Mexiko-Stadt

Mexiko: Mit drastischen Mitteln gegen die Pandemie

Vor einem Jahr erschreckte eine Nachricht aus Mexiko die Welt. In dem Land war ein neuartiges Virus aufgetreten, an dem Menschen starben. Die meisten Fälle wurden in der Hauptstadt verzeichnet.

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Die Regierung in Mexiko-Stadt gab Alarm, am 24. April waren alle Schulen des Landes geschlossen. Von diesem Zeitpunkt an geriet Mexiko, das ohnehin seit langem unter einem erbarmungslosen Drogenkrieg litt, in eine schwere Krise, die das Land wochenlang lahmlegte. Heute ist davon nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil: Im Dorf La Gloria im Bundesstaat Veracruz, wo angeblich der erste Fall aufgetreten war, wurde inzwischen sogar ein Denkmal zur Erinnerung an den Beginn der Epidemie errichtet. Der Junge Édgar Hernández, der die angeblich so gefährliche Seuche mit normalen Grippemitteln überstanden hatte, ist kerngesund. „Er ist einer der besten in der Schule“, berichtet der Gouverneur des Bundesstaates, Fidel Herrera. Herrera, dem nachgesagt wird, die Präsidentschaft in Mexiko anzustreben, ließ in La Gloria eine ein Meter hohe Statue von Édgar, dem „Wunderkind“, aufstellen.

Vor einem Jahr hätte Mexiko gern darauf verzichtet, die Aufmerksamkeit der Welt auf diese Weise zu erregen. Die mexikanische Regierung griff zu drastischen Mitteln. Kindergärten und Universitäten wurden geschlossen, Konzerte, Fußballspiele und Gottesdienste untersagt, Restaurants dicht gemacht. Die Mexikaner beteten, dass die Seuche die Menschen verschonen möge. Die Behörden forderten die Menschen auf, zu Hause zu bleiben. Selbst der Besuch der Pyramiden aus der vorspanischen Zeit war verboten. Wochenlang flogen Flugzeuge voll besetzt aus Mexiko ab und kamen leer zurück. So sah die Lage für Mexiko, ohnehin schwer angeschlagen von der Weltwirtschaftskrise, im vergangenen Jahr düster aus. „Warum sterben die Menschen in Mexiko und in anderen Ländern nicht?“, fragten Medien vor allem in Lateinamerika.

Mexikaner wurden oft wie Aussätzige behandelt. In China isolierten die Behörden eine Gruppe von Mexikanern mehrere Tage lang. Und es kam zu Spannungen zwischen den Regierungen. Auch Argentinien brüskierte die Mexikaner, als es Flugzeuge aus Mexiko nicht mehr einfliegen ließ. „Ich finde es ungerecht, dass es einige Länder gibt, die aus Desinformation oder Nichtwissen Maßnahmen der Diskriminierung und der Repression ergreifen“, beschwerte sich Mexikos Präsident Felipe Calderón. Mexiko habe bestens mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zusammengearbeitet. Bis Ende März 2010 starben an der Grippe über 1150 Menschen in Mexiko, rund 72 0000 waren insgesamt infiziert. Die argentinische Zeitung „Clarin“ schrieb: „Es ist verdächtig, dass die Todesfälle bisher nur in Mexiko aufgetreten sind.“ Das könne man nicht biologisch erklären. Das müsse mit politischen Mängeln und dem Fehlen von Krankenversicherungen zu tun haben. Sie zitierte sogar die im mexikanischen Untergrund agierende Revolutionäre Volksarmee im Bundesstaat Guerrero. Diese habe die verfehlte Sozialpolitik der Elite Mexikos beschuldigt, weil sie die Mehrheit der Bevölkerung schutzlos sich selbst überlassen habe.

Fest steht, dass Mexiko, indem es angesichts einer unbekannten Gefahr für mehrere Wochen das gesamte Leben einfror, einen hohen Preis bezahlt hat. Das ohnehin durch die Kriminalität und Gewalt beschädigte Image des Landes erlitt weitere Schäden. Doch als die Schweinegrippe im Sommer vorbei war, ließ sich Mexiko als Kämpfer gegen die Pandemie feiern, der weltweit Schlimmeres verhindert habe.

Von Franz Smets