Berlin

Politik: Kanzleramt als Sprungbrett in die Wirtschaft

Ein nachdenklicher Ronald Pofalla: Vielleicht ist er gedanklich bereits bei der neuen Aufgabe, die ihm bald bevorstehen könnte. Der Ex-Kanzleramtschef ist als Manager bei der Bahn im Gespräch. Dort soll er dann zuständig für die politischen Beziehungen des Konzerns sein.
Ein nachdenklicher Ronald Pofalla: Vielleicht ist er gedanklich bereits bei der neuen Aufgabe, die ihm bald bevorstehen könnte. Der Ex-Kanzleramtschef ist als Manager bei der Bahn im Gespräch. Dort soll er dann zuständig für die politischen Beziehungen des Konzerns sein. Foto: dpa

Wenn Topmanager der großen deutschen Konzerne ein dringendes Anliegen haben, wenden sie sich schon einmal direkt ans Kanzleramt. Wie ihre Vorgänger trifft sich Regierungschefin Angela Merkel (CDU) auch regelmäßig mit Vorständen, ob aus der Autobranche oder der Luftfahrt.

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Von Sascha Meyer

Umgekehrt wurde inzwischen aber zum wiederholten Mal bekannt, dass die Wirtschaft Lobbyisten aus den innersten Kreisen der Macht engagiert. Jetzt ist sogar der gerade ausgeschiedene Chef des Kanzleramts und Merkel-Vertraute Ronald Pofalla als Manager in spe im Gespräch. Bei der Bahn soll er zuständig für politische Beziehungen werden.

Die Regierungszentrale ist keine Behörde wie jede andere. Das Kanzleramt, das sich schräg gegenüber der gläsernen Fassade des Berliner Hauptbahnhofs befindet, erfährt von wichtigen, oft brisanten Themen aller Fachministerien. Auch in Konflikte auf der EU-Ebene schaltet es sich gelegentlich entscheidend ein. „Es ist inakzeptabel, dass das Kanzleramt sich zu einem Talentepool für Unternehmenslobbyisten entwickelt“, moniert Timo Lange von der Organisation LobbyControl.

Tatsächlich wäre der CDU-Mann Pofalla nicht der Erste aus Merkels Amt, der die Seite wechselt. Die frühere Staatsministerin Hildegard Müller (CDU) ging 2008 als Hauptgeschäftsführerin zum Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. Erst im vergangenen November heuerte Staatsminister Eckart von Klaeden (CDU) als „Leiter Politik und Außenbeziehungen“ beim Autokonzern Daimler an.

Bekannt geworden waren seine Karrierepläne schon einige Monate zuvor, was Vorwürfe auslöste. „Der Bürger muss den Eindruck haben, ab sofort sitzt Daimler am Kabinettstisch“, wetterte die SPD noch aus der Opposition. Betraut war Klaeden im Wesentlichen mit dem Thema Bürokratieabbau. Trotzdem bekam er in den üblichen Umläufen auch einige Vorlagen zu CO2-Regeln für Autos zur Kenntnis.

Die Regierung betont jedoch, dafür zuständig gewesen sei er nicht. Auch Pofalla kümmerte sich aufgabenbedingt um diverse Angelegenheiten. Schließlich hat es der Amtschef „mit dem gesamten Spektrum der deutschen Politik zu tun“, wie Vizeregierungssprecher Georg Streiter sagt. „Ich glaube nicht, dass er jetzt der Spezialist für Eisenbahn im Kanzleramt war.“

Interessant für Unternehmen sind Insider des Politikbetriebs indes ohnehin nicht als Fachleute für Schienen- oder Autotechnik. Wertvoll sind vor allem Kontakte und Kenntnisse der Abläufe in Berlin und Brüssel. Von der Expertise eines Politikers wie Pofalla könnten Konzerne profitieren, argumentiert CDU-Bundesvize Armin Laschet. Gerade bei der Bahn sind wichtige Weichenstellungen nach wie vor stark politisch bestimmt.

Wenn ein Vorstandsvorsitzender gekürt wird, hat das Kanzleramt traditionell das entscheidende Wort. Politisch heikle Themen begleiten Bahn-Chef Rüdiger Grube auch im Alltag – vom Projekt Stuttgart 21 bis zu Plänen der EU, den Konzernverbund mitsamt dem Schienennetz im Namen von mehr Wettbewerb infrage zu stellen. Unter Vorgänger Hartmut Mehdorn gab es im Vorstand bis 2009 schon einmal ein eigenes Ressort für Wirtschaft und Politik.

Grube kümmerte sich dann selbst mit darum. Nun ist dem Vernehmen nach wieder ein eigener Vorstand im Gespräch. Dass Pofalla für diesen gut dotierten Posten ausgerechnet bei einem Staatskonzern gehandelt wird, sieht Grünen-Chefin Simone Peter kritisch: „Es entsteht der Eindruck, dass es vor allem um die Versorgung eines engen Merkel-Vertrauten und weniger um die Interessen der Bahn und ihrer Kunden geht.“