Berlin/Rheinland-Pfalz

Rekord-Niedrigwasser: Auf dem (Trockenen) Rhein

Von Christian Rupp
Trocken gelegt: Eine von vielen Landungsbrücken, an denen kein Schiff mehr anlegen kann, befindet sich in Kamp-Bornhofen. Das Niedrigwasser erreicht Zug um Zug historische Ausmaße.  Foto: Andreas Jöckel
Trocken gelegt: Eine von vielen Landungsbrücken, an denen kein Schiff mehr anlegen kann, befindet sich in Kamp-Bornhofen. Das Niedrigwasser erreicht Zug um Zug historische Ausmaße. Foto: Andreas Jöckel

Mit Staunen blicken Spaziergänger und Anwohner derzeit auf den Rhein. Nach monatelanger Trockenheit zieht sich das Wasser des größten deutschen Stroms in eine immer schmaler werdende Fahrrinne zurück, verschiedene Pegel melden inzwischen historische Tiefstände. Doch auch in anderen Regionen hat die nun seit April anhaltende Dürre teils enorme Auswirkungen. Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) in Offenbach könnte 2018 eines der fünf trockensten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen vor mehr als 130 Jahren werden. Fragen und Antworten zur aktuellen Situation:

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Wie trocken ist es tatsächlich?

„1947 war bisher das Maß aller Dinge“, sagt DWD-Agrarmeteorologe Hans Helmut Schmitt. Auch 1921, 1976 und 1991 sind ungewöhnlich trockene Jahre gewesen. Wo sich 2018 tatsächlich einreiht, steht aber erst Ende des Jahres fest. Derzeit sind den Experten zufolge rund 70 Prozent der Fläche Deutschlands von extremer Trockenheit betroffen. Besonders problematisch ist die Kombination aus hohen Temperaturen und geringen Niederschlägen. Denn je wärmer es ist, desto schneller verdunstet in der Regel der Regen. „Was die Wärme angeht, fahren wir auf der Überholspur – was den Regen angeht, auf der Standspur“, sagt Schmitt.

Ist es überall in Deutschland gleich schlimm?

Nein. Besonders betroffen sind den Angaben zufolge das südliche Rheinland-Pfalz – dort vor allem die Vorderpfalz –, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. „In Bayern sieht es ganz gut aus“, sagt Schmitt. Auch in Hessen sind die Böden, auf das Jahr hochgerechnet, noch vergleichsweise feucht. Das liegt unter anderem daran, dass schwere Böden noch bis zum Frühjahr den übermäßigen Regen des vergangenen Jahres speichern konnten, wie der Wetterforscher erklärt.

Besonders sichtbar ist die Trockenheit derzeit am Rhein, an dem Tiefststände gemessen werden – mit entsprechenden Folgen für Fährbetriebe und Binnenschiffer, die derzeit teils gar nicht mehr, teils nur noch eingeschränkt unterwegs sein können. Am Mittelrhein hat zuletzt die Fähre in Kaub aufgegeben. Betreiber Henk Erlenbach sagte: „Das Risiko der Grundberührung ist zu hoch. Es geht ja nicht nur um die Fähre, sondern auch um die Sicherheit der Gäste, falls einer der zwei Antriebe ausfällt.“ An verregneten Oktobertagen würde ihn das weniger schmerzen. „Aber bei diesem schönen Wetter mit so vielen Leuten unterwegs ärgert mich das extrem.“ Jeden Tag gehe nun Umsatz flöten – genaue Summen will Erlenbach nicht nennen.

Die Verbindung zwischen Ingelheim und Oestrich-Winkel stellt nach seinen Worten inzwischen eine Flachfähre sicher, die gewöhnlich zwischen Niederheimbach und Lorch verkehrt – und nun dort fehlt. „Die hat unten keinen Antrieb. Die saugt Wasser an, verdichtet es und drückt es wieder raus wie bei einem Jetski“, erklärt Erlenbach.

Können die Wasserkraftwerke trotzdem ausreichend Strom produzieren?

Vor allem seit Juli blieb die Stromproduktion wegen der Trockenheit hinter den Vorjahreswerten zurück, sagt Harald Uphoff, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Wasserkraftwerke. Da es bis ins Frühjahr hinein viel geregnet hat, gibt es seinen Angaben zufolge im Gesamtsaldo aber nur einen geringen Rückgang. Insgesamt profitierten die Erzeuger erneuerbarer Energien bislang: Die vielen Sonnenstunden haben den Rückgang bei der Wasserkraft bei Weitem wettgemacht. Die Produktion aus Sonnenenergie lag im September ein Drittel über dem Vorjahreswert.

Muss man sich um den Grundwasserspiegel sorgen?

Die Grundwassersituation wird von den Bundesländern jeweils einzeln erfasst. Aktuelle Daten für das gesamte Bundesgebiet gibt es daher nicht. Nach Angaben des Verbandes kommunaler Unternehmen (VkU) hat es auf die Wasservorkommen keinen großen Einfluss, ob es in einem einzelnen Sommer mehr oder weniger regnet. „Wie sich die andauernde Trockenheit der vergangenen Monate auf die Grundwasserstände auswirkt, wird die Bilanz im nächsten Jahr zeigen“, sagte ein Sprecher in Berlin. In Hessen beispielsweise wären Sorgen nach Einschätzung von Mario Hergesell vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) verfrüht. Dass der Grundwasserstand im Sommer abnimmt, sei normal. „Entscheidend ist nun das Winterhalbjahr“, sagt Hergesell. Bliebe es auch dann trocken, wären sehr unterdurchschnittliche Werte die Folge.

Wie ist die aktuelle Situation der Landwirte?

Nachdem schon die Getreide- und Gemüseernte im Sommer schlecht ausfiel, setzt sich die Situation nun unverändert fort. Die Folgen werden vermutlich auch im kommenden Jahr spürbar sein, sagt Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied. „In den betroffenen Regionen, in denen noch immer kaum Regen gefallen ist, haben wir schlechte Raps- oder Wintergerstenbestände. Außerdem gehen wir davon aus, dass das Grundfutter für die Tiere knapp wird und sich einige von ihren Tieren trennen müssen.“ Schwierig sei die Lage insbesondere in Nord- und Ostdeutschland.

Wie haben die Wälder die Dürre verkraftet?

Für die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände steht der Trockensommer in einer Reihe klimabedingter Extreme, darunter auch Stürme wie „Friederike“ vom vergangenen Januar. Waldbrände, zerstörte Neuanpflanzungen und Schädlingsvermehrung hätten nun zusätzlich dauerhafte Schäden verursacht. Unter dem Strich beziffert die Arbeitsgemeinschaft die Schadenssumme für die Forstwirtschaft mit rund 5,4 Milliarden Euro. Für Rheinland-Pfalz sprach das zuständige Umweltministerium kürzlich von einem „zweistelligen Millionenschaden“.

Auch die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald berichtet, unter jungen Pflanzen gebe es hohe Ausfälle, beispielsweise in Rheinland-Pfalz oder Bayern. Fichten haben demnach besonders gelitten, zumal auch noch Borkenkäfer über sie hergefallen sind. Wichtig ist, dass die Trockenheit bald ein Ende hat und nicht noch andere Störfaktoren wie etwa weitere Stürme hinzukommen.

Von Christian Rupp und Isabell Scheuplein