Berlin

RZ-INTERVIEW Wirtschaftsweiser Bofinger: „Das ist naiv“

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger zum ESM im Gespräch mit unserer Zeitung:

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Berlin. Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger zum ESM im Gespräch mit unserer Zeitung:

  • Finanzminister Schäuble sieht den Euro gefährdet, sollte das Verfassungsgericht den ESM stoppen oder verzögern. Wie sehen Sie das?

Herr Schäuble hat völlig recht. Wir haben jetzt schon eine sehr labile Situation im Euro-Raum. Die Risikoaufschläge für Spanien erreichen wieder eine sehr kritische Höhe. Würden die Richter den ESM stoppen oder auf die lange Bank schieben, wäre das ein gravierender Schock für den Euro-Raum.

  • Wir haben doch den EFSF, der Krisenländer in der Zwischenzeit auffangen könnte, sagen die Kläger.

Der EFSF hat schon viele Mittel verbraucht und hätte daher im Krisenfall nur noch wenig Spielraum. Absurd ist, dass wir uns vor Gericht über etwas streiten, von dem jetzt schon klar ist, dass es im Notfall nicht ausreichen wird: Weder der EFSF noch der ESM wären groß genug, wenn Spanien und/oder Italien gerettet werden müssten. Deshalb hat der Sachverständigenrat ja den Schuldentilgungspakt vorgeschlagen. Der Pakt würde endgültig klarmachen, dass es sich nicht lohnt, gegen den Euro zu spekulieren.

  • Peter Gauweiler argumentiert, dass der ESM bedeutet, dass Deutschland in eine Transfer- und Haftungsunion einwilligt.

Wir sind ja schon mit dem EFSF und den Griechenlandhilfen in Haftung gegangen. Wer glaubt, dass man diese systemische Krise des Euro-Raums überwindet ohne jegliche Haftung für andere Länder, ist naiv.

  • Wie sieht Ihr Befund zum ESM aus?

Das Problem der Bundesregierung ist, dass sie bei den Bürgern den Anschein erweckt, wir würden anderen Ländern auch dann helfen, wenn sie nichts dafür tun. Die Regierung sollte statt dessen über die Spar- und Reformanstrengungen in diesen Ländern aufklären, was nicht bedeutet, dass es da nicht noch vieles zu verbessern gibt.

Die Fragen stellte unsere Berliner Korrespondentin Birgit Marschall