Rösler verteidigt standhaft seinen Systemwechsel

Berlin. Die Sozialverbände schossen sich schon am Morgen auf Philipp Rösler ein. In einer gemeinsamen Pressekonferenz geißelten sie die Gesundheitsreform des zuständigen FDP-Ministers als „hochgradig“ unsozial und falsch. Ähnlich wetterten Oppositionsparteien und Krankenkassen. Von einer „Notoperation“ sprach etwa der AOK-Bundesverband.

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Von unserem Berliner Korrespondenten Stefan Vetter

Berlin – Die Sozialverbände schossen sich schon am Morgen auf Philipp Rösler ein. In einer gemeinsamen Pressekonferenz geißelten sie die Gesundheitsreform des zuständigen FDP-Ministers als „hochgradig“ unsozial und falsch. Ähnlich wetterten Oppositionsparteien und Krankenkassen. Von einer „Notoperation“ sprach etwa der AOK-Bundesverband.

Dafür wirkte der Gescholtene allerdings sehr gesund und gelassen. Wenn man wisse, dass man sowieso von jeder Seite kritisiert werde, könne man auch tun, was man selbst für richtig halte, meinte Rösler. Seine Mitteilung zu dem vom Bundeskabinett verabschiedeten Reformgesetz trug dann auch eine scheinbar provozierende Überschrift: „Transparent, stabil und gerecht.“

Dabei weiß der Niedersachse selbst am besten, dass nicht alle Blütenträume wahr geworden sind, die er noch vor rund einem Jahr bei seiner Berufung zum gesundheitspolitischen Hoffnungsträger des schwarz-gelben Kabinetts hatte. Das System werde unter seiner Regie „besser, aber nicht teurer“, zeigte er sich damals überzeugt. Mit der gleichen Gewissheit versucht der frühere Sanitätsoffizier der Bundeswehr nun zu erklären, warum der allgemeine Beitragssatz steigen muss.

Gesundheitspolitik ist in erster Linie ein Reparaturbetrieb. Das mussten schon Röslers Amtsvorgänger erfahren, die allesamt hochtrabende Reformpläne im Kopf hatten und sich dann doch weitgehend mit kostendämpfenden Maßnahmen herumschlugen. Rösler ist es immerhin gelungen, der von vielen angefeindeten „Kopfprämie“ endgültig zum Durchbruch zu verhelfen.

Die hatte auch die CDU bereits auf ihrem Leipziger Parteitag vor sieben Jahren zum gesundheitspolitischen Heilmittel erklärt. Doch wegen des geballten öffentlichen Widerstands wollte sie lange Zeit nichts mehr davon wissen. Ihrer Schwesterpartei CSU gingen einkommensunabhängige Beiträge schon immer gegen den Strich. In dieser Gemengelage waren die zehn Regierungsmonate bis zum jetzigen Reformbeschluss sogar von offener Feindschaft geprägt.

CSU und FDP beschimpften sich wechselseitig als „Wildsau“ und „Gurkentruppe“, und Rösler machte dabei alles andere als eine gute Figur. Zeitweise sah es so aus, als würde die Reform nur noch zwischen den Parteichefs der Koalition ausgeheckt. Doch für Rösler ist das Schnee von gestern.

Viel Ehr wird ihm seine Standhaftigkeit beim finanziellen Systemwechsel trotzdem nicht einbringen. Wer ist schon für Beitragserhöhungen? Als der stets freundliche und eloquente Liberale spitzbübisch gefragt wurde, ob man den Zusatzbeitrag künftig „Rösler-Prämie“ nennen solle, winkte er dankend ab.

Sein Modell hat ohnehin einen entscheidenden Haken. Zwar sollen alle Versicherten einen sozialen Ausgleich bekommen, die vom Zusatzbeitrag überfordert werden. Aber die nötigen Steuermilliarden sind im Gesetz nur bis Ende 2014 berücksichtigt. Was danach kommt, steht in den Sternen. Doch gerade dann wird der Zusatzbeitrag nach allen Vorhersagen noch deutlich zulegen.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte deshalb einst vorgeschlagen, den Solidarzuschlag in einen „Gesundheitssoli“ umzuwidmen. Bei den Liberalen, die den „Soli“ am liebsten schon vor Jahren ganz abgeschafft hätten, biss er damit auf Granit. Doch auch das ficht Rösler nicht an. Die Erfahrung zeige, dass man „schrittweise vorgehen“ müsse. „Und bis 45 habe ich ja noch ein bisschen Zeit.“ In diesem Alter, so gab Rösler vor Monaten zu Protokoll, will er sich von der Politik verabschieden. Bis dahin hat er noch acht Jahre Zeit. Im Haifischbecken Gesundheitspolitik ist das eine Ewigkeit.