Obama will Europa Angst vor Trump nehmen: Plädoyer für die Demokratie

Barack Obama
Letzte Rede in Europa: US-Präsident Barack Obama besucht auf seiner Abschiedstour Athen. Foto: Orestis Panagiotou

Vom Macher zum Mahner: US-Präsident Barack Obama hat sich von der internationalen Bühne als nachdenklicher Wahrer von Demokratie und Menschenrechten verabschiedet. Die Wiege der Volksherrschaft in Athen hat er sich ausgesucht, um die Werte der Demokratie zu betonen, viele seiner Worte richtete er direkt ans griechische Volk. Und doch: Sein Nachfolger Donald Trump schwang irgendwie immer mit, als Obama vor den Flaggen Griechenlands, der USA und der EU die großen Linien vorzeichnete.

Lesezeit: 4 Minuten
Anzeige

Wenn er heute ins Kanzleramt geht und sich zunächst mit Kanzlerin Angela Merkel, tags darauf dann mit vier weiteren Staats- und Regierungschefs aus Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien trifft, wird das nicht anders sein. Obama, der als Einziger schon mit Trump unter vier Augen gesprochen hat, wird die Führungsfiguren Europas beruhigen müssen, sie werden mehr hören wollen über das Phänomen Trump. Der künftige Präsident ist aus seiner Sicht kein Ideologe, eher ein Pragmatiker, hatte Obama bereits vor dem Start zu seiner letzten Auslandsreise nach acht Jahren Amtszeit kundgetan. Er wolle ihm helfen, ein guter Präsident zu werden. Offenbar hat der Amtsinhaber erkannt, dass da bis zum Wahltag in dem einen oder anderen Kopf falsche Vorstellungen herrschten.

„Die frühesten Formen der Demokratie in Athen waren weit davon entfernt, perfekt zu sein, genauso wie die frühesten Formen der amerikanischen Demokratie nicht perfekt waren.“

Auf dem Hügel der Akropolis

„Die wichtigste Rolle in einem Land ist nicht die des Präsidenten oder des Ministerpräsidenten. Die wichtigste Rolle im Land ist die des Bürgers“, rief Obama den Griechen zu, nachdem er zuvor den Parthenon und andere historische Stätten auf dem Hügel der Akropolis besucht hatte. „Die Bürger müssen in der Lage sein, ihre Führung selbst zu bestimmen.“ Mehrheiten müssen anerkannt werden.

Eine Mischung aus Größe und Bitterkeit spricht aus diesen Worten. Obama erkennt damit die Wahlniederlage „seiner“ Kandidatin Hillary Clinton an. Ihn scheint aber auch die nackte Sorge umzutreiben, wie es unter einem Präsidenten Trump weitergeht mit der Demokratie in den USA. Kein großes Wunder angesichts erster Anzeichen für Vetternwirtschaft und Postengeschacher rund um den Trump Tower in New York. „Der nächste Präsident und ich könnten unterschiedlicher nicht sein“, sagte Obama denn auch.

„Ungleichheit wurde früher eher toleriert, sie wird jetzt nicht mehr
toleriert, weil jeder, auch in den entlegensten
Regionen Afrikas, ein Smartphone hat und
sehen kann, wie die Leute in London oder New York leben.“

Ansonsten blieb Obama in Athen vergleichsweise abstrakt, zog seine rhetorischen Kreise um die Grundpfeiler der Demokratie. „Wir müssen deutlich machen, dass Regierungen existieren, um den Bürgern zu dienen, und nicht andersherum“, sagte er. In Deutschland wird es konkreter werden. Der europäische Kontinent ist wie die USA bedroht von einer Populismuswelle. In Großbritannien hat sie mit dem Brexit-Votum bereits Fuß gefasst. In Italien steht in wenigen Wochen ein Referendum bevor, in Österreich die Bundespräsidentenwahl, in Frankreich wird im Frühjahr ein neuer Präsident gewählt, bevor dann auch in Deutschland die Bundestagswahl ansteht. Überall drohen populistische Kräfte Oberhand zu gewinnen, Europa steht vor einem Rechtsruck.

Wie seine Kollegen muss sich auch Obama fragen lassen, wie weit seine Politik schuld ist an der Entwicklung. Warum schafft es niemand mehr, nach rechts zu integrieren, wie das einst Helmut Kohl mit den deutschen Republikanern und anderen Rechtsparteien erfolgreich gelöst hat? Obama macht einen „kruden Nationalismus“ verantwortlich, fußend auf einer latenten Unsicherheit, einer gewissen Orientierungslosigkeit in einer sich ständig ändernden Welt. „Ungleichheit wurde früher eher toleriert, sie wird jetzt nicht mehr toleriert, weil jeder, auch in den entlegensten Regionen Afrikas, ein Smartphone hat und sehen kann, wie die Leute in London oder New York leben“, sagte der Präsident.

Mit Lob überschlagen

Nächstes Ziel von Obamas Abschiedstour: Deutschland. Als Obama im April die Hannover-Messe eröffnete, überschlug er sich mit Lob für die Kanzlerin. Sie sei die „wichtigste Beziehung, die wichtigste Freundschaft, die ich in meiner Amtszeit hatte“. Er betonte auch, es sei „immer schön“, seine Freundin Angela wiederzutreffen. „Ich habe sie schätzen gelernt.“ Das Verhältnis, das der US-Präsident und die Kanzlerin in den kommenden zwei Tagen zum letzten Mal öffentlich werden demonstrieren können, war zu Beginn von Obamas Amtszeit nicht so euphorisch. 2008 verweigerte Merkel, die mit dem globalen Obama-Hype nichts anfangen konnte, dem Präsidentschaftsbewerber der Demokraten einen Auftritt vor dem Brandenburger Tor. Obama musste mit der Siegessäule Vorlieb nehmen, wo ihm aber auch 200 000 Mensch zujubelten.

„Der nächste US-Präsident und ich könnten unterschiedlicher nicht sein, aber wir haben eine Tradition, dass der scheidende Präsident
den neuen willkommen heißt, und das habe
ich vergangene Woche getan.“

Neu im Amt, behandelte Obama die Kanzlerin mit demonstrativem Desinteresse. Bei seinen ersten Besuchen in Deutschland sah er Baden-Baden und Dresden. Um Berlin machte er einen Bogen. Merkel musste sich in Bewegung setzen, um ihn bei seinem Antrittsbesuch zu treffen. Erste gemeinsame Auftritte gerieten holprig. Obama hatte dennoch ein Interesse, sein Verhältnis mit Merkel auf eine freundschaftliche Basis zu stellen. Die innenpolitische Lage in den USA zwang ihn, Verantwortung an Europa abzugeben. Dafür brauchte er Merkel. So verlieh er der in der DDR aufgewachsenen Politikerin die Freiheitsmedaille – für Merkel vielleicht die wichtigste Ehrung ihrer Laufbahn. Doch die Beziehung bleibt wechselhaft. 2013 im Sommer bekam Obama endlich seinen Auftritt vor dem Brandenburger Tor. Nur wenige Monate später wusste die Kanzlerin, dass die NSA auch ihr Mobiltelefon abgehört hatte.

Jetzt liegt über dem Berliner Regierungsviertel Wehmut: Die Holperstrecke mit dem künftigen Präsidenten Donald Trump wird wohl länger werden als mit Obama, fürchten viele. Angela Merkel verliert einen mächtigen Freund an ihrer Seite, der ihre Verlässlichkeit belohnte, indem er seinen Glanz mit ihr teilte.

Takis Tsafos/Kristina Dunz/ Eva Quadbeck