelne Massagen einen kurzzeitigen Entspannungswert, aber eine langfristige Wirkung könne man nicht erwarten. „Wenn ich eine Kräuterstempelmassage gegen Zellulitis anwende, ist noch nicht gesagt, dass die Zellulitis besser wird. Dazu muss ich auch Sport machen und meine Ernährung umstellen“, unterstreicht er. Wer seinen Lebensstil ayurvedisch ausrichten möchte, könne zu seinem Wohlbefinden beitragen, indem er sich kontinuierlich zwei- bis dreimal wöchentlich mit Ölen einreibt.

Für viele Patienten sind professionell durchgeführte ayurvedische Massagen ein Luxusgut, eine Fluchtmöglichkeit aus dem Alltag und eine wohltuende Zuneigung. „Heutzutage werden wir mit Reizen überschüttet“, sagt Chopra. „Ich glaube, dass ayurvedische Massagen so erfolgreich sind, weil sie statt unserem Seh- und Hörvermögen unseren Tastsinn ansprechen. Wir sehen und hören den ganzen Tag Dinge, aber berührt werden wir nur selten. Unser Tastsinn verkümmert. Dabei ist dieser der entscheidende Sinn, der uns Liebe, Zärtlichkeit und Nähe spüren lässt.“ Celina de Cuveland

Ayurveda

Wirksamkeit: Ayurveda ist zwar von der Weltgesundheitsorganisation als medizinales System anerkannt. Aktuelle Studien, die die alleinige Wirksamkeit von ayurvedischen Massagen belegen, gibt es aber nicht. Die US-amerikanische Wissenschaftlerin Tiffany Fields hat während einer Studie im Jahr 2014 jedoch herausgefunden, dass Berührungen im Rahmen klinisch verordneter Massagen zu einer Reduktion von Stresshormonen und einer Senkung des Blutdrucks führen. Außerdem wurden Depressionen reduziert, das Immunsystem gestärkt und die Heilung schwerer Erkrankungen wie Rheuma und Krebs unterstützt.

Kosten: Die Kosten für ayurvedische Massagen variieren sehr stark. Ölmassagen können zwischen 100 und 150 Euro kosten. Kuren sind in der Regel deutlich teurer, sie liegen bei 230 Euro pro Behandlungstag. Die Krankenkassen zahlen die Behandlungen in der Regel nicht.

Ausbildung: Im Ayurveda existieren zahlreiche Aus- und Fortbildungen. In Deutschland gibt es aber kein Zertifikat oder Diplom im Ayurveda-Bereich, das staatlich anerkannt ist. Therapeuten, die kein Arzt oder Heilpraktiker sind, sind nach Ansicht des Verbands Europäischer Ayurveda-Mediziner und -Therapeuten nicht berechtigt, heilend tätig zu sein. Infos zu seriösen Therapeuten gibt es auf der Internetseite des Verbands unter www.ayurveda-verband.eu

Meistgelesene Artikel