Rheinland-Pfalz

RZ-INTERVIEW mit Präsident Mertes: Landtag muss sich erneuern – aber wie?

Die barocke Fassade des Landtags ist zwar restauriert, aber drinnen ist das Parlamentsgebäude mit seinen Nachkriegskabeln und total veralteten Rohren so in die Jahre gekommen, dass es generalsaniert werden muss. Landtagspräsident Joachim Mertes (SPD) will deshalb bei der auswärtigen Sitzung am 12. Juni im modernen Berlin mit dem Ältestenrat besprechen, welche Umbau-Dimensionen die Fraktionen für notwendig halten und mit welchen Investitionen sie sich anfreunden könnten.

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Rheinland-Pfalz. Die barocke Fassade des Landtags ist zwar restauriert, aber drinnen ist das Parlamentsgebäude mit seinen Nachkriegskabeln und total veralteten Rohren so in die Jahre gekommen, dass es generalsaniert werden muss.

Sogar der Brandschutz ist nur noch in engen Grenzen garantiert, wie eine schmale Leiter an der Terrasse mahnend zeigt. Landtagspräsident Joachim Mertes (SPD) will deshalb bei der auswärtigen Sitzung am 12. Juni im modernen Berlin mit dem Ältestenrat besprechen, welche Umbau-Dimensionen die Fraktionen für notwendig halten und mit welchen Investitionen sie sich anfreunden könnten. Offen ist noch, ob sich die Volksvertreter für eine große, sprich grundlegende Lösung oder eine kleine entscheiden.

Der Plenarsaal, vor genau 25 Jahren unter der Präsidentschaft von Heinz-Peter Volkert (CDU) umgebaut und damals absolut modern, braucht zum Silberjubiläum auch ein Lifting. Denn dort herrscht nicht nur sprichwörtlich sehr schnell dicke Luft. Auch Nichtraucher drängt es zuweilen auf die Terrasse.

Wir sprachen mit Landtagspräsident Mertes über die neuen Pläne für das historische Deutschhaus.

  • Am 3. Juni 1987 titelte unsere Zeitung: „Das Hohe Haus ist eine runde Sache“. Seit dieser Premiere sitzen sich nach angelsächsischem Vorbild Regierung und Opposition auf kreisförmig angeordneten Plätzen auf Augenhöhe gegenüber. Auch Hinterbänkler fühlen sich in dem Rund noch mittendrin. Kam da 1987 Aufbruchstimmung auf? Dass die Gewalten auf einer Ebene sitzen, war in deutschen Parlamenten damals ganz neu. Andere folgten dem Mainzer Vorbild.

Das war schon ein deutlich demokratischeres Parlamentsgefühl. Vorher thronte die Regierung auf ganz hohen Stühlen über den Abgeordneten in der Tiefe. Die Schreinerei Noll aus Fachbach an der Lahn war auch so vorausschauend, dass sich je nach Anzahl und Stärke der Fraktionen die Sitze für die 101 Abgeordneten verschieben lassen. Das hat sich schon bewährt.

  • Hat die neue Architektur auch die Redekultur verändert und die Debatten lebendiger gemacht? Jedenfalls wurde dies 1987 erhofft, zumal damals viele redegewaltige Politiker am Mikrofon standen.

Wir hatten gewünscht, dass an jedem Platz auch ein Mikrofon steht, um mündliche Anfragen zu stellen und damit die Debatte auch lebendiger zu gestalten. Die Mikrofone sind da. Die Hoffnung nach einer lebendigeren Debatte hat sich aber nicht erfüllt: Bis heute wird von vorn gesprochen. Also: Neues Mobiliar verändert nicht immer die Redekultur. Aber wir haben uns inzwischen auch einige neue Regeln gegeben. Dazu gehört es, dass die Regierung nicht endlos reden kann, sondern das Parlament zeitlich gleichzieht.

  • Wie wirkt sich die Enge aus? Da ist doch ein Zwischenruf gut zu hören, und der Redner kann parieren.

Die Atmosphäre ist viel emotionaler, teils auch viel gereizter als im großen Bundestag. Im Landtag sieht jeder das Weiße im Auge des anderen. Die Nähe macht vieles auch bitterer.

  • Ist der Landtag denn baulich noch eine „runde Sache“ oder muss er nicht wie bereits die benachbarte Staatskanzlei drinnen runderneuert werden?

Darüber werde ich mit dem Ältestenrat bei der Sitzung in Berlin sprechen. Denn die Brandschutzdecken halten nur 30 Minuten. Die Kabel wie auch die Wasser- und Abwasserrohre stammen noch aus der Nachkriegszeit. Die sanitären Anlagen sind veraltet, die Heizungsanlagen auch. In einigen Büros ist es im Winter zu kalt und im Sommer leicht über 30 Grad heiß. Es fehlen nicht nur im Plenarsaal oder im Restaurant Klimaanlagen. Dabei besuchen den Landtag im Jahr 30 000 Gäste. Uns fehlen auch Besprechungsräume. Aber: Über den Renovierungsaufwand kann ich nicht entscheiden, sondern dies ist Aufgabe des Parlaments.

  • Beim Umbau vor 25 Jahren ist der Landtag in den Eltzer Hof umgezogen. Steht dies auch wieder bevor?

Das ist zu entscheiden, wenn der Grundsatzbeschluss gefallen ist. Aber wir haben schon einmal Szenarien durchgespielt. Möglicherweise tagt der Landtag für eine gewisse Zeit in der Rheingoldhalle. Die Verwaltung könnte in die Räume in der Nähe des Bahnhofs umziehen, die schon die Staatskanzlei während der Modernisierungsarbeiten genutzt hat.

  • Vor 25 Jahren kostete der Umbau des Landtags rund 3 Millionen Euro. Mit welchen Investitionen rechnen Sie heute?

Das müssen die Fraktionen entscheiden.

  • Wäre es bei allem Stress für Sie nicht auch schön, als Präsident mit Erfahrung den nächsten Generationen ein modernes Parlament für Rheinland-Pfalz zu übergeben? Für jemanden, der neu ins Amt kommt, ist doch so ein Vorhaben erst einmal Horror. Oder?

Da könnten Sie Recht haben.

  • Sie sind seit 1983 im Landtag. Wie hat er sich verändert?

Wenn Sie auf die Berufe schauen, stellen Sie fest: Die soziale Zusammensetzung hat sich stark verändert. Das muss kein Nachteil sein. Fakt aber ist: Außer dem neuen Abgeordneten und gelernten Straßenwärter Benedikt Oster kommen nur noch Kurt Beck (gelernter Elektromechaniker) und ich (gelernter Bäcker) aus handwerklichen Berufen.

  • In den umgebauten Plenarsaal zogen vor 25 Jahren vier Fraktionen ein. Wagen Sie die Prognose, wie viele es 2016 sein werden? Kommen auch Piraten rein?

Eine Prognose wäre vermessen. Aber in Rheinland-Pfalz läuft man traditionell nicht sofort jedem neuen Trend hinterher.

Von unserer Redakteurin Ursula Samary