Ring-Drama Teil IV: Smarter Investor war von Anfang an klamm

Kai Richter
Kai Richter - der alerte Investor vom Ring, dem das Land von Anfang an finanziell einschenken musste. Foto: Thomas Frey

Rheinland-Pfalz – Mit Kai Richter ist nicht gut Kirschen essen. Zumindest nicht, wenn man ihn kritisiert. Er gilt bis heute als der große private Geldgeber am Nürburgring – allerdings nur dank enormer Landeshilfe. Der smarte Investor: Teil 4 unserer Serie DAS RING-DRAMA.

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Kai Richter ist als Chef der Mediinvest Hauptverantwortlicher für den privaten Teil beim Ausbau am Nürburgring - Firma ist heute mit 85,5 Millionen Euro vom Land abgesichert

Mit Kai Richter ist nicht gut Kirschen essen. Zumindest nicht, wenn man ihn kritisiert. Er gilt bis heute als der große private Geldgeber am Nürburgring - allerdings nur dank enormer Landeshilfe. Der smarte Investor: Teil 4 unserer Serie DAS RING-DRAMA.

Er kam an den Ring, sah und siegte: Als der ersehnte Privatinvestor wurde der Düsseldorfer Unternehmer Kai Richter mit offenen Armen empfangen. Rund 80 Millionen Euro will er aufbringen, um das Vier-Sterne-Hotel, ein Erlebnisdorf mit Drei-Sterne-Hotel und ein Feriendorf mit rund 100 Häusern hochzuziehen. Doch ist Kai Richter wirklich der finanzstarke und erfahrene Investor, als der er sich der Nürburgring GmbH präsentiert hat? Daran gibt es durchaus Zweifel.

Rückblende: 2007 wollen Landesregierung und Nürburgring GmbH beim Ausbau des Nürburgrings nicht kleckern, sondern klotzen. Die zu 90 Prozent landeseigene Nürburgring GmbH plant eine Riesen-Arena, eine Motorsport-Erlebniswelt, einen Boulevard und die schnellste Achterbahn der Welt. Doch es gibt da auch noch eine politische Vorgabe der Landesregierung: Die Hälfte des Gesamtausbaus sollen private Investoren stemmen. Die Ring GmbH verhandelt unter anderem mit dem niederländischen Unternehmen Roompot, das 100 Ferien- und Campingparks betreibt. Auch die wirtschaftlich potente Hotelkette Ramada signalisiert Interesse. Doch Roompot springt schließlich ab - nach eigenen Angaben wegen Zweifeln an der Finanzkraft der Ring GmbH -, Ramada erhält eine Absage vom Ring. Denn inzwischen ist eine bis dato kaum bekannte Firma auf den Plan getreten: die „Mediinvest GmbH“ aus Düsseldorf mit ihrem Geschäftsführer Kai Richter.

Richter hat, so erzählt er später, selbst den Kontakt zum Ring gesucht. Zum zweiten Treffen mit Ring-Vertretern bringt er eine Video-Präsentation mit. Er schlägt vor, das bisherige Konzept zu ändern: Ein Feriendorf an der Rennstrecke habe keinen Sinn. Stattdessen schlägt er vor, in 100 Metern Luftlinie das heutige „Eifeldorf Grüne Hölle“ als Partyzone zu bauen und das Feriendorf drei Kilometer weiter in Drees. Damit beeindruckt er zuerst den (Ende 2009 gefeuerten) Ring-Geschäftsführer Walter Kafitz und dann den (damaligen) Aufsichtsratschef, Finanzminister Ingolf Deubel. Der ist froh über den „echten Investor in dem Sinne, dass er sich selbst engagiert und selbst betreiben will“.

Groß, blond, schlank

Im Herbst 2007 wird Richters Mediinvest Hauptanteilseigner der „Motorsport Resort Nürburgring GmbH“ (MSR). Richter wird Mit-Geschäftsführer der MSR sowie der Cash Settlement und Ticketing GmbH, die am Ring ein bargeldloses Karten-Bezahlsystem aufbauen soll.

Richter (42) ist eine schillernde Figur. Groß, blond, schlank, mit blauen Augen, entspricht er geradezu dem Klischee des gut aussehenden Teutonen und weiß dies in Verhandlungen einzusetzen. Der Familienvater schätzt einen luxuriösen Lebensstil. Er hat einen Pilotenschein und kann ein Motorboot führen. Seine Dienstwagen müssen etwas hermachen. In die karge Vulkaneifel hat es den smarten Geschäftsmann schon länger als Jäger gezogen. In dem 80-Seelen-Örtchen Kirsbach besitzt er ein Wochenenddomizil. Dort wird die Geschäftsadresse der MSR eingerichtet. Richter hat drei Jagdpachten in Kirsbach und Nachbargemeinden, drei Häuser hat er dort in den vergangen Jahren gebaut.

Für manche am und um den Ring ist er jedoch zur Hassfigur geworden. Ein Teil der alteingesessenen Gastronomen sieht in Richter die Verkörperung einer mit Steuergeldern gepäppelten Konkurrenz, vor der sie schon vor dem ersten Spatenstich gewarnt haben.

Frühere Arbeitgeber und Geschäftspartner beschreiben Richter als glänzenden Verkäufer mit einer ausgeprägten Begabung zur Präsentation und Selbstpräsentation. Richter stecke voller Ideen, sei „kreativ ohne Ende“ - aber eher in der Konzeptionsphase und weniger, wenn es an die Ausführung geht.

Dafür hat er seine Leute. „Ich hätte gern mit Paris Hilton über den Hotelstandort Nürburgring verhandelt“, witzelt er beim ersten Spatenstich für das Lindner-Kongress-Hotel im Frühjahr 2008. „Nun ist es Otto Lindner geworden“ - der Seniorchef der bekannten Hotelgruppe. Ebenfalls an Bord ist der österreichische Hotel-Projektierer „Geisler & Trimmel“, Richters Mitgesellschafter in der MSR. Er fungiert als Generalunternehmer für die Richter-Bauten. Es gilt als sein Verdienst, dass diese rechtzeitig zum Formel-1-Wochenende im Juli 2009 weitgehend fertig werden.

Richters beruflicher Werdegang auf der Internetseite von Mediinvest liest sich wie die Geschichte eines Selfmademan, eines Aufsteigers aus eigener Kraft. Seine Erstausbildung war die zum kammergeprüften Autoverkäufer. Die „Betriebswirtschaftliche Fachschule“ in Calw bei Stuttgart bildet als bundesweit einzige Kfz-Betriebswirte aus. Alsdann investiert Richter in seine Weiterbildung zum Chef an der „Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft“ in Überlingen am Bodensee, wo ein Seminar vierstellige Teilnahmebeiträge kostet. Noch keine 30 Jahre alt, wird Richter Prokurist bei einem Bauträgerunternehmen. Dort bleibt er nicht lange. Seine Wirkungsstätten wechseln relativ rasch, wobei die Auffassungen über die Art seiner früheren Aufgaben bis heute auseinandergehen. Im Jahr 1997 geht Richter laut Selbstauskunft „für die Dorint-Unternehmensgruppe nach Mallorca, wo er an der Entwicklung und dem Bau eines Golfresorts mitwirkt“. Das aber bestreitet auf Nachfrage die Unternehmensgruppe „Ebertz & Partner“, die eng mit Dorint kooperiert. Richter habe auf Mallorca „ausschließlich“ Kunden betreut, die sich für hochwertige Ferienwohnungen der Ebertz-Gruppe interessierten. Das würde bedeuten: Richter war nicht als Projektentwickler, sondern als Makler tätig. Richter hält dagegen: „Ich war für Dr. Ebertz und Partner im Rahmen der Vermarktung und Projektierung der Appartementanlage auf Mallorca inklusive Hotel und Golfplatz tätig. Hierfür gab es einen entsprechenden Beratungsvertrag (keinen Maklervertrag).“ Er habe den Kundenbedarf analysiert und damit „eine bedarfsgerechte Realisierung“ der Ferienwohnanlage überhaupt erst ermöglicht.

Scheitern in Spanien

Mit seinem ersten eigenen Unternehmen hat Richter wenig Glück. Als Minderheitsgesellschafter der „Solviva GmbH“ vertreibt er Ferienimmobilien unter spanischer Sonne. Doch das Gemeinschaftsprojekt mit der Corpus-Immobiliengruppe Köln schreibt wegen rückläufiger Nachfrage jedes Jahr sechsstellige Verluste. Mehrheitseigner Corpus macht den unrentablen Geschäftszweig Ende 2003 dicht. „Dabei sind alle Gesellschafter ihren Verpflichtungen nachgekommen“, betont Richter. Zurück in Deutschland, gründet er 2004 mit 25 000 Euro Stammkapital in Düsseldorf seine „Mediinvest“, die anfangs unter „Mediterraninvest“ firmiert. Noch 2008, als er schon am Ring aktiv ist, wirbt Richter auf der Mediinvest-Homepage mit Referenzen, die für seine Erfahrung in der Projektentwicklung sprechen sollen. Ring-Aufsichtsratschef Deubel fand das in einem Interview mit dem Südwestrundfunk „schon ganz beeindruckend“. Richter habe „eine ganze Reihe von Projekten im In- und auch im Ausland bereits hochgezogen“.

Einige Referenzen sind jedoch seither von Richters Homepage verschwunden. Beispielsweise die „Beratung bei der Entwicklung eines Luxus-Ferienresorts mit 1500 Villen und Appartements“ im spanischen Murcia an der Costa Calida. Richter und sein damaliger Geschäftspartner schenken sich nichts, wenn man sie heute danach fragt. Der Präsident des Ferien-Projektentwicklers „Key Resorts“ und Eigentümer des Golf- und Sport-Resorts, Ronald Ras, mailt auf Anfrage: „Herr Kai Richter hat nie an der Entwicklung eines unserer Projekte teilgenommen.“ Er habe lediglich versucht, für das Unternehmen als Makler tätig zu werden. Dafür seien ihm 100 000 Euro Vorschuss gezahlt worden, „wonach wir den Herrn Richter nie wieder gesehen haben“, schreibt Ras.

Es war ganz anders, versichert Richter: „Ich bin beratend für das Ferienresort in Murcia tätig geworden.“ Zusammen mit einem Mitarbeiter vor Ort habe er geprüft, ob Projektteile durch Fertighäuser realisiert werden konnten. „Das Ergebnis unserer Prüfung gefiel der Geschäftsführung dort nicht“, so Richter. Daraufhin hätten er und die ebenfalls beteiligte Unternehmensgruppe Lindner „die Reißleine gezogen und die Zusammenarbeit beendet“. Key-Resorts-Präsident Ras bleibt bei seiner Darstellung.

Wie immer es auch war: Wirklich etwas „hochzuziehen“, das sollte Richter erst am Nürburgring gelingen. Wie viel eigenes Geld er und „Geisler & Trimmel“ sowie „Weber Architekten“ eingebracht haben, hält er geheim. Gemeinsam mit den Partnern in der MSR sei es ein zweistelliger Millionenbetrag, lässt er sich bei einem Pressetermin entlocken. Anderen Quellen zufolge hat Richter allein sieben Millionen Euro im Projekt.

Steuergeld als Sicherheit

Dass der smarte Investor von Anfang an Landeshilfe braucht, erfahren Landtag und Öffentlichkeit erst im Nachhinein. Wenige Wochen nach dem ersten Spatenstich für das Vier-Sterne-Hotel im Frühjahr 2008 greift eine Tochtergesellschaft der landeseigenen Förderbank ISB der Mediinvest mit einer ersten stillen Beteiligung von 3,4 Millionen Euro unter die Arme. Der Mediinvest ist ein mündlich zugesagter Bankenkredit von rund 60 Millionen Euro weggebrochen. Schuld sei die Finanzkrise.

Im Herbst 2008 dann ein Alarmruf: Baustopp droht. Die Ring GmbH gibt der Mediinvest kurzfristig einen Drei-Millionen-Kredit. Frühjahr 2009: Ein Konsortialkredit mit der ISB soll Mediinvest aus der Patsche helfen. Doch die als Konsortialführer vorgesehene Privatbank verabschiedet sich kurzfristig aus dem Deal. Als Grund wird die kritische Berichterstattung über das Gesamtprojekt genannt.

Über Monate hinweg fließen weitere stille Beteiligungen - die letzte noch am Tag, als Finanzminister Deubel wegen der gescheiterten Privatfinanzierung für das Gesamtprojekt zurücktritt. Damit sind auch Pläne gestorben, dass die Privatbauten in den Genuss einer Refinanzierung durch reiche US-Investoren kommen. Stattdessen stecken in der Mediinvest mittlerweile 85,5 Millionen Euro, die in letzter Konsequenz mit Steuergeld abgesichert sind.

Was nun? Noch im Herbst 2009 glaubt Richter, seinen Komplex bis 2011 verkaufen zu können. Vorläufig findet er sich im „Zukunftskonzept“ der Landesregierung gleich doppelt eingebunden: Gemeinsam mit Lindner soll er in der künftigen Betriebsgesellschaft alle Ring-Angebote aus einer Hand vermarkten. Als Mitgesellschafter der MSR, die zur reinen Besitzgesellschaft wird, muss Richter den geplanten Kredit der ISB bedienen. Die wird aber die voraussichtlich benötigten 118 Millionen Euro für den privaten Teil nicht zu den gleichen supergünstigen Bedingungen vergeben wie die rund 223 Millionen Euro an die landeseigene Ring GmbH.

Dennoch schmiedet Richter neue Pläne. Noch während seine Mediinvest immer neue Landesstützen erhält, geht er in Österreich auf Einkaufstour. Im Januar 2009 erwirbt er über eine Tochterfirma für 1,2 Millionen Euro ein großes Baugrundstück von der Gemeinde Kössen in Tirol. Ein Vier-Sterne-Hotel mit 250 Betten soll entstehen, Geschäftspartner Lindner soll es betreiben. Dazu erwirbt Richter in Kössen zwei sanierungsbedürftige Hotels, eines will er zu Ferienapartments umbauen.

Die Kosten von 40 Millionen Euro müssen die Richter-Firmen aufbringen oder kreditfinanzieren. Was den Kössener Bürgermeister Stefan Mühlberger jedoch beruhigt: Geisler & Trimmel sollen die Bauten „löffelfertig“ zum Fixpreis errichten. „Geisler sagt mir, er wird natürlich kein Risiko eingehen, sondern die Bagger erst bestellen, wenn die Gesamtsumme abrufbar ist.“ Im Nachhinein hätte so ein Grundsatz auch am Nürburgring gutgetan.