RZ-KOMMENTAR: Anerkennung des Völkermords an Sinti und Roma kommt spät

Rena Lehmann
Rena Lehmann Foto: Jens Weber

Rena Lehmann zur neuen Gedenkstätte in Berlin

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Rena Lehmann zur neuen Gedenkstätte in Berlin

Rund 70 Jahre hat es gedauert bis auch das Leid der Sinti und Roma während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland sichtbar anerkannt wird. Heute wird unweit des Reichstages in Berlin ein großes, rundes Wasserbecken enthüllt, in dessen Mitte jeden Tag eine frische Blume an die in Konzentrationslagern gequälten und getöteten Frauen, Männer und Kinder erinnern soll. Die Geste kommt spät, sie war längst überfällig.

Erste Reaktionen zeigen, dass um das richtige und angemessene Gedenken an die Opfer der NS-Zeit bis heute gerungen wird. Es bleibt ein hochsensibles Thema. Und doch haben die Berliner, die beim Vergeben von Spitznamen für bedeutende Bauwerke nicht zimperlich sind, die 2,8 Millionen Euro teure Stätte bereits abschätzig „Gedenkpfütze“ getauft. Im Vergleich zum Holocaust-Mahnmal für die in den Konzentrationslagern ermordeten Juden, das ganz nah am Potsdamer Platz auf einer Fläche von 19 000 Quadratmetern im Jahr 2005 eröffnet wurde, wirkt die Stätte für die Sinti und Roma in der Tat bescheiden. Aber kann man großes Leid nur in einem großen Denkmal erfassen? Eine Gedenkstätte ist doch vor allem für die Angehörigen ein Ort der Anteilnahme und des stillen Gedenkens. Auch sollte sie Ort der Anerkennung des erfahrenen Leids sein. Sie kann nichts ungeschehen oder gutmachen, sondern im besten Fall ein Stück Würde zurückgeben. Dass dies Roma und Sinti in Deutschland erst so sehr viel später erfahren haben als andere Opfer des Holocausts, bleibt nicht nachvollziehbar. Auf die erbarmungslose Verfolgung Hunderttausender Sinti und Roma während der NS-Zeit folgten Jahrzehnte der Ignoranz und eine immer wieder aufs Neue erniedrigende Debatte über Opfer erster und zweiter Klasse. Erst 1982 nahm der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt das Wort Völkermord auch mit Blick auf diese verfolgte Minderheit in den Mund. 30 Jahre später wird nun das Denkmal eingeweiht. Zuletzt wurde sein Bau verzögert, weil sich Opferverbände nicht einigen konnten. Um richtiges Gedenken wird gerungen. Das zeigt, was es den Betroffenen bedeutet, bis heute. Auch der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma betont, dass das Denkmal für Sinti und Roma in Deutschland gebraucht wird. Die Anerkennung des Leids durch Gedenken ist Voraussetzung für ein Zusammenleben auf Augenhöhe in der Gegenwart. Sie ist eine große Chance.

E-Mail: rena.lehmann@rhein-zeitung.net