Washington

Präsident Obama führt seinen „Golf-Krieg“

Barack Obama präsentiert sich den Amerikanern als energischer Kämpfer gegen die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko – und wird doch von neuen Hiobsbotschaften überrollt.

Lesezeit: 4 Minuten
Anzeige

Von unserem USA-Korrespondenten Andreas Geldner

„Dies ist die größte Umweltkatastrophe, die Amerika je erlebt hat“ – Barack Obama hat sich für diese bittere Einsicht erstmals in seiner Amtszeit die Kulisse ausgesucht, die US-Präsidenten immer dann gewählt haben, wenn sie die Nation in einer Krise hinter sich scharen wollten. Von seinem Arbeitstisch im Oval Office aus blickt er zur besten Sendezeit den Zuschauern ins Gesicht. „Heute Abend werde ich ihnen unseren Schlachtplan für die nächste Zeit skizzieren“, sagt er in der Pose des Oberkommandierenden.

Harte Attacken auf BP

Obama zeigt sich kämpferisch: Viele Amerikaner glaubten, dass der Staat den Herausforderungen am Golf von Mexiko nicht gewachsen sei. „Doch dasselbe wurde von unserer Fähigkeit gesagt, im Zweiten Weltkrieg genügend Panzer und Flugzeuge bauen zu können.“ Bis hin zur Schlusspassage, in der er um göttlichen Beistand bat, bot Obama alles auf, was die US-Bürger von ihrem „Vater der Nation“ in Krisenzeiten wünschen. Doch reicht das?

Laut einer Umfrage glauben 52 Prozent der Amerikaner, dass er als Krisenmanager versagt hat – Dimensionen, wie sie Vorgänger George W. Bush nach dem Hurrikan „Katrina“ erlebte. Auch ein paar neue Initiativen hat Obama deshalb im Köcher. Ein ehemaliger Generalstaatsanwalt soll in der korrupten Rohstoffbehörde aufräumen. „Es ist klar, dass die Geschwindigkeit der Reformen dort bisher zu langsam war“, sagte der Präsident. Einen Beauftragten für den Wiederaufbau der Golfküste hat er ernannt, der zusätzlich zu den Folgen des Öls auch frühere Schäden durch Erosion und Hurrikane in den Blick nehmen soll.

Doch vor allem der BP-Konzern soll Obama Deckung bieten. Bei den Attacken auf die Firma nahm er kein Blatt vor den Mund. „Skrupellos“ sei die Firma gewesen. „BP wird zahlen“, versprach der Präsident. Und in der Tat: Der Energiekonzern stimmte noch am Abend der Einrichtung eines Hilfsfonds für die Opfer der Ölpest zu. 16 Milliarden Euro wird BP in einen unabhängig verwalteten Topf einzahlen, hieß es in US-Medien. Zugleich gab der Konzern bekannt, dass er in diesem Jahr keine Dividende an die Aktionäre auszahlen werde.

Die gute Nachricht folgte auf eine erneute Hiobsbotschaft. Ein Zwischenfall auf einem Schiff hatte BP nur Stunden vor der Rede an die Nation zu einer Pause beim Absaugen des Öls gezwungen. Zwar konnte das durch einen Blitzeinschlag hervorgerufene Feuer schnell gelöscht werden, es erinnerte aber daran, wie sehr der Kampf gegen die Ölpest vom Wetter abhängt. Trotz der laufenden Hurrikansaison war es im Golf von Mexiko bisher relativ ruhig. Dies wird wohl nicht so bleiben.

Schlimmer noch: Eine neue Schätzung kommt auf katastrophale Zahlen. Demnach treten pro Tag bis zu zehn Millionen Liter Öl aus. Das ist zwölfmal mehr als BP kurz nach dem Unglück geschätzt hatte und doppelt so viel, wie noch vor Wochenfrist für wahrscheinlich gehalten wurde. Alle vier Tage strömt damit die Ölmenge ins Meer, mit der der Tanker Exxon Valdez 1989 die fragilen Küsten Alaskas auf Jahre hinweg verseuchte. Allein die fortbestehende Ungewissheit, was in 1500 Metern Meerestiefe tatsächlich passiert, ließ Obamas Versprechen, binnen Wochen könnten bis zu 90 Prozent des austretenden Öls eingefangen werden, wenig belastbar erscheinen.

Den Befreiungsschlag sucht Obama in der Vision einer grünen Energiewende: „Wir konsumieren mehr als 20 Prozent des Öls auf der Welt, aber wir haben nur weniger als zwei Prozent der globalen Reserven. Auch das ist ein Grund, warum Ölfirmen eineinhalb Kilometer tief unter dem Ozean bohren.“ Doch noch immer wollen viele Amerikaner nichts davon hören, dass das Unglück am Golf ihre Gier nach Öl infrage stellen könnte. Die Angst vor weiteren Belastungen der schwächelnden Wirtschaft ist in weiten Teilen der Öffentlichkeit zu groß.

Republikaner bremsen

Selbst mit seiner vorsichtigen Andeutung, dass das Desaster doch ein Argument für das im Sommer 2009 vom Repräsentantenhaus beschlossene, aber vom Senat blockierte Klimaschutzgesetz sei, biss Obama bei den Republikanern auf Granit. „Diese Ölquelle wird nicht dadurch gedeckelt, dass wir den COx-Ausstoß deckeln“, sagte der republikanische Kongressabgeordnete Mike Pence.

Das Unglück im Golf erscheint in klassisch amerikanischer Denkweise nicht als Strukturproblem. Die Ereignisse rufen ganz schlicht nach einem besseren Sheriff. „Trotz des Zorns über das Ölunglück scheint es im Senat nur einen begrenzten Appetit für einen umfassenden Ansatz zu geben, der die Klimagase begrenzen könnte“, schreibt die „New York Times“.

Strafen für BP, strengere Regeln für Bohrungen vor der Küste und einige wenige Schritte, um Energie- und Ölverbrauch zu senken – das sei das Einzige, was derzeit möglich ist, meint das Blatt. Die Tatsache, dass Obama in seiner Rede überhaupt wagte, das Ölunglück mit grünen Themen zu verbinden, brachte ihm von seinen konservativen Kritikern den Vorwurf ein, er sei ein politischer Spalter in einer Zeit, in der die Nation doch über Parteigrenzen hinweg zusammenrücken müsse.