Berlin

Raab lässt Politiker nach seiner Pfeife tanzen

Dauergrinser Stefan Raab ist eigentlich ein Erfolgsgarant. Er steigt selbst in den Ring („Schlag den Raab“), er witzelt bei dauerhaft hoher Einschaltquote in „TV total“. Er hat sogar bewirkt, dass Deutschland nach Jahren der Dürre beim Eurovision Song Contest mit Lena Meyer-Landrut endlich mal wieder aufs Siegertreppchen durfte. Fehlte nur noch die politische Talkshow im Portfolio des Unterhaltungs-Alleskönners. Die Premiere allerdings bleibt hinter den Erwartungen zurück.

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Berlin – Dauergrinser Stefan Raab ist eigentlich ein Erfolgsgarant. Er steigt selbst in den Ring („Schlag den Raab“), er witzelt bei dauerhaft hoher Einschaltquote in „TV total“. Er hat sogar bewirkt, dass Deutschland nach Jahren der Dürre beim Eurovision Song Contest mit Lena Meyer-Landrut endlich mal wieder aufs Siegertreppchen durfte. Fehlte nur noch die politische Talkshow im Portfolio des Unterhaltungs-Alleskönners.

Das Überangebot an solchen Talkrunden im öffentlich-rechlichen Fernsehen muss einer wie er als Provokation empfunden haben: Was die hinkriegen, kann ich schon lange. Wer, wenn nicht er, würde jungen Leuten politische Themen schmackhaft machen können? Die Premiere allerdings bleibt hinter den Erwartungen zurück.

Kein Kommentar von Gabriel

SPD-Parteichef Sigmar Gabriel ist die Frage danach, wie ihm Stefan Raabs neue Politik-Talkshow auf ProSieben gefallen hat, bei seiner montäglichen Pressekonferenz sichtlich unangenehm. Er habe die Show weder gesehen, noch will er sie kommentieren, meint er, für seine Verhältnisse sehr kurz angebunden. Die erste Garde der Politik hat Stefan Raab ohnehin schon vor der Premiere eine Absage erteilt. Nachdem zunächst mit Umweltminister Peter Altmaier (CDU) ein echtes Schwergewicht unter den Diskutanten hatte sein sollen, tritt am Sonntagabend schließlich nur noch die zweite Reihe an. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, ist ansonsten eher selten Gast in Talkrunden, genauso wie der linke Verteidigungspolitiker Jan van Aken. Auch der Koblenzer Wirtchaftsexperte und Unionsfraktionsvize Michael Fuchs hat als Ersatz für Peter Altmaier keinen leichten Stand. Für sich zu nutzen weiß die neue Bühne von Raabs „Absoluter Mehrheit“ vor allem der FDP-Chef aus Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki. Der ist in seiner eigenen Partei gefürchtet für seine bisweilen populistischen Auftritte und Attacken gegen Parteichef Philipp Rösler. Einzige Frau in der Runde ist eine Unternehmerin aus Berlin, keine Politikerin. Kubicki lässt die Gelegenheit zum Flirt nicht aus.

Dass die Sendung es bei der Zielgruppe der 14- bis 29-jährigen Zuschauer auf einen Marktanteil von immerhin 25 Prozent bringt, kann nur überraschen. Beim Gesamtpublikum bleibt Raab allerdings hinter Günther Jauch zurück, der eine Stunde früher mit seinen Gästen über Löhne debattiert. Raab lässt seinen Gästen keine Chance zur Diskussion. Im Schweinsgalopp sollen Themen wie gerechte Steuern, die Energiewende und der Umgang mit sozialen Medien durchdebattiert werden. Für solche dicken Bretter brauchen Illner, Will und Co. sonst jeweils eine ganze Stunde. Dazwischen will Raab allerdings auch noch seine Gags platzieren. „Meinung muss sich wieder lohnen“, verspricht er. Sein schnelles Konzept kollidiert vor allem bei der Energiewende mit der Komplexität des Themas. Er will kurze, einfache Antworten, die es nicht gibt. Wer länger ausholt, hat aber gleich verloren. Im K.-o.-Verfahren per Anruf kommt Michael Fuchs in der ersten Runde auf die wenigsten Stimmen und darf fortan noch mitdiskutieren, aber keine Punkte mehr sammeln.

Merkwürdig deplatziert

Zwischen Raabs schrägen Sprüchen („Herr Kubicki, muss der Rösler weg, und wie kann ich Ihnen dabei helfen?“) und kurzen Einspielern wirkten die Politiker deplatziert. Der frische Wind, den Raab versprochen hat, mit seiner Show in das Politprogramm zu bringen, will auch deshalb nicht aufkommen. Spätestens beim Thema Energiewende entsteht sogar Langeweile. Jan van Aken darf fabulieren, ohne dass ihn Raab ausbremst. Dass am Ende der schlagfertige Kubicki das Rennen macht und van Aken auf Platz zwei landet, stellt die Realitäten völlig auf den Kopf.

Die „Absolute Mehrheit“ und damit 100 000 Euro schafft zwar auch Kubicki nicht. Jene Parteien, die um ihren Wiedereinzug in den Bundestag fürchten müssen, haben hier aber klar die Nase vorn. Die nächste Show soll erst für 2013 geplant sein – Zeit, sie zu überdenken, wäre also.

Von unserer Berliner Korrespondentin Rena Lehmann