Minsk/Moskau

Regiert bald das Faustrecht?

Präsident Wladimir Putin traf in Minsk als Letzter ein. Als es dann endlich losging, konnte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko kaum verbergen, wie schwer es ihm fiel, dem Kremlchef gegenüberzusitzen. Steif drückte er sich in den Sessel der Minsker Residenz.

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Von unserem Moskauer Korrespondenten Klaus-Helge Donath

Doch auch der Kremlchef wirkte angespannt, Angela Merkel und François Hollande machten eher einen müden Eindruck. Nur die bunten Häppchen auf dem Tisch vor der Viererrunde lockerten das Rund der versteinerten Gesichter ein wenig auf.

Bis zur letzten Minute war unklar, ob das Minsker Treffen zur Regulierung des Ukraine-Konfliktes überhaupt stattfinden würde. Am Wochenende hatten sich Kremlchef Wladimir Putin, Frankreichs Präsident François Hollande, der Ukrainer Petro Poroschenko und Bundeskanzlerin Angela Merkel darauf verständigt, die am Freitag in Moskau begonnenen Verhandlungen Mitte der Woche in Minsk fortzusetzen. Sowohl in Paris als auch in Berlin herrschte jedoch Skepsis, ob die Reise nach Minsk sinnvoll sein könnte. Als am späten Mittwochvormittag der Kreml mitteilte, Präsident Wladimir Putin werde in der zweiten Tageshälfte nach Weißrussland fliegen, war das Eis jedoch gebrochen.

Im Vorfeld hatten Arbeitsgruppen aus den vier Ländern in Berlin bis zuletzt an den strittigen Punkten eines neuen Papiers gearbeitet. Selbst der Status des Dokuments, ob es sich um eine Vereinbarung oder ein weniger bindendes Memorandum handeln würde, war umstritten. Noch am Dienstagabend hieß es, entscheidende Punkte hätten von den Unterhändlern nicht geklärt werden können.

Vordringlichstes Verhandlungsziel ist ein Waffenstillstand, worin sich alle Verhandlungsteilnehmer einig sein sollen. Russland und die Rebellen fordern jedoch, dass Kiew seine Truppen abzieht und die eingestellten Zahlungen an die „Rebellengebiete“ wieder aufnimmt. Auch die Forderung Kiews, die Grenze zu Russland zu schließen, stößt bei der Gegenseite auf Ablehnung. Damit ließe sich der Nachschub an Waffen und Militärs aus Russland unterbinden.

Der Status der Rebellengebiete, Frontverlauf und die Entsendung von Friedenstruppen waren bis zuletzt umstritten. Die Separatisten hatten eine Blauhelmtruppe vorgeschlagen, der auch russische Soldaten angehören sollen. Kiew lehnt die Stationierung russischer und mit Moskau eng kooperierender Einheiten aus den Nachbarstaaten unterdessen ab. Es wird befürchtet, dass Moskau mithilfe des Blauhelmkontingentes die Anwesenheit russischer Soldaten im Nachhinein legalisieren könnte.

Erfreulichen Meldungen von einer Waffenruhe, die schon heute beginnen sollte, traten Vertreter der sogenannten Rebellen indes gleich entgegen. Bislang sei es zu früh, von einer Waffenruhe zu sprechen, sagten sie Journalisten des russischen Fernsehens. Für Unsicherheit sorgte auch die Nachricht, dass die Minsker Kontaktgruppe ihre Arbeit am Mittwoch gegen Mittag unterbrochen und nicht wieder aufgenommen hatte. Dem Gremium gehören neben Russland und der OSZE die Ukraine und Vertreter der selbst ernannten Volksrepubliken von Lugansk und Donezk an.

Die Kontaktgruppe zur Ukraine hatte am Vortag mit den Beratungen begonnen. Die Sitzungen der Gruppe waren im Vorfeld mehrfach abgesagt worden. Die ganze Architektur der Konfliktregulierung ist eine sehr anfällige Konstruktion. Weshalb russische Experten das Zustandekommen des Treffens der Viererrunde im sogenannten Normandieformat bereits als einen großen Erfolg werteten, der einen Hoffnungsschimmer enthielte. Das Format wurde nach den Feierlichkeiten am D-Day in der Normandie benannt. Dort war es zu einer ersten Kontaktaufnahme zwischen dem ukrainischen Präsidenten Poroschenko und Russlands Präsidenten Putin gekommen.