Rückpass: Der unerfüllte Traum von den blühenden Fußball-Landschaften

Sven Sabock blickt auf den Ost-Fußball im wiedervereinigten Deutschland

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Heute, 20 Jahre nachdem Ost und West wieder zu einem Volk geworden sind, wissen wir, dass es mit den blühenden Landschaften im Osten der Republik nicht so recht geklappt hat. Die Aufbruchstimmung ist vielerorts der Depression gewichen, da macht der Fußball keine Ausnahme. Der Mauerfall als Trauerfall. Dort, wo Dynamo Dresden zu DDR-Zeiten die Massen ins Stadion lockte, ist ein Vorzeige-Verein zum Sanierungsobjekt geworden. Nicht viel besser sieht es in Rostock aus, die Leipziger Klubs haben gar schon vier Pleiten über sich ergehen lassen müssen. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen.

Die Ursachen dafür sind leicht nachvollziehbar. Weil die Klubs häufig nur so gesund wie ihr wirtschaftliches Umfeld sind, haben es derzeit gerade mal drei Ostklubs (Union Berlin, Cottbus, Aue) in Liga zwei geschafft. Ein anderer, wie der 1. FC Magdeburg, schafft es trotz neuem Stadion einfach nicht, aus der Regionalliga rauszukommen.

Erschwerend hinzu kommt, dass etliche Klubs zu Beginn der 90er-Jahre das Opfer von Bauernfängern geworden sind, die das schnelle Geld gewittert und verbrannte Erde hinterlassen haben – der Fußball als Versuchsfeld des Turbokapitalismus. Dumm nur, dass jene, die den Heuschrecken entgingen, ebenfalls nicht das kleine Einmaleins des Haushaltens beherrschten: nämlich nur so viel Geld auszugeben, wie in der Kasse ist.

Und wer wollte es obendrein den ambitionierten Kickern von „drüben„ verübeln, dass sie dem Lockruf des West-Geldes erlegen sind? Während die Menschen-Massen in Berlin die Mauer erklommen, nutzte ein findiger Manager namens Reiner Calmund die Gunst der Stunde und nahm Andreas Thom gleich bis Leverkusen mit. Viele Stars des Ostens folgten, den ausgebluteten Vereinen blieb nur die Erinnerung an die ruhmreiche Vergangenheit.

So weit, so schlecht. Weil sich nun mal nicht von heute auf morgen reparieren lässt, was über Jahre schiefgelaufen ist, regiert vielerorts die Tristesse. Und doch gibt es positive Beispiele, wie es funktionieren kann. Man nehme zum Beispiel das Provinzstädtchen Aue, wo sich die Erzgebirgler gleichsam wie einst die Gallier gegen alle Widrigkeiten behauptet und zu einem Vorzeigeverein gemausert haben. Weil es dem Klub immer wieder gelungen ist, der „Mannschaft neue Kader zuzuführen“, wie dort der einstmals mächtige Präsident Leonhardt verkündete. Dank der Wagenburg-Mentalität ist der Klub bodenständig geblieben, eine Eigenschaft, die man etlichen Vereinen wünschen würde. Glückauf im Erzgebirge.

Wie es gehen kann, zeigt sich auch in Berlin-Köpenick. Dort haben die Fans das Stadion von „Eisern Union„ in Eigenregie renoviert und damit ihren Teil dazu beigetragen, den Kult-Klub vor dem Untergang zu bewahren. Ganz nebenbei: Die ebenso friedfertige wie spezielle Atmosphäre in der „Alten Försterei“ sucht ihresgleichen.

Auch für die Metropole Leipzig gibt's noch Hoffnung – wenn auch aus der Retorte: Dort hat das Brause-Imperium Red Bull neben Salzburg und New York eine Dependance aufgebaut, die alsbald aus der Regionalliga den Weg in den großen Fußball finden soll. Frei von Tradition, aber eben mit viel Geld.

Noch etwas darf beim (Rück-) Blick auf den Fußball im östlichen Teil der Republik nicht fehlen. Die Szene wäre ärmer ohne Originale, wie zum Beispiel Trainer-Kauz Hans Meyer („Im Fußball baut man dir schnell ein Denkmal, aber genauso schnell pinkelt man es an„) oder Eduard Geyer („Gegen mein Training ist die Bundeswehr wie Urlaub“). Ohne Matthias Sammer wäre Deutschland 1996 möglicherweise gar nicht Europameister geworden, jetzt erklärt er uns als Sportdirektor des DFB das Spiel.

Trotz der Erfolge, die Sammers Wirken mit sich bringt, wird es allerdings nicht so weit kommen, wie es uns Franz Beckenbauer im Herbst 1990 prophezeit hatte: dass die Nationalmannschaft dank des Zuwachses aus dem Osten auf Jahre nicht zu besiegen sein würde.

Es sollte ein schöner Traum bleiben. So wie der von den blühenden Landschaften.