Prostitution ja – Aber mehr Kontrolle

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In dem Tatort mit dem drastischen Titel „Wegwerfmädchen“ werden zwei schwer verletzte junge Frauen nach einer Sexorgie mit vielen Männern von ihren Zuhältern einfach in den Müll „entsorgt“. Der Film, im Dezember 2012 ausgestrahlt, löst eine heftige Debatte aus, die anhält. Denn er zeigt einen Ausschnitt der Wirklichkeit.

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Wenige Tage nach der Ausstrahlung findet die Polizei eine 18-jährige schwer misshandelte Rumänin, die vor ihren Peinigern in einem Münchener Bordell fliehen konnte. Ein liberales Prostitutionsgesetz und Armutswanderung aus Südosteuropa haben dafür gesorgt, dass Menschenhandel und Zwangsprostitution sich in Deutschland ausbreiten. Die Politik konnte sich bisher aber nicht auf Gegenmaßnahmen einigen. Erst jetzt gibt es einen neuen Vorstoß.

Noch vor der Sommerpause soll nach den Vorstellungen von Union und SPD eine „umfassende Überarbeitung“ des geltenden Prostitutionsgesetz in den Bundestag eingebracht werden. Eckpunkte haben CDU und CSU gestern in Berlin vorgestellt. Es sieht unter anderem eine Altersgrenze von 21 Jahren für Prostituierte vor. Kontrollen in Bordellen sollen ausgeweitet werden, für alle Prostituierten soll eine „Anmeldepflicht“ gelten. Freier, die wissentlich Opfer von Zwangsprostitution ausnutzen, sollen künftig bestraft werden können. Eine grundsätzliche Bestrafung von Freiern ist aber nicht geplant. Es ist der zweite Anlauf für ein neues Gesetz. Ein Kompromiss zwischen Union und FDP war im vergangenen Jahr im Bundesrat gescheitert.

Neues Prostitutionsgesetz verfehlte seine Wirkung

„Die Liberalisierung hat dazu geführt, dass Deutschland im Prinzip das Bordell Europas geworden ist“, stellt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Nadine Schön (CDU) fest. Das rot-grüne Prostitutionsgesetz von 2002 sollte die sogenannten „Sexarbeiterinnen“ entkriminalisieren und ihre Arbeitsbedingungen verbessern. Heute ist es in seiner Wirkung höchst umstritten. Statt vielen besser gestellten Prostituierten gibt es heute mehr Zwangsprostituierte, schätzen Experten.

Die Europäische Union hat errechnet, dass Menschenhandel in den vergangenen Jahren europaweit zugenommen haben. Ihren Schätzungen zufolge werden 200 000 Menschen in Europa gegen ihren Willen sexuell ausgebeutet. In Deutschland geht man davon aus, dass 65 bis 80 Prozent der geschätzten insgesamt 400 000 Prostituierten aus Rumänien und Bulgarien stammen. 2012 gab es aber nur 500 Urteile zu Menschenhandel und rund 1500 entdeckte Fälle von verbotener Prostitution. Dass die Dunkelziffer um ein Vielfaches höher sein muss, darüber herrscht Konsens.

Vor allem die Vertreterinnen von Prostituiertenverbänden wehren sich aber dagegen, mit Zwangsprostituierten gleichgesetzt zu werden. In einer Stellungnahme des Sexarbeiterinnen-Vereins Hydra etwa heißt es: „Nur in der Legalität können sich Sexarbeiter/innenwirksam gegen Übergriffe, Ausbeutung und Honorarbetrug wehren.“

Die Ermittler klagen derzeit allerdings über wenig Handhabe und Kontrollmöglichkeiten. Die bisher bekannten Geschichten der Zwangsprostituierten ähneln sich. Mit dem Versprechen, ihren oft verarmten Familien Geld schicken zu können, werden sie mit dem Versprechen auf eine gute Arbeit als Küchenhilfen oder Zimmermädchen angelockt. In Deutschland angekommen, folgt das böse Erwachen.

„Verbessertes Aufenthaltsrecht“ für Frauen, die aussagen

Den Pass behält der Zuhälter, die Frauen werden in Bordelle verteilt und teils wie Sklavinnen gehalten. Bedroht und ohne Sprachkenntnisse, sind sie völlig ausgeliefert. Oft können die Täter selbst wenn es zum Prozess kommt, nicht verurteilt werden, weil die eingeschüchterten Frauen keine Aussage wagen. Im Eckpunkte-Papier ist nun vage formuliert, die Frauen sollten „ein verbessertes Aufenthaltsrecht erhalten, wenn sie im Strafverfahren mitwirken.“ Für Kritiker der bisherigen Regelung ist die Aufenthaltsgenehmigung für die Frauen Bedingung, um erfolgreicher gegen Menschenhandel vorgehen zu können.

Die Hardliner in der Debatte wie die Feministin Alice Schwarzer wollen Prostitution lieber gleich ganz verbieten. Großes Vorbild für diesen restriktiveren Ansatz ist Schweden. In ihrer Botschaft in Berlin haben die Skandinavier vor Kurzem für ihr Vorgehen geworben. Täter ist in Schweden klar der Kunde, nicht die Prostituierte. Seit 1999 ist der Kauf von sexuellen Dienstleistungen dort unter Strafe gestellt. Die schwedische Regierung spricht von einer Erfolgsgeschichte. Straßenprostitution sei halbiert worden. Weil das Gesetz abschrecken wirkt, sei es auch dazu geeignet, Menschenhandel einzudämmen. Heute hielten 70 Prozent der Schweden die Regelung für richtig. Kritiker der schwedischen Regelung sagen, es nütze nichts, das Problem lediglich in andere Länder zu verdrängen.

In Deutschland ist ein Verbot der Prostitution sehr unwahrscheinlich. „Politik beginnt mit der Betrachtung der Realität“, sagt CDU-Fraktionsvize Thomas Strobl zu solchen Forderungen. Mit einem Verbot verschwinde nicht die Prostitution. Mit schärferen Gesetzen könnte man einen „großen Scheinwerfer auf ihre dunkelsten Ecken“ richten. Rena Lehmann