Warschau

Nato-Gipfel in Warschau: Erdogan lässt Merkel abblitzen

Erdogan lässt Merkel abblitzen Foto: dpa

Kanzlerin Angela Merkel macht sich rar bei den Medien auf diesem Nato-Gipfel. Als sie am Samstagnachmittag im Nationalstadion von Warschau Gipfelbilanz zieht, lässt sie nur zwei Fragen zu. Die befassen sich nicht mit den eigentlichen Gipfelthemen. Stattdessen geht es um ein Gespräch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan am Rande des Gipfels. Es war ihr erstes Treffen der seit der Verabschiedung der Armenien-Resolution des Bundestags.

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Von Michael Fischer

Dann verweigerten die türkischen Behörden einem Parlamentarischen Staatssekretär und mehreren Abgeordneten einen Besuch bei den 240 Bundeswehrsoldaten auf der Luftwaffenbasis Incirlik – aus deutscher Sicht inakzepabel: Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee, und diejenigen, die über die Einsätze der Soldaten entscheiden, müssen sich auch ein Bild davon machen. Ankara empfindet wiederum die Bezeichnung Völkermord für die Ereignisse vor 100 Jahren als beleidigend.

Der Streit ist in eine Sackgasse geraten. Erdogan hat auch Merkel abblitzen lassen. „Dissense sind ja durch so ein Gespräch nicht weg“, musste die Kanzlerin nach dem Treffen eingestehen. „Aber ich glaube, es war wichtig, dass wir gesprochen haben.“ Wer sich so äußert, hat noch nicht viel erreicht. Ein Beschluss des Nato-Gipfels, der unmittelbar nach dem Treffen Merkels mit Erdogan gefasst wurde, macht die Absage an die Abgeordneten aus deutscher Sicht noch bitterer. Künftig sollen Awacs-Aufklärungsflugzeuge der Nato von der Türkei aus den Luftraum über Syrien und dem Irak überwachen. Die Besatzungen bestehen zu einem Drittel aus deutschen Soldaten. Es kommt also ein weiterer Türkei-Einsatz auf die Bundeswehr zu. Die Flieger werden möglicherweise vom türkischen Flugplatz Konya starten.

Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels, machte klar, dass sich Abgeordnete auch dort ein Bild von der Lage machen müssten. „Sonst wäre das gegebenenfalls ein Thema für die Diskussion in Nato-Gremien.“ Von türkischer Seite hieß es, man erwarte von der Bundesregierung zumindest ein kleines Zeichen der Distanzierung von dem Bundestagsbeschluss.

Das dürfte schwer fallen. Merkel nahm an der Abstimmung im Bundestag zwar nicht teil, votierte aber in der Fraktion für die Resolution. Die Zeit drängt. Mitte September wollen sechs Abgeordnete aus allen vier Bundestagsfraktionen nach Incirlik gelangen. Im Bundestag wird schon darüber diskutiert, wie die Reaktion aussehen könnte, wenn das Vorhaben scheitert. Von Abzug der Bundeswehr aus Incirlik ist die Rede. Auch die Verlegung der Nato-Parlamentarierversammlung im November in Istanbul in einen anderen Mitgliedstaat wurde bereits gefordert. Und es wird über ein Nein zum Awacs-Einsatz über der Türkei diskutiert.