Berlin/Erfurt

RZ-INTERVIEW mit CDU-Ministerpräsidentin Lieberknecht: Niedriglohn kann nicht Normalität werden

Die thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) betrachtet Niedriglöhne als nicht zeitgemäß.

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Sie hält für realistisch, dass die Bundesländer sich noch in diesem Jahr auf einen Gesetzentwurf für einen flächendeckenden Mindestlohn einigen. Danach müsste der Bundestag entscheiden.

Warum kämpfen Sie jetzt für einen Mindestlohn?

Das Thema ist ja auch für die Union nicht neu. Wir haben auf unserem letzten Parteitag einen Beschluss gefasst, wonach wir Lohnuntergrenzen einführen wollen. Wir haben nun in Thüringen mit vielen Sachverständigen aus der Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Bereichen ein Ergebnis erarbeitet. Wir wollen den Mindestlohn aber nicht vorschreiben, sondern von einer Kommission ermitteln lassen. Damit stärken wir die Tarifpartner. Es kann nicht Normalität in Deutschland sein, dass 20 Prozent der Beschäftigten im Niedriglohnbereich arbeiten und es immer mehr werden. Die große Mehrheit der Bevölkerung ist der Ansicht, dass es hier einen Schutz geben muss.

Aber Ihr Vorschlag geht weit über den CDU-Parteitagsbeschluss hinaus ...

Es hat Differenzierungen gegeben, das ja. Aber wir legen ja auch nicht den Entwurf einer CDU-Alleinregierung vor. Im Rahmen des Machbaren hat es diese Einigung mit unserem Koalitionspartner SPD gegeben. Politik lebt vom Kompromiss.

Was ist Ihr Ziel bis Ende des Jahres?

Mein Ziel ist es, dass der Bundesrat parteitaktische Überlegungen hinten anstellt und eine sachbezogene Debatte über Mindestlöhne führt. In den Ausschüssen werden wir uns noch über viele Details einig werden müssen. Aber ich gehe davon aus, dass wir bis zum Jahresende einen Gesetzentwurf des Bundesrats zum Mindestlohn verabschieden werden, über den dann der Bundestag entscheiden muss.

Experten behaupten, dass Branchenmindestlöhne gerade in Ostdeutschland bereits Arbeitsplätze vernichtet hätten. Warum kommen Sie zu anderen Ergebnissen?

Diese Aussage ist definitiv nicht richtig. Gerade aus dem Handwerk habe ich sehr viel Zustimmung für die Mindestlohn-Initiative erfahren. Sie sagen: Ein Mindestlohn schützt uns vor der Konkurrenz der Billiganbieter.

Im Bund regiert Ihre Partei allerdings mit der FDP, die den Mindestlohn ablehnt.

Ich erwarte, dass sich alle politisch Verantwortlichen der Lebenswirklichkeit der Menschen in unserem Land stellen. Auch in der FDP vertreten einige die Ansicht, dass man gegen die steigende Zahl von Arbeitnehmern, die zu Niedriglöhnen arbeiten müssen, während die Wirtschaft weiterhin wächst, etwas tun muss. Da sehe ich durchaus auch Kompromissbereitschaft.

Das Gespräch führte Rena Lehmann