Rheinland-Pfalz

Ring: Mit wenig Einsatz ins Millionenspiel

Ring: Mit wenig Einsatz ins Millionenspiel
Die Partymeile „Grüne Hölle“ gehörte zu den Investitionen, die der Investor Kai Richter am Ring aus eigener Kraft stemmen wollte. Aber letztlich musste das Land ihm massiv unter die Arme greifen. Foto: Jens Weber

Seit Monaten wird im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Nürburgring versucht, Licht in einen der größten rheinland-pfälzischen Skandale zu bringen. Doch am erhellendsten sind immer noch die Aussagen des Rechnungshofs.

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Von unseren Redakteuren Uli Adams und Dietmar Brück

Rheinland-Pfalz – Seit Monaten wird im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Nürburgring versucht, Licht in einen der größten rheinland-pfälzischen Skandale zu bringen. Doch am erhellendsten sind immer noch die Aussagen des Rechnungshofs.

Präsident Klaus P. Behnke ließ jüngst im Wappensaal des Landtags keinen Zweifel daran, dass der überdimensionierte Ausbau des Rings zum Freizeitpark samt Achterbahn nie auf einer soliden Grundlage stand. Sein vernichtendes Urteil: Ein ordentlicher Kaufmann hätte die Finger von dem millionenschweren Projekt lassen müssen.

Pleiten, Pech und Pannen begleiten das Projekt

Doch was geschah damals wirklich? Die offizielle Geschichte des Ring-Skandals liest sich wie ein Trauerspiel aus Pleiten, Pech und Pannen. Als im November 2007 Aufsichtsratschef Ingolf Deubel, Ring-Geschäftsführer Walter Kafitz, Projektentwickler Kai Richter sowie Bürgermeister und Landräte zum Spatenstich ausholen, gilt das damals noch mit 215 Millionen Euro veranschlagte Projekt als finanziell abgesichert und zukunftsweisend für Rennstrecke und Eifelregion. Der Nürburgring werde mehr denn je Wirtschaftsmotor für die Eifel sein, wird versprochen. Dann kommt die Wirtschaftskrise. Banken springen ab, strenge Winter führen zu Kostenexplosionen auf den Baustellen, mehr und mehr verstricken sich die Nürburgring GmbH und ihr Aufsichtsratschef, der Ex-Finanzminister Ingolf Deubel, in dubiose Finanzierungsmodelle. Bis das Kartenhaus im Juli 2009 endgültig zusammenbricht.

So die offizielle Version der Landesregierung. Aber ist das wirklich die wahre Geschichte? War das private Engagement bei dem am Ende 330 Millionen Euro teuren Freizeit- und Geschäftszentrum jemals wirklich abgesichert? Hätte es den Spatenstich im Herbst 2007 überhaupt geben dürfen? War der sogenannte Investor Kai Richter jemals im Besitz der versprochenen Millionen oder in der Lage, sie über Banken zu leihen?

Fragen, die sich auch die Opposition im Mainzer Landtag stellt. Und auf die der nicht öffentliche Bericht des Landesrechnungshofs spannende Antworten liefert. Die Papiere, die unserer Zeitung vorliegen, dokumentieren ein Versagen auf ganzer Linie. Sie lassen sogar die Vermutung zu, dass man sich bewusst hat täuschen lassen, nur um das von Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) im Jahr 2004 vorgestellte Projekt endlich in Fahrt zu bringen. Eine zentrale Figur dabei ist auch Kai Richter. Der Investor, der heute zusammen mit dem Hotelier Jörg Lindner die Automotive Nürburgring GmbH führt und die Vermarktung des Rings verantwortet. Richter, das zeigen die uns vorliegenden Unterlagen, war zu keinem Zeitpunkt in der Lage, die zunächst mit rund 70 Millionen Euro veranschlagten privaten Bauprojekte logistisch oder finanziell zu stemmen. Und das hätte dem 2007 hochrangig mit dem damaligen Finanzminister Ingolf Deubel (SPD) und dem damaligen Wirtschaftsstaatssekretär und heutigen Finanzminister Carsten Kühl besetzten Aufsichtsrat schon im März 2007 auffallen müssen. Das legt der geheime Prüfbericht des Landesrechnungshofs nahe.

Im Frühjahr 2007 taucht der smarte Düsseldorfer Geschäftsmann Kai Richter erstmals auf der Nürburgring-Bühne auf. Also erst kurz vor Ende jenes Zeitfensters, das Ringchef Walter Kafitz und Ministerpräsident Beck für eine Verwirklichung der 2004 vorgestellten Pläne gesetzt hatten. Bis dahin war Kafitz bereits drei Jahre lang wie ein Wanderprediger international auf der Suche nach Investoren. Erfolglos. Doch auch die vermeintliche Lichtgestalt Richter, Geschäftsführender Gesellschafter der Düsseldorfer Mediinvest GmbH, hat nicht wirklich viel zu bieten. Weder die Bilanzen seines Unternehmens noch die Referenzen geben Grund zur Annahme, dass er das schafft, was Banken und international tätige Hotelgruppen für ein schlechtes Geschäft halten. Auf 705 000 Euro beläuft sich 2006 der Umsatz des Unternehmens mit drei Mitarbeitern, das immerhin 70 Millionen für Hotels, Partymeile und Feriendorf auftreiben will. 72 000 Euro kann Mediinvest als Eigenkapital aufweisen. Da hat mancher kleine Handwerksbetrieb in der Region mehr auf der hohen Kante.

Richter hatte nur dürftige Referenzen vorzuweisen

Auch die vorgelegte Referenzliste steht im krassen Gegensatz zum geschäftlichen Erfolg der Mediinvest. An Millionenprojekten an der Ostsee, auf Mallorca und im Süden Spaniens will Richter in seiner Karriere als Projektentwickler und Berater mitgewirkt haben. Um festzustellen, dass es sich hierbei um Projekte handelt, die teils bis heute nicht verwirklicht sind, hätte eine Google-Recherche genügt. Der Landesrechnungshof kommt deshalb in seinem vertraulichen Bericht zu folgendem Schluss: „Es war nicht erkennbar, dass sich die NG (Anmerk. d. Red.: Nürburgring GmbH) bei ihrer Entscheidung, die Mediinvest GmbH mit der Projektentwicklung einschließlich der Finanzierung zu betrauen, mit der notwendigen Sorgfalt über Finanzkraft und Bonität der Gesellschaft unterrichtet hatte.“ Weiter heißt es: „Aufgrund der Unternehmensdaten hätte der Aufsichtsrat die Möglichkeit einer Finanzierung des Projekts durch Kai Richter kritischer und vertiefter erörtern müssen, da erkennbar war, dass der Mediinvest GmbH zumindest eine eigene Finanzierung der Projekte unmöglich war.“

Auch die Prüfung der Referenzliste durch Geschäftsführung und Aufsichtsrat der Nürburgring GmbH bezweifelt der Rechnungshof: „Anfragen hätten ergeben, dass die Mediinvest GmbH oder ihr Gesellschafter keine Erfahrungen mit derart umfangreichen Projekten vorweisen konnten.“ Und dennoch: Am 14. Mai 2007 unterschreibt die Geschäftsführung der Nürburgring GmbH eine Absichtserklärung, einen sogenannten „Letter of intent“, wonach die Mediinvest die Projektfinanzierung abschließend gestaltet.

Damit wird Kai Richter endgültig zum Hauptakteur beim Rennen um die Millionen beim Projekt Freizeit- und Geschäftszentrum am Nürburgring. Mit Absichtserklärungen von Banken, einem Zwischenkredit für das neue Vier-Sterne-Hotel und Bekundungen, die Finanzierung seiner Investitionen (Hotel, Gastronomiedorf samt Hotel und Feriendorf in Drees) durch ein „Private Placement“ (die Finanzierung durch potente Privatleute) zu sichern, hält der Geschäftsmann die Nürburgring GmbH und deren Aufsichtsrat bei Laune.

Am 10. September 2008 räumt Richter gegenüber dem Finanzminister Probleme mit einer österreichischen Bank ein, die aufgrund der weltweiten Finanzkrise in Schwierigkeiten geraten sei. Am 8. Oktober zieht die Bank ihr Zwischenfinanzierungsangebot zurück, die rheinland-pfälzische Förderbank springt ein. Der Nürburgring also doch ein Opfer der Finanzkrise, wie es in der offiziellen Version der Landesregierung heißt? Für den Rechnungshof keinesfalls: „Die Mediinvest verfügte zu keinem Zeitpunkt über ein gesichertes Konzept zur langfristigen Finanzierung ihrer Investitionen.“

Schlimmer noch: Das Ring-Engagement Richters war Banken und anderen möglichen Investoren sogar trotz einer Absicherung durch das Land Rheinland-Pfalz keinen Cent wert. Der Rechnungshof schreibt: „Ihre Bemühungen scheiterten, obwohl die ISB (Förderbank) über eine Haftungsfreistellung oder über Refinanzierungsdarlehen das gesamte Risiko der Finanzierungen getragen hätte.“

Investor verdiente prächtig am berühmten Eifelkurs

Dennoch hat Kai Richter an dem weltberühmten Eifelkurs prächtig verdient. Insider beschreiben ihn als gewieften Geschäftsmann, der schnell erkannte, dass Landesregierung und Ring-Verantwortliche einen Rettungsanker für den vom Scheitern bedrohten Freizeitpark brauchten. Das gab Richter die Möglichkeit, mit niedrigem monetären Einsatz hoch zu pokern: Im Zweifelsfall hatte er immer das bessere Blatt in den Händen. Denn Landesregierung und Nürburgring GmbH ließen ihm auf allerlei verschlungenen finanziellen Pfaden Mittel zukommen. Oder sie akzeptierten Verträge, die vor allem den Interessen des Düsseldorfer Unternehmers dienten. Schließlich halfen Richter sein untrüglicher Instinkt und sein Geschick, sich so tief in den Strukturen des Rings festzusetzen, dass er dort bis heute im Geschäft ist.

Im Untersuchungsausschuss des rheinland-pfälzischen Landtags wird nun vor allem die Frage nach der politischen Verantwortung gestellt. Denn an der Rennstrecke waren alle Beteiligten derart mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs, dass selbst bloße Beifahrer Schwindelanfälle bekommen mussten. Ob daher neben Finanzminister Ingolf Deubel (SPD) am Ende nicht auch noch andere politische Akteure ins Schlingern geraten, ist eine Frage, auf die erst noch eine Antwort gefunden wird.

Der zurückgetretene Deubel ist übrigens inzwischen als hochkarätiger Gutachter fernab im bundesdeutschen Osten unterwegs. Gerade eben erst hat er ein Gutachten für die Landesregierung in Sachsen-Anhalt vorgestellt. Sein Grundtenor: Das Bundesland muss drastisch sparen, um nach dem Auslaufen des Solidarpakts 2019 auf eigenen Füßen zu stehen. Auch für den Nürburgring wäre das ein erstrebenswertes Ziel.