Rheinland-Pfalz

Lkw auf „Reise nach Jerusalem“

Auffahrunfälle gibt es jeden Tag zahlreiche. Doch bei Lastwagen sind sie besonders gefährlich. In diesem Fall hat der Fahrer des Silozugs den Aufprall nicht überlebt.
Auffahrunfälle gibt es jeden Tag zahlreiche. Doch bei Lastwagen sind sie besonders gefährlich. In diesem Fall hat der Fahrer des Silozugs den Aufprall nicht überlebt. Foto: dpa

Über die vorgegebene Lenkzeit ist Pavel schon längst hinaus. Der Tag auf der Autobahn war lang, das Wetter ist immer regnerisch, die Rücklichter der vor ihm fahrenden Autos tanzen vor seinen Augen – am liebsten würde er einfach am Straßenrand anhalten und sich in die Schlafkoje seines Brummis hauen.

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Rheinland-Pfalz – Über die vorgegebene Lenkzeit ist Pavel schon längst hinaus. Der Tag auf der Autobahn war lang, das Wetter ist immer regnerisch, die Rücklichter der vor ihm fahrenden Autos tanzen vor seinen Augen – am liebsten würde er einfach am Straßenrand anhalten und sich in die Schlafkoje seines Brummis hauen.

Er weiß, dass sein Unfallrisiko jetzt besonders hoch ist – und es ist nicht einmal seine Schuld. Die ersten beiden Rastplätze, die er für die Nacht angefahren hat, waren bereits überfüllt, in die Ein- oder die Ausfahrtzone will er sich nicht stellen – „zu gefährlich“, sagt der 38-Jährige, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will, um Stress mit seinem Arbeitgeber zu vermeiden.

Es ist ein wenig wie das alte Spiel „Reise nach Jerusalem“. Gegen 18 Uhr verklingt die Musik, und die Brummifahrer müssen zusehen, dass sie einen freien Stellplatz bekommen. Doch der Lastverkehr auf deutschen Straßen ist kein Kindergeburtstag: In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich der Frachtverkehr auf den deutschen Straßen fast verdoppelt, die Rastplätze sind indes kaum mitgewachsen. Schon 2008 ergab eine Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen, dass zahlreiche Plätze an den Autobahnraststätten um bis zu 270 Prozent überbelegt sind. Aktuell fehlen bundesweit laut ADAC rund 14 000 Parkmöglichkeiten. Die Folge: „Der Stresspegel bei den Fahrern wegen eines chronischen Parkraummangels steigt dramatisch. Schwere Unfälle sind die Folge“, erklärte jüngst der Präsident des ADAC Mittelrhein, Dieter Enders, beim Truck-Symposium am Nürburgring.

Die Landesregierung Rheinland-Pfalz will dem entgegensteuern, hat bereits an der A 61 den Rastplatz Brohltal erweitert und verspricht weitere Ausbauten: „Bis 2012 bauen wir 830 neue Stellplätze auf unserem 870 Kilometer langen Autobahnnetz. Damit liegen wir deutlich über dem Wert, der unserem Bundesland im bundesdeutschen Ranking zugedacht ist“, nimmt der verantwortliche Innenminister Roger Lewentz (SPD) für sich in Anspruch. Die Bundesregierung hatte zuletzt angekündigt, rund 5500 neue Plätze zu bauen.

Doch Stellflächen allein sind nicht das Allheilmittel, wie die Trucker am Beispiel Brohltal warnen: „Plätze ohne Ende, doch für 150 Lkw gibt es gerade drei Toiletten, und wenn dann noch ein Reisebus kommt, ist alles vorbei“, kritisiert Uwe Siery, seit 28 Jahren Fahrer der Westerwälder Spedition Gebrüder Schröder. Hinzu komme, dass viele Rastplätze schlecht ausgeleuchtet sind. „Wenn ich da stehe, sichere ich die Spanngurte mit zwei gut verknoteten Seilen, damit keiner reinkommen kann.“

Letztlich sind die Fahrer sich einig: Solange es diese strukturellen Probleme gibt, hilft es auch nichts, dass die Lastwagen selbst mit immer mehr Sicherheitstechnik ausgerüstet werden. Im Idealfall ist der Laster für alle Eventualitäten gerüstet: Tempomat, Abstandshalter, Stabilitätshilfe und Funktionen, die warnen, wenn das Gespann die Spur verlässt. Aber das alles hilft nichts, wenn der Fahrer die Technik nicht nutzt. Der Fuhrunternehmer Daniel Ullrich nennt ein Beispiel: „Wenn ich überholen will, fahre ich natürlich nah auf, um dann auf die Überholspur zu ziehen. Mancher geht dann zu nah dran, und wenn der Vordermann in die Eisen geht, ist es schnell passiert.“ Generell wird sehr eng gefahren, ist die einhellige Meinung beim Fernfahrer-Stammtisch am Westerwälder Autohof Mogendorf. Dort und an zahlreichen anderen Rasthöfen diskutieren Polizei und Fernfahrer einmal im Monat über aktuelle Themen zur Sicherheit auf den Straßen. Aber nur ein geringer Teil der Fahrer nimmt das Angebot in Anspruch.

Doch zumindest bei den Teilnehmern ist ein Umdenken bemerkbar. Und auch Betroffenheit, wenn es wieder einmal einen tödlichen Unfall gab. Daniel Ullrich sagt: „Wenn ich davon im Radio höre, fange ich an zu beten.“

Von unserem Redakteur Peter Lausmann