Koblenz/Hamburg

Rechtsradikale rufen im Netz zu Gewalt auf: Facebook lässt sie weiter hetzen

Allen politischen Appellen zum Trotz, volksverhetzende Parolen aus dem Netz zu löschen: Der milliardenschwere US-Konzern Facebook duldet in Deutschland unverändert, dass rechtsradikale Hetzer das Netzwerk nutzen, um für jedermann sichtbar Hass zu schüren und sogar zu Morden aufzurufen.

Lesezeit: 3 Minuten
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Von Ursula Samary und Christian Lindner

Ein widerwärtiges Beispiel von zu vielen: Ein Mann, der in Facebook eine Seite mit Namen betreibt und Koblenz als seinen Wohnort angibt, konnte dort knapp zwei Wochen ungehindert übelste Hetze gegen Flüchtlinge und gegen den deutschen Rechtsstaat verbreiten. Schon in den Monaten zuvor machte er dort in Postings und Kommentaren keinen Hehl aus seinem Hass gegen Flüchtlinge und Regierung. Ab 11. Oktober aber überschritt der Mann, sich ganz offensichtlich zunehmend radikalisierend, die Grenze von oft geschmackloser aber freier Meinungsäußerung hin zu nicht hinnehmbarer Hetze und justiziablen Gewaltaufrufen.

Der Mann, der vielleicht auch ganz anders heißt, konnte seither via Facebook etwa öffentlich fordern, „alle Asylanten in die Gaskammer“ zu stecken, „auch die Bullenschweine“ aufzuhängen und die USA sowie „Merkel und Konsorten“ auszulöschen. Tagelang konnte der Mann im Namen der „NSDAP Koblenz“ zum Sturz der Regierung aufrufen. Konnte dazu auffordern, zu Hitler überzutreten, „bevor es zu spät ist“. Konnte sich wünschen, „Merkel und Gabriel Hengen sehen“ zu wollen. All das für jeden Facebook-Nutzer ansteuerbar, von jedem Nutzer mit einem Mausklick weiterleitbar.

„Diese Seite ist leider nicht verfügbar“

Erst Donnerstagnachmittag, möglicherweise ausgelöst durch Recherchen unserer Zeitung und einige Beschwerden aus dem Raum Koblenz, verschwanden die Hassparolen aus Facebook. Wer jetzt nach dem Namen des Mannes und seinen Parolen sucht, bekommt nun, in puncto Wortwahl erneut wie zum Hohn, von Facebook angezeigt: „Diese Seite ist leider nicht verfügbar“.

Dies ist kein Einzelfall. Viele Rechtsradikale können bislang offenbar ungehemmt via Facebook Hass schüren oder gar zu Verbrechen aufrufen. Von solcher anhaltenden Hetze via Facebook muss sich auch die Bundesregierung verhöhnt fühlen: Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) fordert seit Wochen von dem US-Unternehmen, stärker gegen Hass-Kommentare vorzugehen und rassistische Kommentare zu löschen. „Fremdenfeindliche und rassistische Hassbotschaften, die gegen Strafgesetze verstoßen, müssen schneller und umfassender aus dem Netz verschwinden“, sagte er und vereinbarte eine Taskforce mit den sozialen Netzwerken gegen Hassparolen im Netz. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg sicherte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bereits Ende September in New York zu, in der Taskforce mitzuarbeiten, um Parolen aus dem Internet zu verbannen. Mit der nötigen Konsequenz passiert ist offenbar bisher nichts – jedenfalls nichts, was Facebook betrifft.

Strafverfolgung müssen bislang allenfalls Nutzer in Deutschland fürchten, wenn Polizei und Staatsanwaltschaft Volksverhetzung und das Verwenden verfassungswidriger Organisationen auffallen. Lässt sich das Vergehen beweisen, drohen bei der schweren Straftat allerdings Haftstrafen zwischen drei Monaten bis fünf Jahren, wie die Staatsanwaltschaft Koblenz betont, die einige Strafanzeigen derzeit prüft. Bundesweit wurden bereits einige Verfasser von Facebook-Einträgen verurteilt.

Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren für Mann in Bayern

Aktuell dürfte das Amtsgericht Kitzingen vielleicht für gewisse Abschreckung sorgen: Es hat einen vorbestraften Bayern (31) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt, der Bundeskanzlerin Angela Merkel ebenfalls bei Facebook bedroht und volksverhetzende Parolen geäußert hat. Der Mann soll geschrieben haben, Menschen sollten in „Auschwitz in den Ofen“. Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig, wie die Staatsanwaltschaft Würzburg auf Anfrage bestätigt. Der „Süddeutschen Zeitung“ sagte ein Sprecher des Amtsgerichts, dass sich die vergleichsweise hohe Strafe auch mit dessen langer Liste an Vorstrafen erkläre.

Inzwischen ermittelt die Hamburger Staatsanwaltschaft allerdings auch gegen Facebook-Manager wegen des Verdachts auf Volksverhetzung. Sie firmieren im Handelsregister als Geschäftsführer der Facebook Germany GmbH in Hamburg. Der Würzburger Fachanwalt für Internetrecht, Chan-jo Jun, hat Anzeigen wegen vorsätzlicher Beihilfe zur Volksverhetzung erstattet. Wie der Anwalt unserer Zeitung sagt, hat er inzwischen auch Facebooks Nordeuropa-Chef, den Deutschen Marin Ott, angezeigt. Er schließt nicht aus, dass weitere Anzeigen folgen. Für ihn ist es rechtlich völlig unstrittig, dass Betreiber von Internetportalen auch für die verbreiteten Inhalte verantwortlich sind. Womöglich seien die deutschen Staatsanwaltschaften bislang nicht schon längst tätig geworden, weil die Facebook-Struktur „hochgradig intransparent“ sei und viele Manager im Ausland leben. Jun schließt nicht aus, dass er weitere Anzeigen erstattet.

1. Update: Als eine Koblenzerin die entsprechende Facebook-Seite wegen „unangemessener Inhalte“ dem Sozialen Netzwerk am Donnerstagmorgen meldete, erhielt sie von diesem prompt eine Antwort. „Bisher haben wir sie nicht entfernt, da sie aus unserer Sicht nicht gegen die Gemeinschaftsstandards von Facebook verstößt“.

Diese Facebook-Reaktion ist natürlich in keiner Weise nachvollziehbar, wenn man sich die menschenverachtenden Hass-Kommentare vor Augen führt, die weiterhin für jedermann im Netz sichtbar bleiben sollten. Erst als sich die Koblenzerin in ihrem eigenen Profil öffentlich über die Tatenlosigkeit seitens Facebook im Umgang mit dem Profil des rechtsextremen Hetzers beschwerte und dadurch viele weitere Beschwerden auslöste, reagierte Facebook und löschte – einige Stunden nach der ersten Beschwerde – am Nachmittag die Seite.

[Update 1 am 27.01.2016] Strafbefehl zugegangen: Die Facebook-Hetze hat für den 53-jährigen Koblenzer jetzt möglicherweise abschreckende Folgen: Das Amtsgericht Koblenz hat gegen ihn einen Strafbefehl von elf Monaten auf Bewährung erlassen.

[Update 2] Dieser Artikel wurde nach dem Strafbefehl redigiert, der Name des Koblenzers wurde entfernt.