RZ-Serie Fleisch: Was das Etikett verrät

Regional und saisonal sollen wir einkaufen und auch beim Fleisch Produkte aus der Region bevorzugen. Um die heimische Landwirtschaft zu stärken, lange Transportwege für Schlachttiere zu vermeiden und um in Zeiten von Lebensmittelskandalen wenigstens ein Gefühl von Kontrolle über das zu haben, was in unserem Magen landet.

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Regional und saisonal sollen wir einkaufen und auch beim Fleisch Produkte aus der Region bevorzugen. Um die heimische Landwirtschaft zu stärken, lange Transportwege für Schlachttiere zu vermeiden und um in Zeiten von Lebensmittelskandalen wenigstens ein Gefühl von Kontrolle über das zu haben, was in unserem Magen landet.

Aber mal ehrlich: Wer hat eigentlich noch einen Landwirt zum Nachbarn, der sein Vieh auf der Wiese weiden lässt und ihm am Ende womöglich noch Namen gibt? Wer, was längst die Regel ist, sein Fleisch im Supermarkt kauft, muss detektivisches Gespür mitbringen, um herauszufinden, wo und wie das Tier gelebt hat, bevor es pfannenfertig zerlegt in der Styroporverpackung gelandet ist.

Erster Versuch in einem willkürlich gewählten, gut sortierten Vollsortiment-Supermarkt im Verbreitungsgebiet: An der Fleischtheke spielt sich eine skurrile Szene ab. Auf die Frage, was der Unterschied zwischen dem argentinischen und dem deutschen Rinderhüftsteak sei, antwortet die Fleischereifachverkäuferin nur schlicht: „Der Preis!“.

Das Nachhaken, aus welcher Art von Haltung das deutsche Steak denn stamme, löst bei ihr verzweifeltes Augenrollen und einen Hilfe suchenden Blick zur Kollegin aus. „Das kommt von Rasting“, weiß die immerhin, „da stehen die Rinder, soweit ich weiß, im Freien.“ Weiß sie nicht, wie die Nachfrage in der Meckenheimer Zentrale des Fleischhändlers zeigt: Fleisch, das Rasting – das Fleischwerk der Edeka-Gruppe Rhein-Ruhr – an Supermarktfilialen in der Region liefert, stammt „schwerpunktmäßig aus Westfalen und Niedersachsen“, wie Detert Brinkmann, der Beauftragte des Unternehmens für Tierwohl und Nachhaltigkeit, angibt

„Bei Fleisch aus der Frischetheke gibt es eine breite Variante an Haltungsbedingungen, die von einstreulosen Vollspaltböden bis hin zu Tretmistställen reicht, wo die Tiere auf Stroh stehen“, erklärt er. Wie das Tier gehalten wurde, von dem das Fleisch in der Frischetheke stammt, ist für den Kunden nicht nachzuvollziehen. Nur von einem kann er ausgehen: Weidehaltung ist es selbst bei Bioware in der Regel nicht. Die herrscht beim südamerikanischen Rind vor, das Rasting vom Großhändler Maredo bezieht. Deutsches Rindfleisch stammt bei Edeka von heimischen Jungbullen, die der Großhändler Westfleisch liefert.

Zweiter Einkaufsversuch beim Discounter: Hier gibt es kein Fachpersonal, dem man blöde Fragen stellen könnte – Selbstbedienung ist angesagt. In der Kühltheke stapeln sich eingeschweißte Fleischportionen der Hausmarke, die Verpackung wirbt groß mit „deutschem Qualitätsfleisch“. Hinter der Zulassungsnummer, die auf dem ovalen Genusstauglichkeitskennzeichen auf der Rückseite angegeben ist (siehe Kasten „Verbraucher“), verbirgt sich laut Internetrecherche die Firma Tillman's in Rheda-Wiedenbrück (Nordrhein-Westfalen).

Das Tochterunternehmen des größten deutschen Fleischkonzerns Tönnies liefert „Frische-Convenience“, also abgepacktes und vorportioniertes Fleisch. Wer sein Smartphone auf den QR-Code richtet, erfährt zudem, dass dieses Schweinekotelett in Sachen Nachhaltigkeit mit der Note „sehr schwach“ bewertet wird. Auf den eingeschweißten Rinderbeinscheiben klebt das Etikett „vom deutschen Jungbullen“.

Die Identnummer führt zu Westfalenland Fleischwaren in Münster/ Westfalen, einer 100-prozentigen Tochter von Westfleisch, Nummer vier unter den deutschen Fleischproduzenten. Bilanz nach zwei Supermarktbesuchen: Wer wissen will, was auf seinem Teller landet, muss Verpackungen studieren, im Internet recherchieren und sich zum ausfindig gemachten Hersteller durchtelefonieren.

In unserem Fall ergab die Nachforschung, dass – ungeachtet von Qualität und Preis – der Lieferant des Rindfleischs beim Discounter und in der Frischetheke (Zufall oder nicht?) derselbe ist.

Nicole Mieding