Wiesbaden

Roland Koch: Leitwolf und Reizfigur

Roland Koch hat zum letzten Mal die Glocke geläutet: Am vergangenen   Montag leitete er noch einmal die Sitzung des hessischen Kabinetts, am   Dienstag tritt er als Ministerpräsident des Landes zurück. Koch sucht   neue Herausforderungen in der Wirtschaft.
Roland Koch hat zum letzten Mal die Glocke geläutet: Am vergangenen Montag leitete er noch einmal die Sitzung des hessischen Kabinetts, am Dienstag tritt er als Ministerpräsident des Landes zurück. Koch sucht neue Herausforderungen in der Wirtschaft. Foto: dpa

Bundeskanzler ist er nicht geworden. Doch sonst hat Roland Koch so ziemlich alles erlebt. Nun scheidet der hessische Regierungschef aus der Politik aus.

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Wiesbaden – Bundeskanzler ist er nicht geworden. Doch sonst hat Roland Koch so ziemlich alles erlebt. Nun scheidet der hessische Regierungschef aus der Politik aus.

Wenn Roland Koch am 31. August aus der Politik ausscheidet, endet eine außergewöhnliche Karriere: fast vier Jahrzehnte CDU-Parteipolitik, 23 Jahre im hessischen Landtag, 12 Jahre als Landesvorsitzender, 11 Jahre als Ministerpräsident. Vier Jahre war Koch als CDU-Bundesvize einer der stärksten Unterstützer und zugleich einer der schärfsten Rivalen von Parteichefin Angela Merkel.

1999 stieg der Wirtschaftsjurist aus Eschborn bei Frankfurt zum hessischen Ministerpräsidenten auf. Er erkämpfte sich das Amt mit einer umstrittenen Kampagne gegen rot-grüne Pläne zur doppelten Staatsbürgerschaft – ausländerfeindliche Töne klangen dabei mit.

Kurz darauf flogen schwarze Kassen bei der Hessen-CDU auf. Koch versprach „brutalstmögliche Aufklärung„, sagte aber selbst die Unwahrheit und überlebte den Skandal politisch nur knapp. Damit stand sein Image als Reizfigur und Polarisierer fest. Zugleich erlebten ihn Freunde wie Feinde über die Jahre als große Begabung in der deutschen Politik.

Politik am Familientisch

Trotz der langen Karriere ist Koch (52) beim Abschied noch jung. Er startete auch früh: Schon als Kind erlebte er am Familientisch parteipolitische Diskussionen, die sein Vater Karl-Heinz Koch, selbst einst Justizminister im Land, führte. Als Teenager gründete Koch junior den Eschborner Ortsverein der Schülerunion.

Trotzdem sagte er im Mai bei der überraschenden Ankündigung seines Rücktritts: „Politik ist nicht mein Leben.“ Koch will sich jetzt in der Wirtschaft versuchen. Um Hessen soll sich sein Freund Volker Bouffier als CDU-Chef und Ministerpräsident kümmern.

Bundeskanzler ist Koch nicht geworden, auch wenn es früh über ihn hieß, er habe „auf Kanzler studiert„. In den entscheidenden Momenten kamen er und die anderen Unions-Männer nicht an Merkel vorbei. Auch Bundesminister wurde er nicht und beteuert, dies nie angestrebt zu haben. Stattdessen tröstete Koch sich mit dem Einfluss im Bund, den er von Wiesbaden aus als Ministerpräsident und Unions-Vize ausübte.

Immer wieder zettelte Koch mit scharfen Tönen deutschlandweite Debatten an. In diesem Jahr verlangte er erst eine Arbeitspflicht für Hartz-IV-Empfänger, dann wollte er Bildung und Familien bei den notwendigen Kürzungen nicht ausnehmen. „Um in Deutschland Nachdenklichkeit zu produzieren, muss man eine Menge Empörung produzieren“, rechtfertigte er sich.

Für Wulff gekämpft

Der Bundesregierung drohte er ein hessisches Veto an. Darauf musste die Betreuung von Langzeitarbeitslosen nicht mit einem Gesetz, sondern durch eine Grundgesetzänderung geregelt werden. Berichten zufolge war es auch Koch, nicht Merkel, der schwankende CDU-Vertreter überzeugte und die Mehrheit für Christian Wulff bei der Bundespräsidentenwahl rettete.

Sein Heimatland Hessen hat Koch mit ehrgeizigen Projekten („Hessen vorn") regiert: Alles sollte moderner, schlanker, besser werden, um zu den süddeutschen Ländern Baden-Württemberg und Bayern aufzuschließen. Erfolge gab es im Kampf gegen die Kriminalität. Hessens Schulen wurden besser mit Lehrern ausgestattet. Kochs Regierung setzte den Ausbau des Frankfurter Flughafens durch. Die hessischen Landesschulden kletterten unter Koch allerdings von etwa 20 Milliarden auf mehr als 35 Milliarden Euro. Bouffier soll nun ab 2011 sparen.

Laute Töne bevorzugt

In der einstigen SPD-Hochburg Hessen statteten die Wähler die Union 2003 mit einer absoluten Mehrheit aus. Als der nächste Wahlkampf Ende 2007 nicht gut lief, schlug Koch wie gewohnt laute Töne an. Er forderte härtere Strafen für kriminelle junge Ausländer. Die CDU stürzte auf 36,8 Prozent ab. Koch blieb nur deshalb an der Macht, weil die SPD keine Regierung bilden konnte. Bei der Wahl 2009 kam die Union dann auf 37,2 Prozent, die Mehrheit sicherte eine starke FDP.

Vermutlich waren es auch diese Zahlen, die Koch bewogen, nicht noch einmal zu kandidieren, sondern zu einem selbst gewählten Zeitpunkt auszuscheiden. Bouffier hat nun etwa drei Jahre Zeit, die hessische Union für die nächste Hessen-Wahl aufzustellen.

Friedemann Kohler