Rheinland-Pfalz

Nürburgring: Grüne distanzieren sich von der SPD

Ein Blickwechsel zwischen Fraktionschef Daniel Köbler und Nils Wiechmann, ein kurzes Nicken. Dann ergreift der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion das Wort. Die kurze Vorgeschichte einer ungewöhnlichen Distanzierung vom Koalitionspartner SPD.

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Von unserem Redakteur Dietmar Brück

Während die Genossen den Rechnungshof zu ihrem Lieblingsfeind erkoren haben, stärkt Wiechmann den Speyerer Finanzkontrolleuren den Rücken. Bei einer Pressekonferenz fordert er Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) zu einem unmissverständlichen Signal in ihrer Regierungserklärung auf. Mit Blick auf den Rechnungshofbericht, der der Neuordnung am Nürburgring ein vernichtendes Zeugnis ausstellt, meint Wiechmann: „Wir müssen die Grundtendenz anerkennen und nicht relativieren.“

Der Grünen-Abgeordnete redet sich regelrecht in Rage. Bei der Debatte um den Rechnungshofbericht gehe es nicht darum, über „Nachkommastellen“ zu diskutieren. Er spricht von großen Fehlern, die die Speyerer Prüfer „schonungslos offengelegt haben“. Und um jegliche Missverständnisse zu vermeiden, meint er noch: „Jetzt muss klar eingestanden werden: Hier ist Mist gemacht worden.“

Durch die Reihen der Medienvertreter geht ein Raunen. Bisher haben die Grünen den Koalitionspartner mit allzu heftiger Kritik eher selten behelligt. Das trug ihnen schon den Vorwurf ein, das zahme Schoßhündchen der Sozialdemokraten zu sein.

Kritische Basis im Norden

Grünen-Fraktionschef Köbler dürfte seinem Vertrauten Wiechmann bewusst das mediale Feld überlassen haben. Der Abgeordnete aus Koblenz muss sich mit einer kritischen Basis auseinandersetzen. Vor allem im nördlichen Rheinland-Pfalz gibt es durchaus Grüne, die wenig Neigung zeigen, von der SPD mit in den politischen Abgrund gerissen zu werden.

Der sozialdemokratische Fraktionschef Hendrik Hering zeigt Verständnis für die politische Haltung des Koalitionspartners. „Sie stellen das Projekt kritischer dar. Das ist auch gerechtfertigt.“ Auf die Frage, ob seine Stellung als Fraktionschef noch gefestigt sei, sagt Hering sichtlich angesäuert: „Machen Sie sich darüber mal keine Gedanken.“ Der frühere Wirtschaftsminister ist auch SPD-intern wegen seiner Rolle in der Ring-Krise nicht mehr unangefochten. Er gilt aber nach wie vor als Vertrauter Dreyers und strategischer Kopf der Partei.

Bei SPD und Grünen ist man ohnehin der Meinung, dass es unfair wäre, einen einzelnen Politiker für die Dauerkrise an der Rennstrecke zur Verantwortung zu ziehen. Sonst könnte man auch Finanzminister Carsten Kühl oder Innenminister Roger Lewentz (beide SPD) herausgreifen. Von daher wäre es eine riesige Überraschung, wenn Ministerpräsidentin Dreyer unter dem Eindruck der jüngsten Ereignisse eine Kabinettsumbildung vornehmen oder die Fraktion dazu auffordern würde, ihren Vorsitzenden auszutauschen.

Interessant ist auch: Die SPD hält eisern an der Idee fest, Rechnungshofpräsident Klaus Behnke zum Wirtschaftlichkeitsbeauftragten der Landesregierung zu machen. Dabei versuchten die Genossen, in den Aussprachen zu dem brisanten Sondergutachten mit Macht die Glaubwürdigkeit des Behördenchefs in Zweifel zu ziehen. Hering ist einfach grundsätzlich der Meinung, dass der Wirtschaftlichkeitsbeauftragte mit dem jeweiligen Rechnungshofpräsidenten besetzt werden sollte. „Wir machen das nicht an einer Person fest“, sagt er. Dass das Tischtuch zwischen SPD und Klaus Behnke derzeit ziemlich zerschnitten ist, gilt als offenes Geheimnis im Regierungsviertel.

Klöckner angriffslustig

Die CDU lässt derweil sämtliche Zurückhaltung fahren und geht bei ihrer Pressekonferenz zum Großangriff über. Oppositionsführerin Julia Klöckner, gerade zurück von einer Mexikoreise mit Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne), wirkt angriffslustig wie in alten Zeiten. Sie fordert Kühl, Lewentz und Hering zum Rücktritt auf.

Der Zeitpunkt für die Attacke ist klug gewählt. Denn die Turbulenzen um den Ring-Käufer Capricorn bringen die rot-grüne Landesregierung zusätzlich in Bedrängnis. Dreyer feierte den Verkauf an den Düsseldorfer Autozulieferer einst als Hoffnungszeichen für die gebeutelte Eifel. Der Nürburgring sollte endlich wieder positive Schlagzeilen schreiben.

Die Tatsache, dass Capricorn-Chef Robertino Wild jetzt seine Ring-Anteile an einen Treuhänder übertragen musste, bringt Unsicherheit mit sich. Auch wenn Nürburgring-Minderheitsgesellschafter Axel Heinemann an einer finanziellen Auffanglösung arbeitet, ist nicht sicher, ob der gesamte Verkaufsprozess kippt. Das wäre neuerlich ein politisches Debakel sondergleichen.

Julia Klöckner lehnt sich indes recht weit aus dem Fenster, da sie in Verbindung mit Wild das Wort „Hochstapler“ in den Mund nahm. Immerhin haftet der Düsseldorfer Unternehmer mit seinem privaten Vermögen für sein Engagement in der Eifel. Festzustehen scheint indes, dass er nicht ehrlich kommunizierte, wie stark seine teure Villa und seine wertvolle Kunstsammlung bereits beliehen waren. Wild wirkte zerknirscht, fühlt sich von Feinden umringt. Und er fürchtet, in die Mühlen eines Kampfes um die Macht in Mainz zu geraten.