Rheinland-Pfalz

Nach gescheitertem Attentat: Familien kamen für Monate in Haft

Lina Lindemann, hier mit Ehemann Fritz, kam am 28. Juli in sogenannte Sippenhaft. <br />Foto: Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Lina Lindemann, hier mit Ehemann Fritz, kam am 28. Juli in sogenannte Sippenhaft.
Foto: Gedenkstätte Deutscher Widerstand

In das große Gedenkjahr 2014 fällt auch der 70. Jahrestag des Attentats auf Adolf Hitler, das am 20. Juli 1944 ein verbrecherisches System beenden wollte. Eine Ausstellung in der Koblenzer Sparkasse lenkt mit einigen Biografien den Blick darauf, dass Widerstand auch aus Rheinland-Pfalz kam und brutal verfolgt wurde.

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Von unserer Redakteurin Ursula Samary

Einige Beispiele: Wie Philipp Freiherr von Boeselager ist auch der aus St. Goar stammende Major Adolf Friedrich Graf von Schack an Umsturzplänen beteiligt. In der Berliner Schaltstelle der Wehrmacht soll er Befehle zur „Operation Walküre“ weitergeben. Nach dem Scheitern des Attentats wird auch er zum Tode verurteilt.

Zu entschiedenen Gegnern Hitlers gehört zudem Fritz Lindemann, General der Artillerie mit Kontakten zu Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Er soll nach erfolgreichem Attentat auf Hitler die Pressearbeit für eine neue Regierung übernehmen. Seine Frau Lina ist im Juli 1944 längst zu Besuch bei ihrer Schwester Ilse-Margot von Hohenzollern auf Burg Namedy bei Andernach. Am 28. Juli wird sie in sogenannte Sippenhaft genommen, weil ihr Mann zunächst fliehen kann. „Sippenhaft“ wurde, wie Ausstellungsmacher Joachim Hennig erklärt, nicht nur als Strafe für Angehörige verhängt, sondern auch als Druckmittel gegen Verschwörer wie Lindemann.

Odyssee durch mehrere Konzentrationslager

Seine Frau landet im Koblenzer Gefängnis, wird nach dem Bombenangriff im November 1944 mit anderen Häftlingen über die brennende Schiffsbrücke ins rechtsrheinische Ehrenbreitstein getrieben – in einen nassen Bunker. Es folgt eine Odyssee durch mehrere Konzentrationslager bis nach Buchenwald, wo auch Angehörige der Familie von Stauffenberg interniert sind. Als die Front näher rückt, beginnt eine neue Irrfahrt für „Sippenhäftlinge“ – bis nach Südtirol im April 1945. Amerikaner bringen sie im Juni 1945 über Mailand und Paris nach Frankfurt. Lina Lindemanns Mann ist längst tot. Er hat im September 1944 die schweren Verletzungen bei seiner Verhaftung nicht überlebt.

Lina Lindemanns Schicksal erleiden nach dem 20. Juli auch Josef und Katharina Mohr aus Neuwied-Irlich. Ihr vermeintliches Verbrechen: Sie bieten der in Köln ausgebombten Therese Kaiser, Josefs Schwester, Unterschlupf. Nazis fahnden nach Schwager Jakob Kaiser, dem späteren CDU-Mitbegründer, Sozialausschüssler und Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen. Der Gewerkschaftler und Mann des Widerstands kann sich bis 1945 einem Keller in Berlin verstecken. Aber die Mohrs sowie Kaisers Frau und Tochter erleben, wie Hitlers erbarmungsloser Rachefeldzug auch Unbeteiligte bis Kriegsende verfolgt.

Die Ausstellung des Fördervereins Mahnmal erinnert an das unterschiedliche Spektrum des Widerstands und seines Umfelds. Mit der Aktion „Gewitter“ gegen unbequeme politisch Denkende landen beispielsweise auch die Koblenzer Sozialdemokratin Maria Detzel oder Zentrumspolitikerin Helene Rothländer aus Koblenz zeitweise in Haft.

Kleine Widerstandsgruppen

Neben Offizieren sind kleinere Gruppen im Widerstand aktiv – wie die von der Gestapo genannte „Rote Kapelle“. Ihr gehört auch Maria Terwiel aus Boppard an, die zunächst Jura studiert. Sie gibt auf. Als Tochter einer jüdischen Mutter hat sie keine Chance auf Examen und Arbeit. Sie beteiligt sich in Berlin an Flugblattaktionen – auch mit der Botschaft, dass ein „Endsieg des nationalsozialistischen Deutschlands nicht mehr möglich ist“. Mit Offizieren wie von Stauffenberg kann sie keinen Kontakt mehr aufnehmen: Im August 1942 wird die Gruppe enttarnt, auch Maria Terwiel verhaftet und wegen „Hochverrat und Feindbegünstigung“ zum Tode verurteilt. In einem letzten Brief schreibt sie an ihre jüngeren Geschwister: „Seid tapfer im Leben.“ Ein Vermächtnis, das – so Hennig – auch nicht vergessen werden darf. Wachsamkeit wie Zivilcourage bleiben gefordert.