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Mit zehn Jahren zu alt? – Facebook und die Frage, ob es jetzt abwärts geht

Menlo Park in Kalifornien, der Daumen geht rauf:  Facebooks Hauptquartier Foto: dpa
Menlo Park in Kalifornien, der Daumen geht rauf:  Facebooks Hauptquartier Foto: dpa

Für manche ist Facebook die Seuche, und ansteckend war es von Anfang an. Mit einer Berechnungsmethode zur Ausbreitung von ansteckenden Krankheiten wollen US-Forscher auch den Abstieg ermittelt haben. Doch zehn Jahre nach Gründung sieht es trotz Unkenrufen nicht danach aus.

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Von unserem Redakteur Lars Wienand

„Hunderte melden sich bei neuer Facebook-Webseite an“, titelte der Harvard Crimson am 9. Februar 2004. Als Marc Zuckerberg am 4. Februar TheFacebook ins Netz gestellt hatte, hatte auch er wohl nicht geahnt, dass daraus zehn Jahre später einmal 1,2 Milliarden Nutzer geworden sind, von denen mehr als 750 Millionen täglich dort eingeloggt sind. „Es war eine unglaubliche Reise, für mich persönlich und für alle im Unternehmen“, sagt Zuckerberg. Jede fünfte im Netz aufgerufene Seite ist heute Facebook. Das „f“ und der Daumen stehen für den Siegeszug von Social Media, fürs Vernetzen, fürs gemeinsame Wundern, Freuen und Empören im Netz, aber auch fürs Verschwimmen von privat und öffentlich. Verbunden mit einem anscheinend unaufhörlichem Wachstum:

Gerade mal eine Woche hatte der damals 19-jährige Zuckerberg am Programm geschrieben, angeblich frustriert, dass ein Jahrbuch der Uni online auf sich warten lässt. Ironie des Schicksals: Zuckerberg hatte mit der Seite ein Datenschutz-Desaster wettmachen wollen. Vor TheFacebook hatte er Facemash gegründet, sich massenhaft Fotos von Studenten mit deren Namen kopiert und Nutzer abstimmen lassen, wer besser aussieht ... Facebook biete umfassenden Datenschutz, erklärte er vermeintlich geläutert. Da war Facebook aber auch noch nicht kommerziell gedacht.

In der Realität stehen Datenschutz und Privatsphäre im Gegensatz zum Geschäftsmodell. Das Unternehmen sammelt Daten, um sie wiederum zu Geld zu machen. Als der Wiener Student und Datenschutz-Aktivist Max Schrems aber 2011 wissen wollte, was Facebook über ihn gespeichert hat, bekam er 1100 Seiten zugeschickt. Facebook soll sogar festhalten, wenn ein Kommentar begonnen, aber dann doch nicht abgeschickt wird. In den USA würden inzwischen versuchsweise Daten von Datenhändlern bei einer identischen E-Mail-Adresse mit Facebooks Profilinformationen zusammengeführt, so Schrems. Das ermögliche, dass Punkte sammelnden Kunden auf Facebook Werbung passend zu ihren Supermarkteinkäufen angezeigt wird.

Es wäre ein radikaler nächster Schritt, mit Werbung mehr Erlöse zu erzielen. Gerade erst jubelte die Börse über die stark gestiegenen Einnahmen aus dem sogenannten mobilen Geschäft: Im vierten Quartal 2013 hatten die mobil eingenommenen Werbegelder mit einem Anteil von 53 Prozent die der klassischen Internetseite überholt – im Vorjahreszeitraum waren es erst 23 Prozent gewesen, und Facebook stand im Ruf, den Trend zu mobilen Geräten zu verschlafen. Im gesamten Jahr 2013 war Facebook auf einen Umsatz von 7,9 Milliarden Dollar und auf einen Gewinn von 1,5 Milliarden Dollar gekommen.

Facebook stürzte nach dem Börsengang ab, macht aber inzwischen den Anlegern Spaß. Foto: dpa
Facebook stürzte nach dem Börsengang ab, macht aber inzwischen den Anlegern Spaß.
Foto: dpa

Also alles in Butter? Über vermeintliche Sättigung wird trotz steigender Nutzungszahl schon länger spekuliert. Da machte eine Studie am Fachbereich Luft- und Raumfahrttechnik der Princeton Universität gerade Aufsehen mit der These, dass Facebook in den Jahren 2015 bis 2017 75 Prozent seiner Mitglieder verlieren wird. Ausgewertet wurde dafür die Menge an Google-Suchabfragen nach „Facebook“ – und die ist rückläufig. Als das bei der Netzwerk-Seite MySpace der Fall war, ging es rapide bergab. Und Biologen leiten aus der Formal auch verlässlich die Entwicklung von ansteckenden Krankheiten ab. Auf der anderen Seite kann die Zahl zurückgehender Suchen auch Indiz sein, dass Nutzer nach Facebook nicht mehr suchen, weil sie auf dem Stand sind. Und ein Datenwissenschaftler von Facebook rechnete als Erwiderung vor, dass es nach der Methode 2060 keine Luft mehr geben wird. Für Princeton kommt das Aus demnach bereits 2021 – keine Studenten mehr.

Und dann heißt es, dass Facebook unter jungen Nutzern uncool sei, peinlich geworden durch die Gefahr, da von Mutti und vielleicht Oma öffentlich kommentiert zu werden. Die Jungen würden abwandern, nutzten stattdessen WhatsApp oder auch Snapchat, wo Postings automatisch wieder verschwinden, oder posteten auf dem Blogging-Netzwerk Tumblr. Facebook räumte auch ein, dass im Herbst 2013 bei den Jüngeren in den USA die Zahl der täglichen Nutzer zurückgegangen ist. Insgesamt sei die Zahl der jungen Nutzer aber stabil geblieben.

Auch eine Auswertung der tschechischen Analysespezialisten Social Bakers widerlegt die These von der Massenabwanderung der JUngen. Aus den Daten zur Reichweite von 1847 Seiten mit 960 Millionen Nutzern leitete Social Bakers ab: Die Reichweite unter den 13- bis 24-Jährigen hat im Laufe des Jahres 2013 noch um 29 Prozent zugelegt. Und die von einem Mitarbeiter geposteten Darstellungen zur Entwicklung sehen eindrucksvoll aus:

Aufschrei gibt es um die Seite kaum noch. Für Schrems nicht verwunderlich: Facebook habe gelernt, Änderungen in kleinen Happen besser versteckt einzuführen. „Die psychologische Seite haben sie gut im Griff“, sagt er.

Ein Teil der Nutzer kann das mit Blick auf Facebook und Co. von sich nicht sagen. Wissenschaftler forschen zunehmend zum Phänomen vor allem bei Frauen und Mädchen, regelrecht abhängig zu sein von Sozialen Netzwerken. 2013 erklärte die damalige Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans (FDP, dass Anlaufstellen für Internetsüchtige künftig mehr spezielle Angebote für Nutzer sozialer Netzwerken bieten sollen.

Facebook-Rückmeldungen sind Selbstbestätigung, stimulieren das Belohnungszentrum und wirken ähnlich wie Essen oder Sex, erklärten Psychologen der FU Berlin. Sie wiesen nach, dass bei intensiven Nutzern die entsprechende Hirnregion stärker auf Lob reagiert.

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Autor:
Lars Wienand
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