Tianjin

Merkel in China: Mehr süß als sauer

Bringt Farbe in die verbotene Stadt: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit prominentem Reiseführer, dem chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao, in Peking.
Bringt Farbe in die verbotene Stadt: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit prominentem Reiseführer, dem chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao, in Peking. Foto: dpa

Angela Merkel ist zufrieden: Chinesische Rückendeckung bei der Euro-Rettung, Milliardenabschlüsse und eine spürbar engere Abstimmung beider Regierungen – ihr zweitägiger China-Besuch hat die „strategische Partnerschaft“ mit der zweitgrößten Wirtschaftsmacht ein gutes Stück vorangebracht. Die feierliche Auslieferung des 100. Airbus aus der Endmontage in Tianjin symbolisiere einen passenden „Höhepunkt in der Wirtschaftskooperation“, sagt die Kanzlerin.

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Chinas Premier Wen Jiabao spricht von einem „sehr erfolgreichen Besuch“. In der Lösung der Finanzprobleme der Welt und Europas „arbeiten wir Hand in Hand“. Überhaupt, 20 Mal hätten sie sich schon getroffen.

Zwei Tage hat der scheidende Regierungschef die Kanzlerin persönlich begleitet – zum Abschluss in seine Heimatstadt Tianjin unweit von Peking. „Wir können jeden Konflikt oder jede Schwierigkeit in unseren Beziehungen lösen“, sagt der 69-Jährige mit der für ihn typischen Mischung von Überschwänglichkeit und Herzlichkeit.

Die diplomatische Höflichkeit übertüncht die schwierige Lage der Kanzlerin, die chinesische Kommentatoren etwas spöttisch als „Alphaweibchen in der Zwickmühle“ beschreiben. Sie muss sich in Peking schonungslose Analysen von Chinas Finanzspitzen anhören und mühsam um Vertrauen werben. Es wird auch Bewunderung für die frühere Physikerin aus Ostdeutschland deutlich, die nicht nur zur neuen „Maggie Thatcher“, sondern auch „zum schillerndsten weiblichen Politstar in Europa oder sogar der ganzen Welt aufgestiegen ist“.

Wegen der Geschäftsabschlüsse über mehr als 6 Milliarden US-Dollar wird Merkel auch als „Verkäuferin“ beschrieben, die mit leichtem Gepäck angereist ist, aber „schwer beladen“ wieder abreist: „Flitterwochen in der Wirtschaftskooperation“. Das intensive Werben um Wirtschaftsabschlüsse ist dem Kommentator einer Finanzwebseite suspekt: „Verbeugt sich die mächtigste Frau der Erde vor China?“

Die Kanzlerin widerspricht dem Eindruck, dass sie sich im Streit um Subventionen für die Solarindustrie auf die chinesische Seite gestellt hat. Chinas Solarhersteller begrüßten aber ausdrücklich, wie sich Merkel von der Anti-Dumping-Klage deutscher Unternehmen distanziert und für Dialog plädiert hatte, um das Problem zu lösen. Merkel erklärt, alle sollten einfach „die Karten auf den Tisch legen“, um zu sehen, ob der Wettbewerb verzerrt sei. Dass Geschäfte im Milliardenreich mühsam sein können, wird im monumentalen, mit Marmor und dicken rot-gelben Teppichen ausgelegten Gästehaus der Stadtregierung von Tianjin deutlich.

Hier hat Wen Jiabao die Spitzen der deutschen Wirtschaft eingeladen, um ihre Sorgen zu hören: mangelnder Zugang zum Markt, Patentprobleme, undurchsichtige Lizenzverfahren sowie Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen oder einzelnen Geschäftsbereichen.

Dass chinesische Töchter deutscher Unternehmen immer noch nicht gleich behandelt werden, moniert Siemens-Chef Peter Löscher mit leisen Tönen, die selbst der diplomatische Premier als „sehr, sehr höflich“ beschreibt: „Sie wollen die Probleme wohl nicht so deutlich ansprechen.“

Er räumt Mängel ein und verspricht Besserung. Wie viel davon zu halten ist, erscheint offen. Wen Jiabao selbst hatte schon vor langer Zeit angeordnet, dass ausländisch investierte Firmen wie chinesische Unternehmen gleichberechtigt behandelt werden müssten. Aber in der Praxis sieht das eben immer noch anders aus – und nächstes Jahr gibt der 69-Jährige ohnehin sein Amt ab.

Von Andreas Landwehr